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therapeutisches

An dieser Stelle werde ich über verschiedene Themenfelder der therapeutischen Arbeit bloggen. Einerseits möchte ich so meinen ambulanten Patienten die Möglichkeit geben psychoedukative Inhalte nachzulesen, andererseits können sich potenzielle Klienten sich ein Bild von meiner Arbeit und den angewandten Techniken machen.

Therapieblog

  • Angst

    Ängste treten häufig im Kontext der Psychotherapie auf. Das können sehr konkrete Ängste sein, die in Form von Phobien auftreten oder Ängsten die in Form von diffusen Sorgen auftreten. Ängste beeinflussen unser Verhalten und resultieren häufig darin, dass wir Handlungen und Situationen vermeiden, weil wir ihre Konsequenzen fürchten. Generell gilt dabei jedoch folgendes:

    F-E-A-R hast two meanings:

    Forget everything and run.

    or

    Face everything and rise.

    The choice is yours.

    Zig Ziglar

    Oder kurz: Angst soll uns auf Kampf oder Flucht vorbereiten. Angst stellt eine komplexe Körperreaktion dar ,die es uns ermöglicht effektiv auf Krisensituationen zu reagieren. Angst ist kein Symptom, keine Krankheit, keine Störung, sondern in erster Linie eine komplett normale Körperreaktion, die unser Handeln energetisieren soll. Schauen wir uns diese Körperreaktion einmal an. Wenn wir ängstlich sind, wird der Sympathikus aktiviert. das Veränderungen in unserem Körper zufolge:

    • Schnelle flache Atmung
    • Schneller Puls
    • trockener Mund
    • Zittern der Muskeln
    • Schwitzen
    • Verengung der Wahrnehmung
    • Weiche Knie
    • Schwindelgefühl

    Im Körper geht das mit erhöhtem Cortisolspiegel, erhöhter Sauerstoffsättigung im Blut, Noradrenalin und Adrenalinausschüttung einher. Diese Stoffe lassen sich nur durch zwei Dinge wieder loswerden: Sport, und Drogen. In der Regel hilft Bewegung daher sehr gut bei akut auftretender Anspannung und letzteres ist der Grund wieso Menschen häufig aus der Angst in die Suchterkrankung gehen.

    Doch schauen wir uns erst einmal an wozu der Körper diese Effekte hervorruft. Die schnelle flache Atmung soll es mit mehr Sauerstoff versorgen. die Lungenbläschen in der Lunge öffnen sich, was die Zufuhr von Sauerstoff erhöht. Der schnellere Puls soll das Blut durch den Körper transportieren, damit die ausführenden Organe mit allem versorgt werden, was Sie brauchen. Die Muskeln zittern, damit sie erwärmt werden um besser zu funktionieren. Das Schwitzen schützt die Muskeln vor Überhitzung und erschwert es Angreifern uns zu packen und festzuhalten. Unsere Wahrnehmung verengt sich damit wir uns auf einen Angreifer zu oder gezielt von ihm weg bewegen können. Schwindel ist das Resultat einer weiteren Schutzfunktion, wie verhindern soll, dass unser Gehirn zu wenig mit Sauerstoff versorgt wird und daher ernstzunehmenden Schaden nimmt. Dem Schwindelgefühl kann begegnet werden, indem die Sauerstoffsättigung im Blut verringert wird – also durch Bewegung.

    Ich erkläre den Patienten diese Symptomatik in der Regel während ich sie schnell und tief atmen lasse, damit sie durch die Sauerstoffsättigung in einen vergleichbaren zustand kommen: „Atmen sie bitte so schnell sie können, und so heftig, dass ich den Luftzug an meinen Händen spüren kann.“, Ich ermuntere dann immer mal wieder: „Ich spür ja gar nichts! Ist das schon alles? Sie können mehr!“. Dann kommentiere ich welche Symptome vielleicht schon auftreten: „Wahrscheinlich wird ihnen erst einmal der Mund trocken… Ich denke ihr Herz wird jetzt auch schon pumpen wie blöde….Ich sehe sie schwitzen schon ein wenig.“ Ich bitte die Patienten dann mir ein Zeichen zu geben, wenn ihnen schwindelig wird. Wenn ihnen dann schwindlig wird, bitte ich sie sofort aufzustehen und geleite sie ins Treppenhaus, dort lasse ich sie dort lasse ich sie die Treppen hinauf und hinunter laufen und ermuntere sie und treibe sie an schneller zu machen. Sofern der Schwindel vorbei ist, dürfen sie aufhören und wir können ins Settings zurückkehren.

    Im Anschluss erkläre ich in die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Sympathikus und Parasympathikus und erkläre ihne, dass man bei hoher Anspannung (ab 7 von 10) nur durch Sport oder Drogen die Anspannung verringern kann, weil die Sauerstoffsättigung gesenkt muss, und auch die Neurotransmitter aus dem Blut verarbeitet werden müssen. Entspannungsübungen jedoch können dabei helfen, gar nicht erst in so hoher Anspannung Zustände zu gelangen. In der Hochspannung helfen sie jedoch nicht.

    Wie man sich gegen wachsende Anspannung wappnen kann habe ich hier beschrieben. Ich empfehlen allen Patienten mindestens vier mal am Tag PMR anzuwenden und bei drohender Panik unmittelbar mit Bewegungsübungen zu beginnen. Für die weitere Auseinandersetzung mit der Angst sind jedoch folgende Fragestellungen zu berücksichtigen:

    • Funktionalität der Angst / spezifische Auslösebedingungen
    • Kognitive und Affektive Bewertungsschemata
    • Aufmerksamkeitslenkung bei erhöhter Selbstaufmerksamkeit (Achtsamkeit)
    • Umgang mit katastrophisierenden Gedanken (Defusion)
    • Expositionsplanung und Abbau von Vermeidungsverhalten
    • Angstausweiltung durch evaluative Konditionierung
    • emotionale Akzeptanz (Akzeptanz der eigenen Emotionen)
  • Einzelgespräche

    Das Einzelgespräch ist in der Regel das Herzstück der Psychotherapie, daher sollte man für sich eine Struktur entwickeln in der man gut arbeiten kann. Es hilf sich ungemein Dinge zu ritualisieren, damit sie fester Bestandteil des therapeutischen Geschehens werden. In diesem Gespräch geht es mir zunächst einmal um ein reguläres Einzel – nicht das Erstgespräch!

    Die Patienten werden sich dann an gewisse Abläufe gewöhnen und sie zum Teil einfordern, was die Arbeit als Therapeut unheimlich vereinfachen kann. Folgende Gesprächsstruktur haben meine Einzeltherapiestunden.

    Einstieg ins Gespräch

    Es ist immer sinnvoll auf das bisher Geschehene Rückgriff zu nehmen, das hilft den Patienten im therapeutischen Setting anzukommen. Das kann durch folgende Fragen passieren?

    • Was erinnern Sie aus der letzten Einzeltherapiestunde?
    • In der Gruppensituation habe ich sie auf eine bestimmte Art und Weise erlebt, wie kam das zu Stande?
    • Welche Dinge die wir besprochen haben, haben sie in der letzten Woche angewendet?
    • Wie kamen sie mit der therapeutischen Aufgabe zurecht, die ich Ihnen in der letzten Woche gegeben habe?

    Ich bemühe mich tatsächlich immer wenn möglich eine therapeutische Aufgabe zu geben, da ich fest davon überzeugt bin, dass Therapie ein Prozess ist, der sich zwischen den Sitzungen abbildet. Werden Aufgaben nicht nachvollzogen ist dies von diagnostischem Wert und kann uns etwas über die Patienten mitteilen. Werden sie verfolgt, so können die Patienten zwischen den Sitzungen üben und sich in Verhaltensänderungen erproben.

    Daher sollten therapeutische Übungen immer besprochen, oder zumindest angesprochen werden, damit der Patient das Gefühl behält, dass uns diese Aufgaben wichtig sind und sie ihn voranbringen können. Sonst wird er sie bald nicht mehr verfolgen, da er sie für optional und unwichtig hält.

    Verlaufscheck

    Der Patient kommt mit der Erwartung in die Therapie, dass sich sein Leben dadurch verbessert. Daher sollte man immer kurz prüfen wo man im Verlauf steht, das kann durch folgende Fragen geschehen:

    • Wie weit sind wir bei der Umsetzung ihrer Ziele bisher?
    • Wo kommen sie gut zurecht und wo hapert es im Moment?
    • Sind die Ziele vom Anfang noch aktuell?
    • Handeln wir im Moment in Richtung ihrer Werte?
    • Was ist ihnen bei den Selfchecks aufgefallen?

    Unspezifische Fragen wie: „Wie geht es Ihnen?“ sollten eher vermieden werden, sie werden zu Gelaber führen. Wenn man strukturierter vorgehen möchte, lässt man sich von seinen Patienten eine Wochenreflexion zeigen, damit man einen Überblick behält, wie aktiv die Patienten an der Verfolgung der Ziele arbeiten. Hier wird dann deutlich:

    • Wie die Symptome des Patienten im Moment aussehen.
    • Ob der Patient die richtigen Interventionen wählt um eine Besserung zu erzielen (Grübeln > Defusion, Achtsamkeit; Anspannung > PMR/AT, Sport).
    • Ob der Patient in die Reflexion geht um bedürfnisgemäß zu handeln (Gewaltfreie Selbstreflexion)
    • Welche Bedürfnisse frustriert sind und welche dysfunktionalen Strategien vorliegen.

    Anhand der Verlaufsbeobachtung können dann die aktuell notwendigen Interventionen / Psychoedukationsinhalte ausgewählt werden, die zu den aktuellen Problemfeldern passen.

    Intervention / Psychoedukation

    Ich finde es immer wieder erstaunlich wie wenig Störungs- und Prozesswissen Patienten bekommen, die ich von anderen Behandlern übernehme. Es ist essenziell, dass Patienten ein adäquates Störungs- Entwicklungs- und Behandlungsmodell von einer Störung besitzen. Ich stelle mir zunächst die fett hervorgehobenen Fragen. So könnten exemplarisch die Fragen und Überlegungen dazu aussehen:

    • Was benötigt der Patient im Moment?
      • Er kann mir nicht sagen, was eine Angstreaktion ist, er benötigt Störungswissen und Behandlungswissen.
      • Er benötigt normalisierende Gedanken und Zuversicht, einen Einblick in Behandlungsoptionen.
    • Welches Wissen könnte ihm helfen, seine Situation zu verbessern?
      • Sport ist hilfreich in hohen Anspannungssituationen
      • Entspannungsübungen können mittlere Anspannung immer wieder etwas reduzieren und damit hoher Anspannung entgegenwirken
      • Akzeptanz von Panikattacken hilft die Symptome zu reduzieren
    • Welche Tätigkeiten könnten ihm helfen sich selbst in eine bessere Situation zu bringen?
      • Ich könnte grundlegende Psychoedukation zu Entspannungsverfahren vornehmen und dem Patienten PMR beibringen.
      • Ich könnte ihm erklären was Akzeptanz ist und wieso es wichtig ist.
      • Ich könnte mit einer grundlegenden Psychoedukation was Ängste sind, wie sie behandelt werden und was dabei wichtig ist.
      • Ich könnte dem Patienten erklären was erhöhte Selbstaufmerksamkeit ist.
      • Durch Atemübungen panikähnliche Zustände beim Patienten induzieren und durch Sport entgegenwirken.
      • Wissen über Exposition und Vermeidung vermitteln.
    • Welche Techniken kann ich dem Patienten im Moment vermitteln, die im bei der Überwindung von Schwierigkeiten helfen können?
      • PMR/AT/Atemübungen/Bodyscan
      • Aufmerksamkeitsfokussierung im Außen (gegen erhöhte Selbstaufmerksamkeit)
      • Sport gegen hohe Anspannungszustände
      • Expositionspläne erstellen / Expositionen planen

    Als Verhaltenstherapeut nimmt für mich die Verhaltensänderung einen fundamentalen Teil der Therapie ein. „Talk is Cheap“. Von daher flechte ich wo es geht aktive Teilhabe und Übungen ein.

    Häufig schreibe ich die Psychoedukativen Inhalte auf oder visualisiere sie in Zeichnungen, die ich den Patienten dann nach der Stunde mitgebe. Diese Übergangsobjekte können dabei helfen das Verhalten ins Leben zu integrieren.

    Festigung, Feedback, Aktivitätenplanung

    Idealerweise werden die Kernpunkte des bisher Besprochenen nochmals wiederholt. Im Anschluss daran wird gemeinsam geplant, wie bestimmte Aktivitäten umgesetzt werden könnten. Dazu können folgende Fragen hilfreich sein:

    • Was sind die Anker/Trigger/Rituellen Zeitpunkte für Lösungsverhalten?
    • Wie setze ich das um?
    • Was mache ich, wenn die Technik nicht funktioniert?
    • Wobei soll mir diese Technik genau helfen?

    Für gewöhnlich formuliere ich explizit eine Therapeutische Aufgabe, das kann sehr spezifisch erfolgen, oder etwas allgemeiner gehalten sein. Hier ein paar Beispiele:

    • Bitte speichern Sie sich vier Termine für aktive Entspannung ein (PMR/AT)
    • Probieren sie mal, eine Entspannungsübung zu machen bevor sie in soziale Interaktionen gehen
    • Bitte dokumentieren sie auf diesem Bogen was sie für sich selbst tun
    • Versuchen sie mal Dinge mit gewaltfreier Selbstklärung zu betrachten, wenn sie merken, dass sie „angefressen“ sind.

    Es ist sinnvoll sich diese therapeutischen Aufgaben zur Folgesitzung zu merken und in der Folgesitzung am Anfang zu erfragen, wie es den Patienten damit ging. Sollten sie es nicht getan haben, könnte man die Übung in der Stunde machen, was dann für die Patienten natürlich bedeutet, dass sie Therapiezeit im Einzel verlieren, sofern sie ihren Aufgaben nicht adäquat nachgehen. Nach ein paar Wiederholungen sollten die Patienten dazu bereit sein ihr Verhalten anzupassen.

    Das lässt den Locus of Control beim Patienten. Er kommt schneller voran, wenn er sich selbst zwischen den Sitzungen mit sich selbst beschäftigt. Außerdem spricht es von Beharrlichkeit und Konsistenz, wenn man die Aufgaben trotzdem bearbeitet. Darüber hinaus kann es einer frustrierten / ablehnenden Haltung gegenüber dem Patienten vorbeugen, wenn man sich selbst instru

  • Verständlichkeit

    Eine der essentiellsten Fähigkeiten in der Therapie und Lehre ist es sich verständlich auszudrücken und anderen begreiflich zu machen, was ich Ihnen erläutern möchte. Diese Fähigkeit sollte man in Wort und Schrift besitzen. In Wort um mit seinen Patienten sinnvoll zu interagieren, in Schrift um für Kollegen verständliche und übersichtliche Berichte zu schreiben, anhand derer sie die Behandlung übernehmen können.

    Viele Menschen halten sich für dumm, wenn sie ein Buch in die Hand nehmen und nicht viel davon verstehen, was dort beschrieben steht. Häufig handelt es sich jedoch einfach nur um unverständliche Bücher. – Der Autor hat sich nicht die Mühe gemacht sein Buch so zu schreiben, dass andere es einfach nachvollziehen können. Daher lege ich viele Bücher wieder weg und kaufe sie nicht, da ich von den Autoren mittlerweile erwarte, dass sie geradeaus schreiben können. Ansonsten respektieren sie meine Zeit nicht.

    Doch was macht Texte verständlich? Es gibt ein sehr gutes Buch von Langer, Tausch und von Thun in dem man lernen kann verständlich zu schreiben. Mittlerweile gibt es auch schon Word und Browserplugins, die einen darin unterstützen verständlicher zu schreiben. Es lohnt sich diese zu benutzen, es lohnt sich jedoch noch mehr zu schauen, welche Verständlichkeitsfaktoren es gibt. Diese vier Verständlichmacher, entscheiden ob ihr einen nachvollziehbaren Text schreibt, oder nicht:

    • Einfachheit
    • Gliederung und Struktur
    • Kürze und Prägnanz
    • Anregende Zusätze

    Ich werde im folgenden erklären, was die Dinge bedeuten und wie man sie gewinnbringend einsetzt.

    Einfachheit

    Bestenfalls benutzt man sehr einfache Sprache und wenig Fremd- und Fachworte, denn so begreift der Leser am schnellsten was los ist. Sollte man wirklich Fachworte verwenden, ist es wichtig diese sofort zu erklären. Idealerweise bleibt man auch bei der Darstellungsstruktur bei einer mittleren Detailstärke, um unwichtige Informationen zu vermeiden, die die meisten Leser nicht benötigen.

    Folgender Satz hilft bei der Benutzung von einfacher Sprache: Wie würde ich es jemandem erklären, der fünf Jahre alt ist?

    Gliederung und Struktur

    Gliederung und Struktur sind ein weiterer Schlüssel für Verständlichkeit, sie umfasst vor allem auch die optische Struktur eines Textes, aber auch die Abfolge der Sätze innerhalb der Absätze:

    • Was sind die Kapitel?
      • In welcher Reihenfolge sind die Kapitel angeordnet?
      • Welche Abschnitte gibt es im Kapitel?
      • Welche Unterabschnitte sind sinnvoll?
    • Welche Überschriften und Hervorhebungen sind sinnvoll?
      • Ist es sinnvoll Italics und Fettschrift im Fließtext zu verwenden
      • Machen Randnotizen Sinn?
      • Welche Überschriften kann man verwenden
    • Wie sind die Absätze im Text gegliedert?
      • Sind die Abschnitte in der Richtigen Reihenfolge?
      • Sind die Absätze vom Allgemeinen zum Speziellen angeordnet
      • Ist die chronologische Reihenfolge berücksichtigt?
    • Was kommt innerhalb eines Abschnittes zuerst, was später?
      • Gibt es im Absatz einen roten Faden?
      • Sinnvolle Merkregel: ein Absatz ein Gedanke.
    • Wie sind die Sätze aufgebaut?
      • Sind die Sätze in einer einfachen Struktur aufgebaut? (Hauptsätze)
      • Sind die Sätze in einer sinnvollen Länge?

    Ich habe mich bemüht in diesem Teil, Struktur und Ordnung auch visuell begreiflicher zu machen. Dies hilft dem Leser dabei, Dinge zu verstehen ohne, dass sie sich zu sehr anstrengen müssen.

    In der Gesprochenen Sprache können Hervorhebungen durch Stimmmodulation, Mimik, Gestik geschehen. Die Reihenfolge der Informationen ist natürlich wie immer wichtig.

    Kürze und Prägnanz

    Kürze und Prägnanz sind einer der wichtigsten Verständlichmacher. Es ist wirklich schwer kurz und prägnant zu bleiben. Es bedeutet sich auf die wichtigsten Informationen zu fokussieren und vor allem sinnlose Füllwörter zu vermeiden.

    Die erste Grundfrage sollte daher immer sein: Was muss mein Leser wissen? Was kann ich ihm vorenthalten?

    Auch eine übermäßige Verwendung von anregenden Zusätzen kann das Verständnis erschweren und die Prägnanz verringern. Häufig blähen Beispiele, Visualisierungen und sprachliche Bilder einen Text auf, ohne einen nennenswerten Vorteil zu bringen.

    Eine gute Geschichte fokussiert sich auf das Wesentliche.

    Anregende Zusätze

    Viele Bücher haben eine Vielzahl von Illustrationen, Beispielen, visuellen Hervorhebungen und Ähnlichem. Generell sollten anregende Zusätze vorhanden sein, jedoch sparsam verwendet werden, da sie sonst die Gliederung Struktur oder Kürze und Prägnanz gefährden.

    Häufig findet man bezüglich anregender Zusätze einfach zu viel des Guten und verliert daher leider den Überblick.

    Beispiele, Visualisierungen, Sprachliche Bilder, können extra ausgezeichnet hinter einem Erklärungstext angeordnet werden. So kann der Leser entscheiden, ob der anregende Zusatz übersprungen wird oder nähere Beachtung findet.

  • Paargespräche

    Häufig gehen psychische Erkrankungen am unmittelbaren Umfeld des Patienten nicht spurlos vorüber. Viele rutschen in die Depression oder Anpassungsstörung, weil sie durch das Zusammenleben mit ihrem Partner belastet sind. Andere beginnen sich chronisch zu sorgen und verlieren dadurch an Funktionalität und Lebensfreude. Paargespräche führe ich mit jenen Paaren, bei denen ein Beteiligter bei mir in Behandlung ist, und der Partner sich durch die Störung beeinträchtigt zeigt. Voraussetzung für ein Paargespräch ist für mich meist, dass keine ernstzunehmende Trennungsandrohung im Raum steht. Kurz: Beide zeigen sich durch die Umstände belastet, wollen aber prinzipiell zusammenbleiben.

    Für ein Paargespräch veranschlage ich im Normalfall 120 Minuten. Häufig tragen diese Gespräche massiv zur Konsolidierung von angeschlagenen Partnerschaften bei und Erhöhen die Beziehungszufriedenheit und die Zuversicht in eine gemeinsame Zukunft.

    Gesprächseinstieg

    Nach ein paar Minuten Smalltalk, frage ich mit meiner Plutchnik-Scheibe die Emotionen im Raum ab. Ich bitte die Patienten und den Partner 3 Emotionen einzukreisen oder einzukästeln. Manchmal gehe ich in Vorkasse und kreise zunächst die drei Emotionen ein, die mir gerade am ehesten entsprechen um die Anwesenden zu ermutigen. Danach weiß ich, welche Emotionen im Raum herumwabern und kann mich auf die kommenden Situationen besser einstellen.

    Emotionen

    An dieser Stelle kann man wunderbar seine Vorhaben korrigieren, sofern sich beim Partner massive Belastungen zeigen und eine Eskalation im Raum steht.

    Kommunikationsübung (optional)

    Häufig wenn ich im Vorfeld mitbekomme, dass die Partnerschaft schon Konfliktbelastet ist, füge ich nach der Emotionsabfrage eine Kommunikationsübung ein. Hierzu drucke ich ein paar Bilder aus, bitte die Beteiligten sich umzudrehen und diese zu beschreiben. Der jeweils andere, bekommt die Aufgabe zu skizzieren was der andere sieht.

    In der Regel haben das Foto und das gezeichnete Bild nicht viel miteinander gemein. Man kann den Beteiligten damit vortrefflich zeigen, dass es schon bei einfachen Sachen sehr schwer sein kann, dem Gegenüber ein passendes Bild zu vermitteln. Gefühle sind häufig noch weniger konkret und daher noch schwieriger zu beschreiben.

    In der Regel führt diese Übung zu der Einsicht, dass schnell Missverständnisse entstehen können.

    Brainwriting

    Danach bekommen die Partner von mir eine Auswahl von Fragen, zu denen sie sich wortlos Notizen machen sollen. Im Anschluss daran werden diese Fragen besprochen, was häufig zu emotionalen Situationen und dem einen oder anderen Freudentränchen führen kann. Folgende Fragen benutze ich dabei häufig:

    Ressourcenorientierte Fragen

    Nennen sie die fünf schönsten Erinnerungen, die sie mit ihrem Partner teilen.

    Häufig stehem in der Gegenwart eher negative Aspekte der Beziehung im Vordergrund, diese ressourcenorientierte Frage, macht den Liebenden deutlich, dass sie sich irgendwann aus einem bestimmten Grund füreinander entschieden haben.

    Was mögen sie an ihrem Partner?

    Wertschätzung ist das Fließmittel für jede Beziehung. Auch diese Frage soll dazu dienen die positiven Aspekte des Gegenübers zu betonen. Häufig sprechen Menschen leider halt nicht aus, was sie füreinander empfinden.

    Was mögen sie an sich selbst nicht so sehr?

    Hier werden häufig Dinge genannt, die der Partner nicht an einem leiden kann. Im Alltag vergessen Paare häufig, das jeder seine Macken hat und das störende Verhalten des Gegenübers nicht vorsätzlich gezeigt wird um den anderen zu verletzen.

    Veränderungsorientierte Fragen

    In der Partnerschaft sollten wir mehr…

    Hier werden häufig Handlungen und Unternehmungen genannt, die verloren gegangen sind. Es können alltägliche Berührungen, Komplimente, gemeinsame Abende, oder schlichtweg der gemeinsame Sex hier auftauchen. So können die Teilnehmenden sich darüber austauschen, welche Bedürfnisse im Argen liegen.

    In der Partnerschaft sollten wir weniger…

    Hier werden Dinge genannt, die überhand genommen haben und die Partnerschaft torpedieren. Das kann das fehlen von us-Time beinhalten, eine Fixierung auf die Arbeit oder auf die Kinder aufzeigen.

    Was würde ich gerne in der Partnerschaft verändern? Wie?

    Hier geht es darum gemeinsame Pläne zu entwickeln, wie die Partnerschaft wieder in Schwung gebracht werden kann. Häufig hilft es schon in der Stunde einige Konkretisierungen mit dem Paar zu erarbeiten.

    Zusammenführung und Abschluss

    Bei der Besprechung der vorherigen Fragen, steigt manchmal etwas die Hitze über die Unzufriedenheit mit der Partnerschaft, daher macht es Sinn die beiden Gesprächsteilnehmer auch wieder bei der Annäherung zu unterstützen. Dazu eignen sich folgende Fragen:

    Welche Werte verbinden uns? Was haben wir gemeinsam?

    Manchmal vergessen Paare, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben und diese auch tagtäglich teilen. Daher ist es sinnvoll sie daran zu reorientieren.

    Bitte formuliere eine Liebeserklärung für deinen Gegenüber

    Diese diktiere ich nicht mit den übrigen nacheinander weg, sondern ich spare sie für den Schluss auf. Manchmal ist sogar vorher schon eine Liebeserklärung ausgesprochen worden. Für den Fall, dass es nicht so ist, bildet das einen gebührenden Abschluss.

    Therapeutische Aufgabe

    Zum Abschluss entlasse ich die Patienten mit einer therapeutischen Aufgabe. Mit dieser können sie den Auftrieb durch das Gespräch nutzen und ihre Bindung danach noch weiter festigen.

    36 Fragen zum Verlieben

    Ich bitte sie gemeinsam die 36 Fragen zum verlieben zu beantworten. Sie sollen sich abwechselnd die jeweiligen Antworten auf die Fragen mitteilen und sich am Ende der Übung fünf Minuten wortlos in die Augen schauen.

    Das Marmeladenglas

    Bei dieser Intervention sollen die Patienten 10 Dinge aufschreiben, die sie gerne mit dem Partner täten und 5 Dinge aufschreiben, die sie selbst gerne täten, bei denen der Partner jedoch eventuell nicht so viel Freude hätte. Somit landen letztendlich 30 Zettel im Marmeladenglas. 20 mit Dingen die wahrscheinlich beide schön finden, 10 die wahrscheinlich einen von beiden etwas Überwindung kosten wird. Anschließend sollen die beiden wöchentlich einen Termin ausmachen und das Marmeladenglas „abarbeiten“.

    Verführungskünstler

    Versucht ein mal innerhalb der nächsten 4 Wochen euren Partner zu verführen. Lasst euch was einfallen! Probiert verschieden Medien aus! Probiert neue Praktiken aus!

    Abschluss des Gesprächs

    Danach verabschiede ich die Patienten. Meist frage ich dann nochmals, welche Emotionen sie jetzt empfinden und bitte sie das ins Plutchik-Wheel einzutragen. Meist zeigt sich eine deutliche Besserung der Emotionen, hin von Traurigkeit und Zweifel zu Gelassenheit, Begeisterung und Klarheit.

    Emotionen
  • Überzeugen

    Robert Cialdini hat sich mit den Grundlagen des Überzeugens auseinander gesetzt. Viele der Mechanismen werden vor allem im Vertrieb und in Marketing berücksichtigt, doch auch in der Therapie geht es manchmal darum, die Patienten von sich selbst und den eigenen Anschauungen zu Überzeugungen. Dies kann Compliance, Psychoedukation, und die Beratung erheblich erleichtern, wenn man überzeugend auftritt. Die besten Inhalte werden ihren Effekt nicht erzielen können, wenn die Quelle als nicht vertrauenswürdig oder überzeugend erachtet wird.

    Leben im Autopiloten

    Das Menschliche Gehirn vermag vielerlei Wunderliche Dinge. Trotzdem wundern wir uns manchmal, das wir uns immer wieder von den selben Maschen überrumpeln lassen. Dies liegt daran, dass Handeln und Wissen zwei paar Schuhe. Häufig kommen wir nämlich gar nicht erst in einen Modus der elaborierten Entscheidungsfindung, sondern entscheiden „aus dem Bauch heraus“.

    Wenn sie einen dunklen Raum betreten, werden sie intuitiv nach dem Lichtschalter suchen. Erst wenn sie den Schalter betätigen und sie bemerken, er nicht funktioniert, werden sie darüber nachdenken, was zu tun ist. Wieso? Häufig handeln wir völlig automatisiert, bis eine unvorhergesehene Situation eintrifft, bei der automatisiertes Handeln nicht ausreichend ist.

    Das gleiche gilt für soziale Situationen auch, wir werden häufig erst erkennen, was mit uns passiert ist, wenn die Überzeugungsarbeit schon geleistet ist. Erst bei genauerem Hinschauen wird uns oftmals bewusst, dass wir automatisiert entschieden haben – gegen unsere Interessen.

    Die Prinzipien, nach denen Überzeugungen im Marketing genutzt werden, können jedoch auch in der Therapie hilfreich sein – zum Gunsten des Patienten.

    Häufig haben Patienten wenig hilfreiche Denkschemen, sie sind zwar zu natürlichem Willen fähig, nicht aber zu freien Willem. Hier kann es hilfreich sein durch Überzeugungsarbeit ein wenig die Widerstände des Patienten zu überbrücken – zum Gunsten seiner Selbstentwicklung.

    Das Prinzip der Gegenseitigkeit

    Es macht Sinn mit seinen Energien zu haushalten. Niemand investiert gerne in Menschen, ohne dass Sie die eigenen Bemühungen erwidern. Häufig sprechen Menschen über Altruismus, also der Hilfsbereitschaft ohne der Erwartung einer Gegenleistung. Viele Akte des Altruismus sind bei genauerem Hinsehen jedoch gar nicht so Selbstlos wie es scheint.

    Häufig wurde die Vampirfledermaus genannt als ein Beispiel. Die Fledermäuse haben einen sehr schnellen Stoffwechsel, weswegen sie regelmäßig auf Nahrung angewiesen sind. Häufig erbeuten sie jedoch nichts, bei ihren Ausflügen. Man beobachtete also, dass diese Fledermäuse sich gegenseitig füttern – sehr klug, denn sonst würden sie innerhalb von drei Generationen aussterben. Aber wer füttert wen?

    Wenn man sich anschaut, wer wen füttert, findet man heraus, dass sich in erster Linie verwandte und befreundete Fledermäuse füttern. Und vor allem: Es füttern sich gegenseitig Individuen, die einander füttern. Das Verhalten ist gegenseitig! Es dient der Arterhaltung und der eigenen Sicherheit, es ist also keineswegs altruistisch.

    Auch in der Zwischenmenschlichen Kommunikation werden sich langfristig nur Menschen durchsetzen können, deren Handlungen und Zuwendungen auf Gegenseitigkeit beruhen. Das bedeutet für die therapeutische Beziehung:

    • Gehe in Vorkasse, mach Komplimente
    • Bewundere deine Patienten und schreibe ihnen Kompetenz zu
    • Spiegel seine Haltung
    • Biete ihnen Essen und trinken
    • Denke über sie nach und lasse es sie wissen
    • Mache deinen Klienten Notizen und Skizzen und gib sie Ihnen mit

    Wenn du das beachtest, werden sie versuchen sich in gleichem Maße in die Therapie einzubringen.

    Das Sympathieprinzip

    Umso sympathischer uns ein Mensch ist, umso schneller wird er uns von etwas überzeugen können. Es gibt vielerlei Quellen für Sympathie, hübsche, große Menschen, die sich in der Nähe befinden und uns wenig bewerten sind häufig Sympathieträger. Doch was kann man tun um dem Gegenüber sympathisch zu sein?

    • Mache einen starken ersten Eindruck beim Gegenüber: Sei vorbereitet, kenne seinen Namen, schaffe eine herzliche Athmosphäre.
    • Zeige dich interessiert: Stelle Fragen, Sei aufmerksam, zeige Interesse am Gegenüber und versuche etwas zu finden, was dich an ihm begeistert.
    • Urteile nicht: Verurteile Menschen nicht für ihr Handeln. Sich Hilfe zu suchen erfordert viel Größe. Schenke dem Anerkennung.
    • Sei Authentisch: Spiele keine Sicherheit wo du keine hast, äußere deine Emotionen und Bedenken. Du bist ein Modell für deinen Patienten – Sei ein Vorbild in angemessener authentischer Kommunikation.
    • Achte auf deine Körpersprache: Benutze deine Hände. Halte deine Haltung offen. Verliere nicht den Kontakt zur Rückenlehne. Lächle und Lache viel.
    • Nutze den Namen des Gegenübers: Erinnere dich an Lebensdetails, Vorlieben und Ereignisse, die für den Gegenüber von Bedeutung sind.
    • Sei leidenschaftlich und habe Spaß: Habe Spaß an dem was du tust, und vor allem an der Begegnung mit den Menschen.
    • Bleib bescheiden: Dränge dich nicht in den Vordergrund. Achte auf deine Redeanteile und Redebeiträge. Nimm dich selbst auch mal auf die Schuppe und bleibe selbstironisch bei allem was du tust.

    Prinzipiell kann man vieles tun um die Sympathie bei anderen Menschen positiv zu beeinflussen. Es gibt trotzdem Dinge, die nicht unmittelbar veränderbar sind. Aussehen, Ähnlichkeit, Nähe sind Faktoren die nur bedingt veränderlich sind. Aber auch hier ist es möglich:

    • Achte auf Kleidung und Körperpflege: Kleide dich ansehnlich und schlicht, lenke nicht von dir ab. Sorge für angenehme Gerüche.
    • Nahe Kommunikation auf Distanz: Nutze kluge Kommunikationswege. Schreibe Feedbackkarten und Erinnerungs-SMS, gib deinen Patienten Zeichnungen und Mitschriften aus deiner Sitzung mit.
    • Wertschätzung bei Unähnlichkeit: Ähnliche Menschen sind uns sympathischer. Wieso eigentlich? Wir feiern selten Diversität. Wertschätze die Unterschiede, die du bemerkst (sofern du sie sympathisch findest).

    Sofern man Spaß und Freude am Austausch mit Menschen hat, wird es einem wohl möglich sein Sympathiepunkte zu sammeln. Gleichzeitig wird man dabei zu einem guten Modell für seine Patienten.

    Das Prinzip der Autorität

    Dieses Prinzip der Autorität mag ich persönlich nicht – häufig schwingt hier Referenzialismus mit. Es geht um die Frage welche Expertise jemand hat, wie vertrauenswürdig oder begabt eine Quelle oder ein Gesprächspartner ist. Was den Gegenüber betrifft stellen sich folgende Fragen:

    • Wie hoch ist der akademische Grad einer Person
    • Welchen Rang hat sie innerhalb eines Bezugssystems
    • Wie viel Einkommen oder Status hat die Person

    Helfen kann das Prinzip der Autorität trotzdem, vor allem dann wenn man seine Psychoedukation und die Therapie mit Sinnsprüchen und Zitaten anreichert, oder seine Informationen aus respektablen Quellen bezieht. Mein gerne zitierter Spruch „Talk is Cheap“ von den Toasters, erfüllt dieses Kriterium leider nur mangelhaft, hätte Beethoven dies gesagt, würden meine Patienten ehrfürchtig erzittern.

    „Tu nichts was nicht Spiel ist.“ von Marshall Rosenberg hat da sicherlich bessere Karten, da er ein Wahrzeichen der gewaltfreien Kommunikation geworden ist und sich weit über die Grenzen der Psychologie hinaus einer großen Bekanntheit erfreut.

    Das Prinzip der sozialen Bewährtheit

    Beim Prinzip der sozialen Bewährtheit kann in der Therapie häufig einen Bärendienst leisten. Menschen beurteilen Verhaltensoptionen danach, ob diese Option auch von anderen Menschen ausgewählt wird. Doch häufig kann dieser Common Sense auch dysfunktional und ein aufrecht erhaltender Faktor sein – zumindest wenn man den herkömmlichen Menschen als Referenzgruppe nimmt.

    Ich lasse meine Patienten jedoch regelmäßig wissen, welche Interventionen bei vielen meiner Patienten zu erheblichen Verbesserungen führen. Im Gruppenkontext hilft es dabei häufig, wenn geeignete Modelle gerade vorhanden sind, an denen sich andere orientieren. Folgende Interventionen haben – regelmäßig angewendet – zu massiven Veränderungen bei vielen meiner Patienten gefühlt.

    Diese Information kann Patienten helfen um sich selbst zu den Übungen zu motivieren und bei der Stange zu bleiben, bis sie endlich erste Effekte sehen.

    Das Prinzip der Knappheit

    Kurz und Knapp: Umso knapper ein Gut umso eher möchten die Menschen es haben. Leider ein altbekanntes Thema in der Psychotherapie. Auch innerhalb von Kliniken sprechen sich häufig die guten Therapeuten herum und sind entsprechend beliebt und entsprechend schwer ist es an eine gute Behandlungsoption zu kommen.

    Das Prinzip der Konsistenz

    Menschen wollen vorhersagbar und verlässlich auf andere wirken. Menschen die diese beiden Eigenschaften in sich vereinen wirken vertrauenswirksam auf uns, wir haben Lust uns auf sie einzulassen. Was können wir als Therapeuten tun?

    • Sei konsistent: Bleibe für andere vorhersagbar in deinen Werten und Handlungen, sei verlässlich und bemühe dich unablässig um eine gute Beziehung, auch im Falle von Widerständen.
    • Entwickle Routinen: Entwickle Abläufe in deiner Gesprächsführung, die immer wiederkehren. Eine Startroutine eine Endroutine. Halte bestimmte Abläufe ein.
    • Wiederhole dich: Einige Dinge sitzen nicht beim ersten mal. Wiederhole dich, wenn es notwendig wird und ergänze wichtige Details. Verständnis entsteht durch Einsicht und Übung. Beides braucht Wiederholungen.

    Allerdings wird Konsistenz im therapeutischen Geschehen auch immer wieder problematisch sein, nämlich die Konsistenz des Patienten. Dieser wird den Drang zur Konsistenz überwinden müssen um therapeutische Fortschritte zu erzielen. Auch negative Selbstbilder werden oft erhalten und verteidigt, auch wenn sie nicht hilfreich sind – aus Konsistenzbestreben. Folgende Interventionen können bei diesem Problem behilflich sein:

    Konsistenzstreben kann also sowohl die Therapie befruchten, als sie auch behindern. Gerade als Therapeut ist es wichtig, hin und wieder mit der Konsistenz zu brechen und unvorhersagbar zu bleiben. Positive Verstörung kann ein wunderbares Mittel gegen konsistentes Patientenverhalten sein.

    Prinzip der Zusammengehörigkeit

    Wir lassen uns eher von Menschen überzeugen, die mit uns zu einer Gruppe gehören. Dies ist einer der Faktoren, der Gruppentherapie so extrem stark macht. Patienten profitieren von anderen Patienten viel mehr als von Therapeuten, da diese für sie häufig die besseren Modelle sind und sich näher an der wahrgenommenen Lebenswirklichkeit des Patienten befinden.

    Indikativgruppen und Trialoge können für Patienten, Behandler und Angehörige wichtige Austauschplattformen liefern, an denen sie sinnvolle Verhaltensmodelle kennenlernen können.

    Der Austausch mit dem Patienten kann erleichtert werden, wenn er dem gleichen Geschlecht, der gleichen Kohorte oder ähnlichen Lebensumständen entspricht. Wer es Plakativer mag, kann seiner Bezugsgruppe auch einen Namen geben, vielleicht etwas dynamisches wie: “ Die Welle“. Und zuschauen wie die Überzeugungsstärke innerhalb der Gruppe massiv zunimmt ;).

  • Provokative Therapie

    Die Provokative Therapie geht auf Frank Farelly zurück. Sie bringt die Menschen mit sich selbst in Kontakt und kann unheimlich schnell Veränderungen herbeiführen. Es handelt sich um eine humorvolle wertschätzende Form der Therapie. Auch wenn sie von außen für den einen oder anderen wie eine Zumutung aufgefasst werden könnte.

    „Die psychische Zerbrechlichkeit der Klienten wird in hohem Maße überschätzt – von ihnen selbst und von anderen.

    Frank Farrelly

    Ich erlebe immer wieder, wie meine Patienten diesen Stil sehr wertschätzen, während Patienten die das erstmalig beobachten, manchmal etwas irritiert sind.

    Liebevolle Karikierung von Weltbildern

    Bei der Provokativen Therapie geht es vor allem um die Liebevolle Karikierung von Weltbildern. Was ist damit gemeint?

    • Liebevoll: Der Therapeut geht von der Eigenverantwortlichkeit und Kompetenz des Patienten aus, sich aus seiner Lage selbstständig zu befreien. Er lacht mit dem Patienten, über das aktuell hinderliche Weltbild.
    • Karikierung: Die negativen Weltbilder werden verzogen, verzerrt, übertrieben, so dass Patienten in die Lage versetzt werden über ihre Weltbilder zu lachen. Dies kann einerseits dabei helfen, dass sie sich von diesen distanzieren. Andererseits erzeugt der Humor emotionale Bedeutsamkeit und erleichtert damit Selbstintegration und Veränderungsumsetzung.
    • Weltbilder: Menschen konstruieren sich Weltbilder. Diese können sich für das Erreichen von Zielen und Lebenswünschen als nachteilig herausstellen. Häufig reflektieren wir diese Weltbilder nicht und daher hindern wir uns am Handeln. Vielleicht halten wir Dinge für hilfreich oder unkontrollierbar, die es nicht sind. Dies führt dann dazu, dass wir Handlungsweisen aufrecht erhalten, die es nicht mehr sind, oder nicht Handeln weil wir glauben, dass das Handeln nicht zielführend wäre, auch wenn es positive Ergebnisse hervorrufen könnte.

    Letztendlich geht es darum, die konstruierten Weltbilder des Patienten wertschätzend zu karikieren, so dass sie ihre eigenen Hindernisse mit höherer Leichtigkeit überwinden können.

    Wachstumsbremsen

    In der Provokativen Therapie gibt es drei fundamentale Wachstumsbremsen Faulheit, Feigheit, Fixierung:

    • Feigheit: Menschen wollen sich selbst und andere als Konsistent erleben. Daher haben viele Menschen Angst davor Veränderungen anzustreben. Man weiß nicht, was man bekommen wird. Zudem haben Menschen Verlustängste: Die Idee etwas zu verlieren was man kennt, ist schon im Vorfeld eine unangenehme Erfahrung.
    • Faulheit: Veränderungen bedeuteten die Aufwendung von Kraft. Das Verlassen bekannter Pfade ist immer mit Anstrengung verbunden. Nicht immer sind wir dazu bereit, diese Energie aufzuwenden. Aus diesem Grund arrangieren sich viele mit ihrer Situation aus Angst vor Verhaltenskosten.
    • Fixierung: Menschen bilden Überzeugungen über sich selbst und die Welt. Diese Glaubenssätze, Selbstkonzepte und vielleicht auch internalisierte Ziele, können uns von einem erfülltem Leben abhalten, wenn wir sie nicht Reflektieren, neu bewerten und Integrieren.

    Provokative Therapie begegnet diesen Wachstumsbremsen mit Humor. So beginnen sie an emotionaler Bedeutsamkeit und verlieren ihren Schrecken.

    Provokative Beziehungsgestaltung

    Die Beziehungsgestaltung in der Provokativen Therapie ist in vielerlei Hinsicht anders, als in anderen therapeutischen Settings.

    Der beste Indikator für Veränderungen beim Patienten ist die Unvorhersagbarkeit des Therapeuten.

    herapeuten.

    Milton Erickson

    Es handelt sich daher häufig um eine Art positive Verstörung, die an festen Ansichten des Patienten rüttelt, damit diese sich lösen und der Patient damit beginnt, seine Weltanschauungen neu zu arrangieren.

    1. Draht aufbauen: Der erste Schritt ist es, in die Welt des Klienten einzusteigen. Es geht darum ihn verstehen und seine Sicht der Dinge nachzuvollziehen. Als Therapeut ist es sinnvoll viel zu unterstellen und möglichst wenig Fragen zu fragen (Aktivdiagnose). Der Patient kann jederzeit widersprechen, daher können wir auch durch Aussagen die Welt des Patienten kennenlernen, der Therapeut bleibt dabei stets korrigierbar. Wenn wir eine falsche Hypothese bilden, kann der Patient aktiv gegensteuern.
    2. Brille des Patienten aufsetzen: Wie sieht der Patient die Welt? Was sieht der Patient anders, als ich? So ein Weltbild kann man auch haben? Es geht hierbei nicht darum, den Patienten zu korrigieren oder sein Weltbild zu bewerten. Therapeutisch bleibt man im Weltbild des Patienten.
    3. State the Obvious: Der Therapeut spricht das Offensichtliche aus, auch Dinge die normalerweise aus Höflichkeitsgründen verschwiegen werden wie Übergewicht, schlechter Geruch, das benutzen eines Rollstuhls, renovierungsbedürftiger Zahnstatus, oder auffällige Kleidung. Der Therapeut begibt sich in die Haltung eines Forschers mit kindlicher Neugier, der zum ersten mal der einer neuer Spezies begegnet und versucht alles mögliche über sie herauszufinden.
    4. Verzerren und Übertreiben: Werden sie zum Karikaturenzeichner das Patienten. Verzerren sie seine Eigenarten, Heben sie die Auffälligkeiten hervor. Übertreiben Sie! Sorgen sie dafür, dass der Patient anfängt, sich gegen ihre Übertreibungen zu wehren.
    5. Globalisieren: Klienten haben immer eine globale Sicht auf ihr Problem. „Das ist immer so.“, „Alle sagen, das ist ein Problem.“. Wir bringen Klienten dazu ihr Problem zu differenzieren, indem wir globalisieren. „Menschen können sich ohnehin nicht ändern, versuchen sie es gar nicht.“, „Männer sind generell nicht lernfähig.“, „Frauen können ohnehin nichts anderes als Kochen und Kinder.“ Die Patienten werden beginnen zu widersprechen und zu differenzieren.
    6. Teuflische Avokados: Wir geben teuflische Ratschläge. Wir empfehlen ausdrücklich das selbststschädigende Verhalten. Wir nehmen die dunkelste Seite des Klienten und schlagen dem Patienten andere Formen der Selbstschädigung vor. Wir geben wenig hilfreiche Tipps wie man das Problem beseitigen könnte. Wir empfehlen Bettlägerigkeit bei Depression, wir Bitten die Patienten Schilder oder Shirts zu tragen, die sagen, dass sie schüchtern sind.
    7. Begeisterung fürs Symptom: Patienten rechtfertigen sich häufig selbst und kämpfen dagegen an, dass andere sie kritisieren. Häufig bagatellisieren sie oder stellen, ihre Reaktion als nachvollziehbar undverständlich dar. Durch Begeisterung für das Symptom seitens des Therapeuten gelingt es den Patienten häufig zu sich selbst in den Widerstand zu gehen. „Es ist sehr gut, dass sie sich tagsüber ins Bett zurückziehen. Es ist doch gar kein Problem, dass sie einen Kuchen vorbereiten müssen, backen sie ihn einfach im Bett, das ist viel bequemer.“
    8. Bildhafte Sprache: Innere Bilder kann für Patienten Ankerpunkte bilden. Wenn sie beim Betreten von Situationen an diese inneren Bilder erinnert werden, können diese Situationen sich häufig in der Emotionalen Wahrnehmung verändern. Wenn eine Patientin sich in der Chefetage nicht unterordnen kann, kann das Bild helfen, dass Sie sich morgens sehr gut mit Vaseline eincremen muss, damit sie sich mit den Armen voran, besser in den Anus des Vorgesetzten zwängen kann. Es wird komisch riechen – aber man gewöhnt sich dran.
    9. Absurde Strategien: Als Therapeut gibt man bereitwillig schwachsinnige Lösungen. Sie werden am Arbeitsplatzt diskriminiert? Malen sie sich einen Dreitagebart, oder reden sie wie ein alter weißer Mann! Sie schaffen es nicht mehr, das eigene Körpergewicht zu tragen? Besorgen sie sich einen Jetpack und fliegen sie einfach.
    10. Hypnotische Kommunikation: Patienten geraten in Sitzungen in Trance. Durch Humor entsteht eine entspannter, angenehmer Zustand, der mit erhöhter Aufmerksamkeit einhergeht.

    Hier wird deutlich, dass sich eine provokative Therapiesituation deutlich von herkömmlichen Therapiesituationen unterscheidet.

    Kontraindikationen

    Nicht immer sind bestimmte Vorgehensweisen indiziert. Provokative Therapie sollte man unter folgenden Bedingungen eher nicht anwenden:

    • Asympathie: Wenn der Patient euch unsympathisch ist, solltet ihr auf gar keinen Fall provokative Therapie anwenden. Hier passiert es zu leicht, dass aus humoristischer Karikierung, zynischer Spott wird. Dies wird dem Patienten nicht dabei helfen seine Weltanschauung zu Überwinden.
    • Fehlende Selbstschädigung: Wenn beim Klienten keine Selbstschädigung vorliegt, sondern er von außen geschädigt wurde. Ist ein Patient in Trauer, weil er jemanden Verloren hat, oder eingeschränkt durch massive Traumata, ist provokative Therapie nicht hilfreich. Sie hilft nur dann, wenn der Patient sich durch sein Verhalten selbst schädigt, und genau diesen Fakt integrieren sollte. Die Frage ist: Wo stellt sich jemand ein Bein.
    • Patient und Therapeut teilen das Problem: Hast du als Therapeut das gleiche Problem wie der Patient, wird dir eine provokative Intervention nicht gelingen. Du solltest dem Patienten mindestens eine Woche voraus sein.
    • Fehlendes Problemverständnis: Fehlt dir als Therapeut das Verständnis für die Probleme des Patienten und du kennst sein Störungsbild nicht gut, handle nicht provokativ. Provokation setzt ein gutes Verständnis des Patienten und der Störung voraus. Kennst du dich nicht aus, verkommt die Provokation zur peinlichen Masche.

    In Zweifelsfalle ist es sinnvoll, zunächst herzlich und wertschätzend eine therapeutische Beziehung aufzubauen, und mit den Provokationen erst bei besserem Verständnis des Patienten zu beginnen.

    Bezugnahme zu ACT

    Ich denke, dass provokative Therapie perfekt in die Grundlegenden Überlegungen von ACT integriert werden kann. Es beginnt bei den Grundlegenden Überlegungen darüber wie Störungen entstehen und endet in der Anwendung und Evozierung actischer Flexibilitätsfaktoren.

    Grundüberlegungen

    Die Bezugsrahmentheorie besagt, das Menschen durch Assoziationen verschiedenste Informationen miteinander in Beziehung setzen, die mitunter in der Form vielleicht nicht in Bezug stehen sollten. – Sie bilden ein Weltbild.

    Die provokative Therapie setzt sich zum Ziel dieses Weltbild zu verändern, sofern es Menschen daran hindern sollte ihre Lebensziele zu verwirklichen, durch eine wertschätzende liebevolle Grundhaltung.

    Humor als Flexibilator

    Es gibt im ACT sechs Faktoren der Flexibilität, die durchaus mit der provokativen Therapie interagieren:

    • Achtsamkeit: Das humoristische Vorgehen und der positive Affekt, sowie die verstörende Form der Kommunikation, sorgt dafür, dass die Klienten sich viel mehr im Hier und Jetzt befinden. Sie jammern weniger und spulen weniger Phrasen ab.
    • Akzeptanz: Die Fähigkeit über sich selbst und sein eigenes Verhalten zu lachen, kann uns dabei helfen negative Selbstinhalte zu integrieren und zu akzeptieren.
    • Defusion: Viele Defusionstechniken zielen darauf ab, Abstand zu Gedanken zu entwickeln, die wir als wenig hilfreich erleben. Dabei werden Gedanken und Sorgen verzerrt und entstellt. Provokative Therapie tut dies fortwährend.
    • Selbstbeobachtung: Durch die übermäßige Validierung von Selbstkonzepteinträgen des Patienten, geht dieser zu seinem eigenen Selbstkonzept in Widerstand und beginnt dieses zu reflektieren. In diesem Zuge kann auch die Selbstbeobachtung geschult und verstärkt werden. Wie geht es mir jetzt? Was fühle ich im Moment?
    • Werte: Durch provokative Arbeit können Fixierungen aufgelöst werden, nach innen wie nach außen. Manchmal Fixieren Menschen sich auf die „falschen“ Werte / Ziele.
    • Handeln: Um andere Handlungsweisen zu Implementieren, ist es notwendig den Autopiloten zu verlassen, aus dem wir normalerweise heraus handeln. Durch provokative Therapie können Anker in Form von inneren Bildern etabliert werden, die die emotionale Wahrnehmung einer Situation verändern und damit den Eintritt ins Handeln erleichtern, da wir die Situation nicht mehr so wahrnehmen können, wie wir sie vorher wahrgenommen haben.

    Provokative Therapie und ACT lassen sich daher wundervoll miteinander ergänzen.

  • Rückfall

    Rückfälle gehören zum Geschäft, hört man viele Therapeuten als auch Patienten sagen. Häufig ist bei der Bewegung in die Abstinenz Verlangen ein ewiger Begleiter und die meisten Patienten sind irgendwann im Laufe ihrer Abstinenz mit einem Rückfall konfrontiert. Doch wie entstehen Rückfälle, wie erklärt man sie sich und wie kann man mit ihnen arbeiten?

    Rückfallkette nach Marlatt

    Marlatt hat ein Modell entwickelt, mit dem er die Entstehung von Rückfällen zu erklären versucht. Es gibt verschiedene Variationen davon. Ich nehme bewusst eine überschaubare Variante.

    • 1. Unausgewogene Lebenssituation: Im Leben gibt es verschiedene Dinge die nicht optimal Laufen. Der (Ex-)Abhängige wird dies wahrscheinlich ignorieren und versucht weiterhin zu funktionieren. Vielleicht geht er Konflikten oder Lösungen aus dem Weg. Wahrscheinlich wird er gehäuft im Moment negative Emotionen verspüren, die er wahrscheinlich runterschluckt.
    • 2. Scheinbar harmlose Entscheidungen: Häufig beginnt der Rückfall mit scheinbar harmlosen Entscheidungen. Bei gesunden Menschen würde niemand länger darüber nachdenken, ob man an einer Geburtstagsparty teilnimmt, oder einen Freund besucht, der vielleicht ein Suchtproblem hat. Manchmal sind ganz banale Dinge wie einkaufen gehen, oder Freunde treffen, der erste Schritt in den Rückfall, sofern eine unausgewogene Lebenssituation dazu kommt.
    • 3. Erlaubnisgebende Gedanken: Sofern der Betroffene merkt, dass er erlaubnisgebende Gedanken formuliert, steht er kurz vor dem Rückfall. Diese können sehr unterschiedlich aussehen, wie zum Beispiel: „Ich habe schon so lange nicht mehr konsumiert, das hätte nicht geklappt, wenn ich das nicht im Griff habe.“, „Alle anderen können das ja auch, wieso sollte ich das nicht dürfen.“, „Es gibt ohnehin nichts, wofür ich die Abstinenz aufrecht erhalten sollte.“ Wenn man erlaubnisgebende Gedanken bemerkt, sollte man sofort den Notfallplan einleiten und sich aus der Versuchungssituation entfernen.
    • 4. Rückfall (Ausrutscher/Lapse): Der Betroffene konsumiert, da er dem Suchtdruck nicht widerstehen könnte und konsumiert / übt das Verhalten aus.
    • 5. Rückfallschock: Häufig ruft der Rückfall Wut, Resignation und Selbstzweifel hervor. Der Konsum wird darum häufig aufrechterhalten oder neu eingeleitet.
    • 6. Rückfall ins alte Muster (Relapse): Bei dem Relapse fällt der Betroffene ins alte Konsummuster zurück. Nach längerer Abstinenz schaffen es Abhängige häufig noch ein paar Tage reduziert zu konsumieren, bevor sie wieder in die alten Konsummengen und Konsummuster verfallen.

    Notfallplan

    Wenn man bemerkt, dass sich erlaubnisgebende Gedanken einschleichen, die zum Konsum aufrufen ist es Zeit den Notfallplan abzurufen. Jeder Patient erarbeitet seinen Notfallplan individuell, weil er selbst am besten weiß, was bei Suchtdruck helfen kann. Häufige Bestandteile sind folgende:

    • Risikosituation verlassen
    • Viel Wasser trinken
    • Mit Freunden / Abstinenzhelfern / Familienmitgliedern telefonieren
    • Abstinenzorte aufsuchen
    • Sich Ablenken
    • Diverse Skills in Kombination mit einer Skillkette

    Die wichtigsten Punkte sollte der Klient regelmäßig üben, in diversen Situationen.

    Rückfallplan

    Bei einem Rückfallplan geht es eher um die Frage wie man mit einem tatsächlichen Rückfall umgeht. Sofern man früh genug reagiert, kann man verhindern, dass ein Lapse zu einem Relapse wird. Umso länger der Klient im Konsum verbleibt umso wahrscheinlicher wird der Relapse, also der Rückfall ins alte Konsummuster. Daher sollte nach einem Rückfall schnell gehandelt werden. Ein Rückfallplan hat häufig folgende Komponenten:

    • Im Vorfeld: Ernennen eines Rückfallhelfers – idealerweise keine zu nahen Angehörigen
    • Kontaktierung des Rückfallhelfers im Falle eines Rückfalls
    • Aufsuchen einer Entzugseinrichtung oder Suchtberatungsstelle
    • Aufsuchen von Orten die mit Abstinenz assoziiert sind.
    • Regelmäßiges Aufsuchen von Selbsthilfegruppen nach wiedererlangter Abstinenz

    Abstinenzsicherung

    Die Sicherung der Abstinenz erfordert häufig massive Veränderungen im Leben eines Klienten. Hierbei sind häufig erforderlich:

    • Erarbeiten einer sinnvollen Tages- und Wochenstruktur
    • Sofern notwendig: Berufliche Wiedereingliederung
    • Veränderung der Bezugspersonen und Freunde
    • Zuwendung zu neuen Tätigkeiten
    • Erarbeitung von Beruhigungs- und Stimulationsstrategien
    • Regelmäßiger Besuch von Selbsthilfegruppen
    • Inanspruchnahme einer Entwöhnungsbehandlung und einer stationären oder ambulanten Nachsorge
    • Niedrige Anspruchsniveausetzung: „Heute bleibe ich konsumfrei“
    • Erlernen neuer Copingstrategien und Verbesserung des Umgangs mit Emotionen und Bedürfnissen
    • Das setzen von abstinenzfördernden Lebenszielen
    • Aufbau eines Unterstützernetzwerkes
    • Notfallplan, Rückfallplan und beherzte Helfer
    • Entwicklung von Authentizität im Kontrast zum vorherigen Verschleierungsverhalten

    Es gibt also viele Dinge, die sich erschwerend zeigen können. Daher ist es immer eine gute Idee das Suchthilfesystem in Anspruch zu nehmen.

  • Wochenplan/ Reflexionsplan

    Immer wieder habe ich Patienten die relativ schnell gute Erfolge erzielen und andere Patienten, bei denen es etwas länger dauert. Die Patienten bei denen sich schnell Verbesserungen einstellen haben gewisse Gemeinsamkeiten.

    1. Sie planen ihre Woche
    2. Sie benutzen aktiv Entspannungsverfahren
    3. Sie beginnen in Richtung ihrer Werte zu Handeln
    4. Sie sind dankbar für gutes und erkennen eigene Erfolge
    5. Sie Benutzen Defusions- und Achtsamkeitsübungen
    6. Sie machen Sport
    7. Sie begeben sich in zwischenmenschlichen Kontakt
    8. Sie benutzen Gewaltfreie Selbstreflexion um ihre Bedürfnisse und Emotionen zu erkennen

    Ich habe daher einen Wochen- und Reflexionsplan angefertigt auf dem alles recht übersichtlich alles zusammentragen kann, was die einzelnen Tage betrifft.

    In der Therapie ist es sinnvoll zu schauen, wie sich Anspannung, Stimmung und Grübelneigung verändern in Abhängigkeit von der Tages- und Aktivitätenplanung. Häufig werden Erfolge unsichtbar, wenn man sie nicht niederschreibt. Viele Patienten setzen sich leider unter Druck und wollen schnelle Erfolge erzielen und übersehen, was sie bisher geleistet haben.

    Therapie ist darüber hinaus ein aktiver Prozess, der sich in der Zeit zwischen Den Sitzungen entfaltet. Der Wochen- und Reflexionsplan kann dabei helfen zu erkennen, ob man seine Verhalten und seine Haltung aktiv ändert, oder man am Bahngleis auf den Bus der himmlischen Spontanheilung wartet.

    Wochenplan

    Nehmt euch bitte einmal in der Woche (z.B. Sonntagabend) ein wenig Zeit und plant eure Woche vor. Achtet darauf, dass ihr Sport, Kontakt und Selbstfürsorge dabei nicht vergesst. Markiert im Nachhinein ob ihr das Vorhaben umgesetzt habt, ob es euch in Richtung eurer Werte bewegt hat, ob ihr in dem Zeitraum Selbstfürsorge umgesetzt habt und ob es hilfreich oder nicht hilfreich war, das zu tun, was ihr getan habt.

    Reflexionsplan

    Mit dem Reflexionsplan könnt ihr schauen, in welchem Umfang ihr Selbstfürsorgliches Verhalten in euer Leben einflechtet. Die fortwährende Auseinandersetzung mit euren Emotionen und Bedürfnissen kann euch zudem dabei helfen, dass ihr in Zukunft besser versteht warum es euch wie geht (Mentalisierungsfähigkeit).

    Befindlichkeit

    Nehmt euch jeden Abend etwas Zeit um den vergangenen Tag zu reflektieren. Schaut zunächst mal, wie eure Stimmung, Anspannung und Grübelneigung war.

    Selbstfürsorge

    Achtet darauf, dass ihr ein ausgeglichenes Leben habt. Im Idealfall solltet ihr jeden Tag zwischenmenschlichen Kontakt haben, und euch etwas bewegen. Bei den meisten Störungen ist es sinnvoll regelmäßig aktiv zu entspannen mit autogenem Training oder progressiver Muskelrelaxation. Gegen Grübeln und negative Gedanken kann es hilfreich sein Achtsamkeits- oder Defusionsübungen durchzuführen.

    Leider wird die Selbstfürsorge niemand für euch übernehmen. Es ist daher wichtig, dass ihr erkennt, ob ihr euch genügend um euch kümmert. Indem ihr euch mit der Frage beschäftigt, wofür ihr dankbar sein konntet, und wo ihr Erfolge gefeiert habt, könnt ihr eine Quelle für gute Laune und Zuversicht erschließen.

    Bedürfnisreflexion

    Mit der gewaltfreien Selbstreflexion könnt ihr Lernen eure Bedürfnisse und Emotionen besser vorherzusagen. Darüber hinaus könnt ihr euch darauf festlegen, wie ihr schwierige Situationen in Zukunft besser bewältigen könnt.

    Diese zwei Blätter mit dem Willen zur Umsetzung können euch daher dabei helfen, euer Leben auf den Kopf zu stellen – im positiven Sinne. Also einfach mal ausdrucken und durchstarten. Wenn ihre Fragen habt zu einzelnen Skalen oder Übungen, fragt mich im Einzel ;).

    Also dann, ran an den Plan und viel Spaß mit dem heißen Teil.

  • Sucht

    Abhängigkeit, auch Sucht, bezeichnet das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Man wünscht sich also einen Zustand herbei, den man durch den Konsum einer Substanz oder das vollführen einer Tätigkeit erreicht. Es werden daher auch stoffgebundene und stoffungebundene Süchte unterschieden.

    Stoffgebundene Süchte

    In der ICD-10 werden folgende Stoffklassen (in fett) mit folgenden Suchtmittelnd (nicht erschöpfend) unterschieden:

    • Alkohol
    • Opioide (Fentanyl, Oxycodon, Heroin, Codein, Buprenorphin, Methadon, Tramadol, Naloxon, Piritramid, Tillidin, Moprhin…)
    • Cannabinoide
    • Sedative und Hypnotika
      • Benzodiazipine: (Bromazepam, Flunitrazepam, Flurazepam, Lorazepam, Nitrazepam, Oxazepam und Tetrazepam)
      • Nonbenzodiazipine: Zopiclon, Zaleplon, Zolpidem
      • Barbiturate
    • Kokain
    • Stimulanzien (Amphetamin, MDMA, Methylphenidat, Koffeein, Modafinil)
    • Halluzinogene
      • Psychedelika: LSD, Psilocybin, DMT, Mescalin, LSA, Phenethylamine, Tryptamine
      • Dissoziativa: Ketamin, PCP, Lachgas
      • Delirantia: Scopalmin (Engelstrompete, Stechapfel), Muscimol (Fliegenpilz, Pantherpilz)
    • Tabak
    • Lösungsmittel
    • Multipler Substanzgebrauch

    Der beste Überblick über die bekannten Substanzen. Abgesehen von neueren „Legal Highs“ sollte hier alles wesentliche stehen um sich umfassend zu informieren.

    Generell rate ich von der Benutzung „legaler“ Designerdrogen ab, da häufig ein Dosierungsproblem herrscht, das tatsächlich schnelle Toleranzentwicklung fördert und häufig schnell in die Sucht führt. Zudem kommt es leider häufig zu Überdosierungen mit entsprechend drastischen Folgen. Generell gilt: Informiert euch bitte vorher, bevor ihr was nehmt. Es gibt drugchecking – nutzt es!

    Safer-Use-Hinweise

    Generell gibt es Hinweise, die beim Konsum hilfreich sind, beachtet immer folgende Hinweise und konsumiert, wenn ihr konsumiert bewusst.

    • Beachtet Set und Setting
      • Wenn es euch schlecht geht, konsumiert nicht
      • Wenn ihr euch nicht sicher fühlt/ unsicher seid konsumiert nicht
    • Informiert euch im Vorfeld über den Stoff, schaut ob ihr ihn prüfen lassen könnt.
    • Don’t Mix: Mischt nicht wild verschiedene Stoffgruppen. Einige Wirkungen heben sich gegenseitig auf oder verstärken sich. Beginnt bitte nicht eure Zustände ausschließlich über Mittel verändern zu wollen.
    • Konsumiert selten.
    • Vermeidet bestenfalls Opiate und Legal Highs.

    Stoffungebundene Süchte

    Die stoffungebundenen Süchte umfassen zum Beispiel folgende Verhaltensweisen:

    • Medien- und Pornographiekonsum
    • Arbeit
    • Sex
    • Kauf
    • Gaming
    • Glücksspiel

    Die stoffungebundenen Süchte sind im Moment nicht vollständig in den Klassifikationssystemen implementiert, sie werden unter  F 63.9 – Abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle zusammengefasst.

    Suchtkriterien

    Zur Feststellung ob eine Sucht vorliegt, eignen sich jedoch immer die allgemeinen Suchtkriterien.

    • Starkes Verlangen: Das Suchtmittel oder die Tätigkeit ist immer Präsent. Ständig sind bestimmte Gedanken zur Tätigkeit oder dem Suchtmittel präsent. Es gibt einen ausgesprochen großen Willen, Wunsch, oder Zwang dem Konsum/ der Tätigkeit nachzugehen
    • Kontrollverlust: Betroffene verlieren die Kontrolle über den Konsum / das Ausüben einer Tätigkeit. Sie können Konsumbeginn und Konsumbeendigung nicht mehr kontrollieren.
    • Abstinenzunfähigkeit: Auf das Suchtverhalten oder das Suchtmittel kann nicht mehr verzichtet werden, auch dann nicht, wenn dadurch schmerzhafte Konsequenzen hervorgerufen werden (Abwendung von Freunden, Verlust der Partnerschaft, Körperliche / Psychische Beschwerden, Verlust von Arbeitsplatz, finanzielle Probleme…).
    • Toleranzbildung: Das Verhalten oder die Dosis der Substanz muss erhöht werden um den gleichen Effekt zu erzielen. Man braucht mehr Verhalten / Konsum um die erwünschte Wirkung zu erzielen.
    • Entzugserscheinungen: Sofern das Verhalten oder der Konsum nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, treten Symptome auf wie Schwitzen, Zittern, Übelkeit, Schmerzen, Schlafstörungen oder Halluzinationen. Im Bereich der Verhaltenssüchte eher Aggressionen, Nervosität, Niedergeschlagenheit, Ängste und Panikzustände oder innere Getriebenheit.
    • Rückzug / Verlust von Interessen: Die Betroffenen ziehen sich aus sozialen Interaktionen und ihren Interessensfeldern zurück um ihrem Konsum oder der Verhaltenssucht nachzugehen. Nicht suchtbezogene Tätigkeiten verlieren an Bedeutung.

    Suchtentstehung

    Eine Substanz zu Konsumieren oder ein Verhalten auszuführen hat nicht unmittelbar sofort Suchtcharakter. Wie Entstehen Süchte? Und wieso sind sie so schwer unter Kontrolle zu bringen?

    Funktionaler Konsum – Mittel zum Zweck

    Meistens wird das Verhalten / der Konsum ausgeführt um einen bestimmtem Effekt zu erzielen. Meist geht es dabei um die Selbststimulation oder die Selbstberuhigung, oder schlichtweg um das Vermeiden von Entzugserscheinungen.

    Selbststimulation

    Die meisten Menschen konsumieren zum Beispiel Alkohol um in eine ausgelassenere Stimmung zu kommen. Sie wünschen sich ein wohliges Gefühl, Bewegung, Tanz und Ausgelassenheit. Emotionen werden als intensiver erlebt, hemmende Gedanken werden reduziert, das Verhalten wird energetisiert.

    Selbstberuhigung

    Alkohol wirkt zwar zunächst anregend, hat jedoch bei höheren Konsum eine eher sedierende, also beruhigende Wirkung. Viele Menschen trinken um besser einzuschlafen oder versuchen auf diese Art ihren Stress zu bekämpfen.

    Selbstoptimierung

    Viele Menschen konsumieren um eigenen Schwächen zu kompensieren, viele ADHSler kiffen um die innere Unruhe zu bekämpfen, Menschen die viel arbeiten greifen häufig zu Stimulanzien um gegen Erschöpfungszustände anzugehen. Viele versuchen einfach nur „besser klarzukommen“ mit dem Leben.

    Gewohnheitsbildung und Toleranzbildung

    Im ersten Schritt lernen die Menschen also, dass ein Verhalten oder der Konsum einer Substanz einen erwünschten Effekt hat. Danach folgen Gewohnheitsbildung und Toleranzbildung.

    Gewohnheitsbildung

    Das Verhalten / der Konsum wird immer mehr in den Alltag integriert. Negativ erlebte Zustände beginnen Craving hervorzurufen. Problemen und Missständen wird immer häufiger mit Konsum begegnet. Hinweisreize erleichtern zunehmend das Anbahnen von Konsum oder Problemverhalten.

    Toleranzbildung

    Toleranzbildung bedeutet, dass immer mehr benötigt wird um den ursprünglichen Effekt zu erzielen. Das Verhalten oder der Konsum muss intensiviert werden. Das bedeutet gleichsam, dass mehr Kraft und Zeit aufgewendet werden muss um den gleichen Zielzustand zu erreichen.

    Suchtgedächtnis

    Das Konsum- und Verhaltensmuster wird in die neuronalen Kreisläufe integriert und in Lern- und Erfahrungsstrukturen integriert. Es wird Teil des Selbstbildes und eigene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenheiten werden zumindest teilweise auf den Suchtinhalt attribuiert. Situationen, Umgebungen und Gedanken weisen immer häufiger auf suchtspezifische Inhalte hin.

    Entzugssyndrom

    Bei Abstinenz vom Suchtinhalt kommt es dann zu körperlichen oder psychischen Enzugssymptomen. Das können sein: Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Hitze- und Kälteschauer, Krämpfe, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, innere Unruhe, Gereiztheit. Diese Symptome können mehrere Wochen anhalten.

    Suchtbehandlung

    Die beste Behandlung von Sucht findet präventiv statt – Es kommt also gar nicht erst zur Entwicklung einer Sucht. Sollte man sich jedoch im Missbrauch oder in der Sucht befinden, ist es zunächst sinnvoll den Hausarzt oder eine Suchtberatungsstelle in der Nähe aufzusuchen. Die Behandlungsoptionen umfassen in der Regel folgende Optionen:

    • ambulante Suchtrehabilitation: Findet durch Suchtberatungsstellen und Rehakliniken statt.
    • Entgiftungstherapie: Findet in der Regel stationär Psychiatrisch statt
    • Entwöhnungsbehandlung: Ist eine stationäre Behandlung die für gewöhnlich 3 – 6 Monate dauert und in einer Rehaklinik durchgeführt wird.
    • Nachsorgebehandlungen: können nach der Entwöhnungsbehandlung in Anspruch genommen werden

    Sucht und Psychotherapie

    Bisher ist die Suchtmittelabstinenz in der Regel Voraussetzung für eine Psychotherapie. Daher werden Abhängigkeitserkrankte mit Komorbiditäten aktuell in der Regel gebeten einer Entwöhnungsbehandlung nachzugehen.

    Seit 2011 kann Psychotherapeutische Behandlung auch erfolgen, wenn der Patient sich proaktiv um Suchtabstinenz bemüht.

    Einige Substanzklassen, allen voran Sedativa sabotieren eine gewinnbringende Therapie, da sie die Emotionsverarbeitung massiv verändern.

  • Depression

    Depression im Allgemeinen gilt als Erschöpfungsstörung. Das Bedeutet, dass aufgrund einer akuten oder chronischen Überlastung die Symptomatik entsteht, die sich unter anderem in folgenden Symptomen äußert:

    Wie wir sehen, sind mit Interessensverlust, Freudlosigkeit und Antriebsmangel und erhöhter Ermüdbarkeit zwei der drei Hauptsymptome mit motivationalen Begriffen verwoben. Sehen wir Stimmung als antizipierte(n) Valenz / Wert des Handelns stehen alle Begriffe der Hauptsymptomatik mit motivationalen Begriffen in Zusammenhang.

    Es gibt viel Forschung ,um Thema Depression. Die Erklärungsmodelle für die Entstehung von Depression sind jedoch häufig sperrig und wenig greifbar. Daher habe ich mein eigenes Modell entwickelt, dass ich in der Therapie verwende. Es bezieht sich auf Theorien aus der Motivationspsychologie. Der Yerkes-Dodson-Regel und dem Flowbegriff.

    Depression und Motivation

    Die Yerkes-Dodson-Regel besagt, dass die Effektivität einer Aufgabenbearbeitung mit der Höhe der Anspannung / Aktivierung in umgekehrt u-förmigem Zusammenhang steht. Kurz: bei niedriger und hoher Anspannung und Aktivierung werden wir unproduktiv, bei mittlerem Anspannungs- und Erregungsniveau sind wir am effektivstem.

    Ein zweiter Begriff aus der Motivationsforschung, ist der des Flows. Flowerleben entsteht dann, wenn wir uns in den Anforderungen an uns selbst weder über- noch unterfordern. Wobei Überforderung mit Angst, und Anspannung, sowie Hilflosigkeitserleben assoziiert ist. Unterforderung ist mit Langeweile und Antriebsarmut assoziiert. Na, klingelt was?

    Doch wie kommen nun zur Depression? Depression ist eine Erschöpfungsstörung. Im Wesentlichen kann man daher schauen, wie sich Stress und Wohlbefinden zueinander verhalten.

    Überforderung

    Unstrittig ist für die meisten, dass Überforderung in die Depression führen kann. Sind Belastungen außergewöhnlich hoch, oder halten ungewöhnlich lange an, können sie sich somatisch und psychisch bemerkbar machen.

    Stress per se ist weder positiv noch negativ. Stress als solches kann energetisierend sein und uns dabei helfen Ziele zu realisieren und unser Verhalten zu bahnen. Stellen sie sich einfach mal vor, dass sie ihre eigene Hochzeit vorbereiten:

    Sie haben die Karten vorbereitet und in den Druck gegeben. Sie müssen sich noch um das Essen kümmern, die Location schmücken und vor allem noch die Sitzordnung vorbereiten. Sie wissen, dass Tante Getrud weit entfernt von Onkel Gustav geparkt werden sollte, weil es sonst zu unschönen Auseinandersetzungen kommen könnte. Insgesamt bekommen sie in den letzten Tagen wenig Schlaf und verbringen viel Zeit am Telefon.

    Einige Vorbereitungen verzögern sich und lassen sich nicht so realisieren, wie sie es wünschen. Die Deko die sie unbedingt haben wollten, lässt sich nicht realisieren. Und ihr Freunde verunsichern sie hin und wieder mit Rückfragen über den Planungsstand. Ihre Mutter ist aufgeregt und bringt sie zusätzlich durcheinander…

    Und trotzdem werden sie diesen Stress mit einer hohen Wahrscheinlichkeit anders bewerten, als wenn ihr Chef ihnen mit einer Projektdeadline im Nacken sitzt.

    Stress kann uns energetisieren und auf Ziele ausrichten. Er kann uns motivieren und leiten. Er kann positiv wahrgenommen werden und wirklich wichtig sein, für ein erfülltes leben. Zeigt sich die Belastung jedoch als Überforderung, die als Bedrohung erlebt wird und hält lange an oder ist immens in der Intensität, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die Leute sich erschöpfen.

    Unterforderung

    Die meisten Menschen denken, dass die Abwesenheit von Stress uns zufrieden und glücklich macht. Doch stellen Sie sich selbst in einem Beruf vor, in dem sie sich die ganze Zeit langweilen. Stellen sie sich vor:

    Sie gehen morgens auf Arbeit. Auf ihrem Tisch liegt eine Akte. Sie liegt dort seit zwei Wochen, sie müssen sie in vier Wochen erledigt haben. Viel zu tun ist das nicht. Sie frühstücken erst einmal in Ruhe. Danach lesen Sie das Tagesblatt ihres Vertrauens. Anschließend gehen zu ihrem Kollegen Horst herüber, er schwärmt davon wie toll seine Radieschen herangewachsen sind, sie trinken gemeinsam Kaffee… danach versuchen sie LED-Außenlaternen nach Preis-Leuchtstärkeverhältnis zu sortieren, damit sie ihren Vorgarten verschönern können.

    Danach können sie zu Tisch gehen. Im Anschluss entscheiden sie, dass sie ihre Bleistifte mal wieder anspitzen könnten. Das haben sie schon gestern getan, aber es soll ja alles seine Ordnung haben, falls es mal gebraucht wird…

    Langeweile und Unterforderung können krank machen und zu Erschöpfung führen. Wir sprechen dann von Boreout. Das Unterdrücken von Handlungstendenzen und Emotionen über langen Zeitraum, kann zu Entfremdung und Überlastung führen. Im Wesentlichen fehlen in diesem Fall der Stimulation und Authentizität. Ichanteile werden zu Gunsten des Funktionsmodus abgeschaltet und diese unterschwellige Bedürfnisunterdrückung kostet Kraft.

    Depressionsmodell

    Dies ist mein persönliches Depressionsmodell, es dient der Veranschaulichung, der oben genannten zusammenhänge. Mir ist nicht bekannt, dass es in der Form bereits existiert, es veranschaulicht jedoch sehr gut wesentliche Zusammenhänge.

    Depression kann demnach aus der Überforderung, als auch der Unterforderung entstehen. Die korrekte Dosis von Stress kann zu Flowerleben führen, also einem angenehmen Gefühl vom Aufgehen in einer Tätigkeit. Demzufolge ist häufig eine Anpassung der Belastung erforderlich.

    Aktivierung

    Sollte man sich in der Unterforderung befinden, so ist es wichtig, dass man sich selbst wieder zu Tätigkeiten animiert. Diese sollten idealerweise als angenehm und bewältigbar wahrgenommen werden. In der Depression können jedoch vorher als angenehm erfahrene Tätigkeiten erst einmal belastend empfunden werden.

    Auch wenn man sich vorher in der Überlastung befunden hat, kann es sein, dass man durch die Erschöpfung ins Nichtstun geglitten ist. Auch dann ist es wichtig sich wieder zu motivieren. Hier zeigt sich häufig die Schwierigkeit, dass gerade perfektionistische Menschen wieder schnell in die Überforderung gehen. Hier ist eine sukzessive vorsichtige Anpassung der Belastung notwendig.

    Selbstberuhigung

    Befindet man sich in der Überforderung, ist es wichtig, seine Belastungen zunächst zu reduzieren. Selbstfürsorgliches Verhalten sollte etabliert werden. Es sollte auf regelmäßige Selfchecks und Entspannungsphasen geachtet werden. Therapeutisch ist hier häufig wichtig zu prüfen, welche Rollen- oder Bedürfniskonflikte vorliegen.

    Häufig treten akute Belastungsreaktionen auf, weil wir bestimmte Rollen- oder Bedürfnisse nicht unter einen Hut bekommen. Hier kann die gewaltfreie Selbstklärung helfen, sich den eigenen Bedürfnissen anzunähern.

  • Akzeptanz – der Weg in die Realität

    Menschen verbringen viel Zeit, Kraft und Aufwand damit der Realität zu entgehen und sich selbst etwas vorzumachen. Häufig erscheint es angenehmer sich selbst zu belügen, oder gegen die eigenen Emotionen anzukämpfen, statt sich ihnen zu stellen. Menschen wollen keine negativen Emotionen haben, Menschen wollen nicht denken, dass sie an bestimmten Situationen nichts ändern können. Die Idee, dass wir etwas nicht beeinflussen können oder sollten erscheint uns häufig fremd oder unerwünscht – ungewollt eben. Akzeptanz bedeutet, die Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann.

    Akzeptanz bedeutet, dass Seiende hinzunehmen, ohne es ändern zu wollen. Es bedeutet nicht gegen Dinge anzukämpfen, gegen die wir ohnehin nichts tun können. Es gibt jedoch einige Dinge bei denen es uns schwer fällt sie zu akzeptieren. Schauen wir uns das genauer an.

    Emotionale Akzeptanz

    Emotionen haben einen schlechten Ruf – zumindest negative. Es geht doch darum fröhlich, glücklich, gut gelaunt zu sein. Niemand will Angst haben, ärgerlich sein, Trauer empfinden oder sich in Hilflosigkeit oder Verzweiflung wissen. Und deswegen tun Menschen häufig einiges um diese Emotionen nicht empfinden zu müssen.

    Ob sie sich nun mit Games ablenken, Alkohol trinken, den besten Freunden telefonieren, feiern gehen oder sich einfach zurückziehen um negative Emotionen nicht empfinden zu müssen, das Resultat ist immer das gleiche: Erlebnisvermeidung als Schutz davor sich mit seinen negativen Emotionen auseinandersetzen zu müssen.

    Das Bedeutet jedoch auch immer, dass man die Erfahrung nicht integriert und sich in seinen Lebensmöglichkeiten einschränkt, aus Angst davor negative Emotionen empfinden zu müssen. Daher ist die Strategie der Erlebnisvermeidung kurzfristig oft angenehmer, langfristig gesehen jedoch problematisch.

    Faktische Akzeptanz

    Häufig haben wir bevor wir uns unsere Emotionen nicht eingestehen können, das Problem, dass wir etwas nicht wahrhaben wollen. Das kann im Falle einer Trennung bedeuten, dass wir denken, dass der andere es nicht so meint, wie er es sagt. Es kann auch denken, dass wir etwas Unveränderliches nicht als solches sehen und wir es unbedingt verändern wollen. Wenn sich dies jedoch unserem Wirkungsstreben entzieht, können wir tun was wir wollen und wir werden diese Realität nicht ändern können. Auch dann nicht, wenn das alle doof finden, die wir kennen.

    Wir können es doof finden, dass es Menschen gibt, die den Klimawandel leugnen. Wir dürfen es blöd finden, dass politisch nichts getan wird. Aber wir werden über unseren unmittelbaren Wirkungsradius hinaus nichts bewirken können, wenn die uns umliegende Realität es nicht zulässt. Daher schauen wir uns gleich ein paar übliche „Baustellen“ an.

    Akzeptanz mit Hindernissen -Unbequeme Wahrheiten

    Häufig hat fehlende Akzeptanz etwas damit zu tun, dass man eine der nachfolgenden Wahrheiten nicht wahr haben möchte. Hier sind so einige „dicke Bretter“ vorhanden, an denen man sich im Leben immer wieder an unterschiedlichen Stellen abarbeitet.

    Alles ist vergänglich

    Wer denkt schon gerne über den eigenen Tod nach. Es fürchtet und ängstigt uns der Gedanke der Nichtexistenz oder des Nichtseins. Viele fürchtet sicherlich noch mehr der Gedanke Menschen zu verlieren, die sich im Leben befinden und den weiteren Lebensweg ohne sie beschreiten zu müssen. Doch neben der Vergänglichkeit des Lebens, sind auch positive Emotionen und Zustände nur vorübergehend. Der erste Kuss, die Verliebtheit am Anfang, die Hochzeit, der berufliche Erfolg – alles ist potenziell vergänglich. Wir müssen damit rechnen Liebgewordene(s) zu verlieren.

    Menschen sind zudem verlustaversiv. Wir mögen es nicht Dinge zu verlieren. In etwa wiegt der Verlust einer Sache doppelt so schwer, wie ein Gewinn. Darüber nachzudenken etwas zu verlieren ist daher schmerzhaft – genauso wie es letztendlich als Wahrheit zu realisieren. Hoffnung ist die effektivste Methode das eigene Leid zu verlängern.

    Sicherheit ist eine Illusion

    Weil wir Verluste so fürchten sind wir sehr darauf bedacht uns in allen Lebenslagen gegen drohendes Unheil abzusichern. Wir ernähren uns gesund, treiben Sport, gehen in der Dunkelheit vielleicht nicht mehr allein vor die Tür. Vielleicht sind wir auch sehr achtsam dabei, wen wir in unser Leben lassen und wen nicht, um uns vor Verletzungen zu schützen.

    Denkt man den Gedanken jedoch zu Ende wird es schnell beklemmend. Wenn man das Haus verlässt könnte man ja mit Keimen, oder gefährlichen Situationen ausgesetzt sein. Menschen die in unser Leben treten könnten uns enttäuschen oder verlassen. Eigentlich sollten wir uns nurnoch in einer gut gepolsterten, sterilen und sehr einfachen Umgebung aufhalten – bestenfalls ohne Menschen. Klingt nach einem traumhaften Leben!

    Vergangenheit ist gesetzt

    Häufig ärgern sich Menschen über ihre Vergangenheit. Sei es dass sie unter ungünstigen Bedingungen aufgewachsen sind, oder dass sie an bestimmten Punkten im Leben Entscheidungen getroffen haben, die sie im Nachhinein bereuen. Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden, daher erscheinen uns im Nachhinein häufig Dinge selbstverständlich, die wir in der Vergangenheit noch nicht sehen können.

    Letztendlich wird man die Geschehnisse der Vergangenheit jedoch nicht ändern können. Wir können uns grämen und ärgern – die Vergangenheit ist gesetzt. Wir müssen mit diesem Zeitstrahl agieren in dem wir leben. Was in hypothetischen Paralleluniversen möglich gewesen wäre, wenn wir anders gehandelt hätten, hilft uns nicht weiter im Hier und Jetzt. Du kannst nicht beeinflussen, welches Blatt du bekommst, nur wie du damit spielst.

    Menschen sind unterschiedlich

    Häufig vergessen wir, dass unsere Perspektive auf die Welt zu blicken nicht die einzig mögliche ist. Viele Menschen bewerten oft ihr Umfeld und werten es herab, wenn es sich in den Werten von einem selbst unterscheidet. Menschen haben ein Recht darauf andere Werte zu vertreten, andere Anschauungen zu haben, anderen Interessen zu folgen und vor allem: andere Entscheidungen zu treffen, als wir selbst es tun.

    Wenn du beim nächsten mal nicht verstehst, wie jemand die eine oder andere Entscheidung oder Handlung vollziehen konnte, vergegenwärtige dir, dass die Person andere Erfahrungen und Werte hast als du selbst. Niemand muss so Handeln, Denken, Fühlen, Empfinden, Planen, oder Bewerten so wie du es tust. Wir entwickeln uns in unterschiedlichen Umgebungen, machen verschiedene Erfahrungen und entwickeln unterschiedliche Perspektiven und Wertesysteme.

    Andere Menschen dürfen anders denken als wir!

    Die Welt ist ungerecht

    Viele Menschen werden moralisch erzogen. Uns wird beigebracht, dass wir gerecht sein sollten. Vielleicht werden auch höhere Instanzen angeführt, die Gerechtigkeit erwirken sollen. Fakt ist: Die Welt ist ungerecht. Es ist nicht gerecht, dass Menschen unterschiedliche Chancen, Konstitutionen, Begebungen, Möglichkeiten und finanzielle Mittel haben. Es ist nicht fair, dass einer viel lernen muss und der andere nur wenig. Dass der eine gute Startbedingungen hat und der andere nicht.

    Long Story Short: Die Welt ist ungerecht. Man kann nicht beeinflussen welche Karten man bekommt, nur wie man damit das Spiel spielt. Umso länger man sich darüber aufregt, das die Welt ungerecht ist, umso weniger findet man in die eigene Verantwortlichkeit, umso weniger wird man an seiner Situation ändern. Anzuerkennen, dass etwas ungerecht ist und andere bessere Chancen haben, kann uns dabei helfen Dinge zu akzeptieren und sich erneut unseren Werten zuzuwenden.

    Andere werden über dich urteilen

    Wir alle laufen mit eingebauten Schubladensystemen herum. Wir haben Anschauungen über Frauen, Männer, Heteros, Schwule, Lesben, Junge, Alte, Christen, Muslime, Juden, Schwarze, Asiaten und alle möglichen anderen Formen von Mensch oder auch Interessensgruppe. Wir treffen in sekundenschnelle Entscheidungen und Zuordnungen. Diese passieren oft noch nicht einmal bewusst.

    Andere werden daher auch uns beurteilen. Es wird dabei passieren, dass sie uns falsch einschätzen und wir in der falschen Schublade landen. Vielleicht lassen sie uns sogar in dieser Schublade und sind nicht bereit ihr Urteil zu revidieren oder zu überdenken. Das können wir dann nicht ändern. Manchmal wollen Menschen etwas über uns denken und es wird uns nicht möglich sein die Einstellung zu verändern. – In diesem Fall macht es auch keinen Sinn es weiterhin zu versuchen. Es würde uns in wertgeleitetem Handeln behindern.

    Niemand ist perfekt

    Häufig orientieren wir uns an Vorbildern, die etwas viel besser beherrschen als wir selbst. Manchmal lässt uns das glauben, dass diese Menschen fehlerfrei sind. Wir eifern Ihnen nach und vergleichen uns, grämen uns aufgrund unserer Fehlerhaftigkeit. – Doch niemand ist perfekt. Menschen machen Fehler. Fehler sind der Weg zur Erkenntnis. Die meisten die gut in etwas sind, haben viele Fehler gemacht und daraus ein Expertenwissen gesammelt, dass Ihnen dabei hilft in Zukunft angemessener zu reagieren. Wir sollten uns selbst daher nicht unter Druck setzen.

    Manchmal ist es auch so, dass man Menschen idealisiert, sie nur durch die rosarote Brille betrachtet und dann sehr enttäuscht ist, dass sie so fehlerhaft sind, wie alle anderen – auch hier gilt: Menschen machen Fehler. – Sie gehören zum Leben dazu.

    Es ist wie es ist

    Egal wie unschön deine Umstände im Moment sind. Natürlich wäre es besser wenn du unter günstigeren Bedingungen starten würdest etwas neues zu tun. Deine Umstände sind, wie sie sind. Es macht keinen Sinn darüber nachzudenken, wie viel leichter etwas wäre, wenn die Umgebungsvariablen anders wären. Akzeptanz bedeutet auch, zu akzeptieren was jetzt ist. „Es ist wie es ist.“ ist daher ein Satz, der viel negative Emotionalität und negativen Widerstand verhindern kann. Was die Kräfte für eine funktionale Bewältigung spart.

    Wie kann ich Akzeptanz lernen?

    In erster Linie is es wichtig zu verstehen wieso Akzeptanz wichtig ist. Kurz: Wenn wir Dinge nicht akzeptieren, wie sie sind, werden wir unsere Ressourcen vergeuden. Wie kann man also lernen Dinge zu akzeptieren wie sie sind?

    Reality Checks

    Um Akzeptanz zu ermöglichen ist der erste Schritt sich selbst nicht etwas vorzumache und sich eine realistische Einschätzung von der gegenwärtigen Situation zu machen. Von daher kann ein kurzer Checkup nicht schaden:

    • Was möchte ich im Moment nicht sehen?
    • Würde ich die Lage ähnlich einschätzen, wenn mein bester Freund in der Situation wäre?
    • Finde ich die Situation ungerecht?
    • Kann ich etwas an der Situation ändern?
    • Versuche ich negative Emotionen zu unterdrücken?
    • Was würde jemand anderes in meiner Situation tun?
    • Bin ich fair zu mir selbst?
    • Verschwende ich Zeit mit Dingen, die ich nicht ändern kann?

    Nach dem Reality Check kann man sich genauer anschauen, welche Emotionalität im Hintergrund eine Rolle spielt und wie diese sich in unserem Leben entwickelt hat.

    Gewaltfreie Selbstklärung

    Sofern man erkennt, was man fühlt und welche Bedürfnisse man hat und diese annimmt und integriert, ist ein wichtiger Schritt in der emotionalen Akzeptanz getan. Dies kann durch die Gewaltfreie Selbstklärung geschehen. Mehr dazu findet ihr hinter dem Link.

    Selbstbeobachtung

    Auch die verschiedenen Techniken der Selbstbeobachtung können dabei helfen die Akzeptanzfähigkeit zu verbessern, indem man eigene Anteile wahrnimmt, akzeptiert und integriert.

  • Handeln

    „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“, sagte schon Erich Kästner. In der Acceptance und Commitment Therapie (ACT) kommt dem Handeln eine fundamentale Rolle zu. Genauer gesagt dem entgegengesetzten Handeln.

    Unsere Emotionen und Gedanken können wir auf dem direktem Wege nicht beeinflussen. Wir können jedoch trotz schlechter Gedanken oder Emotionen handeln und uns damit in Richtung unserer Werte bewegen. Dies bedeutet nicht, dass uns negative Gedanken nicht hindern können oder unerwünschte Emotionen uns das Handeln nicht erschweren können. Wie wir handeln, können wir trotzdem in jedem Moment entscheiden.

    Prämissen des Handelns

    Dieses Handeln in Richtung unserer Werte kann uns ein ausgefülltes und sinnvolles Leben bescheren, auch wenn wir dem Leid der Sterblichen unterworfen sind. Dies setzt drei Grundprämissen voraus.

    • 1. Handeln sollte wertgeleitet sein
    • 2. Handeln sollte wirksam sein
    • 3. Ich bin der Agent meines Handelns

    Wertgeleitet sind Aktivitäten dann, wenn sie uns in Richtung unserer Werte bewegen. Man kann viel tun, ohne sich auf seine Werte zuzubewegen, dann wird sich das jedoch als unbedeutend und fremdbestimmt anfühlen. Sicherlich kann es manchmal sinnvoll sein Dinge zu tun, die für das Erreichen höherer Werte sinnvoll sind, Letztendlich sollte jedoch immer im Einzelfall entschieden werden, ob wir in Richtung unserer Werte handeln oder uns davon entfernen. Manchmal blockieren sich Werte auch gegenseitig und bedeuten Konflikte.

    Wirksam sind Aktivitäten dann, wenn sie nicht nur eine Bewegung in Richtung unserer Werte herbeirufen sollen, sondern dies auch können. Der gute alte Spruch: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“ spiegelt dieses wider. Häufig haben wir Verhaltensmuster erlernt, die einem ursprünglichen Zweck mal dienen konnten, mitunter funktionieren sie jedoch nicht mehr oder schaden tatsächlich sogar – in diesem Fall ist das Handeln unwirksam.

    Viele Menschen sehen sich als Opfer ihrer äußeren Umstände, als Kreaturen die äußeren Zwängen unterworfen sind. Nur wenn wir selbst unsere Handlungen als Resultat unserer Entscheidungen verstehen, können wir uns aktiv und wirksam in Richtung unserer Werte bewegen.

    Verhaltensökonomie -Prämissen des Unterlassens

    Da Lebenszeit eine begrenzte Ressource ist, kann es hilfreich sein, sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Dinge man unterlassen sollte. Häufig fragen sich Menschen ob sie Dinge tun sollen, seltener, ob sie nicht mit bestimmten Handlungen aufhören sollten. Wenn Sie Dinge tun, von denen Sie merken, dass:

    • Es Sie nicht ihren Werten näher bringt
    • Es nicht das gewünschte Ergebnis bringen wird
    • Es Sie in dem Streben nach ihren Werten behindert
    • Es nur von Ihnen getan wird, weil es erwartet oder gewünscht wird
    • Es nur von Ihnen getan wird, weil sie es schon immer getan haben

    Hören Sie damit auf! Die Zeit die Sie mit solcherlei Tätigkeiten verplempern, hindert sie an einem wertegeleiteten Leben. Ich beobachte häufig Menschen, die schnell intervenieren und handeln, die sich Dinge auf den Tisch ziehen oder bei Dingen agieren, die sich von selbst lösen würden. Dies kostet nicht nur Lebenszeit, sondern viel schlimmer: Aufmerksamkeit.

    Sich mit zu vielen Dingen zu beladen, denen man Aufmerksamkeit schenken muss, kann schnell zur Erschöpfung führen. Dann fehlt die Energie an anderen Orten, wo sie gebraucht wird.

    Motivation und Handeln

    Die Psychologen Gollwitzer und Heckhausen haben ein Modell der Handlungsphasen entwickelt, dass sich das Rubikon-Modell nennt. Sie gehen davon aus, dass jede Handlung in 4 grundlegende Stufen unterteilt werden kann:

    Entscheidungsphase: In der Entscheidungsphase werden Verhaltensoptionen abgewägt und Absichten, Befürchtungen und Wünsche gewichtet. Es resultiert eine analytische abwägende Grundhaltung.

    Planungsphase: In der Planungsphase geht es darum die Handlungsdurchführung zu planen. Im Wesentlichen ist die Frage, wie etwas umgesetzt werden kann vordergründig. Es entsteht eine offene, motivierte, zielbewusste Grundhaltung.

    Aktionsphase: In der Aktionsphase sind alle Informationen im Fokus die mit der unmittelbaren Umsetzung der Handlung und dem Ziel zu tun haben. Die Grundhaltung ist konzentriert, durchsetzungsorientiert und optimistisch.

    Bewertungsphase: In der Bewertungsphase geht es darum die Handlung und ihre Ergebnisfolgen zu bewerten. Die Grundhaltung ist erfahrungsorientiert, mit Fokus auf Stolz oder Reue.

    Jede dieser Phasen ist bei der Verfolgung seiner Ziele notwendig, um sein Handeln langfristig wirksam und wertegeleitet zu gestalten. Das Eintreten in bestimmte Handlungsphasen kann durch das Hervorrufen bestimmter Bewusstseinslagen erleichtert werden.

    Ansteuern von Bewusstseinslagen

    Es gibt eine abwägende und und eine planende Bewusstseinsphase. Die abwägende Phase zeigt sich darin, dass man offen ist gegenüber Informationen von außen. Es geht darum zu prüfen, ob das Ziel überhaupt wünschenswert ist – im Wesentlichen geht es um die Überprüfung der eigenen Wertigkeit und der Erwünschtheit im Außen.

    In der planenden Bewusstheitsphase geht es darum seine Offenheit einzuschränken. Es wird eher auf die Umsetzung des Ziels geachtet, nicht darauf, ob es wünschenswert ist das Ziel umzusetzen.

    Die abwägende Bewusstseinslage kann hervorgerufen werden, indem man sich abwägende Fragen stellt, wie: Welche drei Eissorten würde ich am liebsten essen? Welche drei Wünsche würde ich mir erfüllen wollen, wenn ein Dschinn sich mir zeigt?

    Die planende Bewusstseinslage kann hervorgerufen werden, indem man die Einzelschritte bei bekannten Routinen durchdenkt, wie z.B.: „Wenn ich Kaffee koche, filtere ich zuerst Wasser, dann koche ich es, dann mahle ich den Kaffee…“

    Übungen zu den Handlungsphasen

    Häufig zeigen sich bei Patienten Störungen in bestimmten Handlungsphasen. Daher macht es Sinn, diese voneinander getrennt zu betrachten. Für die verschiedenen Phasen gibt es unterschiedliche Übungen, die sich anbieten.

    Entscheidungsphase

    In dieser Phase geht es darum Entscheidungen zu treffen. Als erstes bietet sich daher das Will-Ich-Das-Schema an. Auch das SMART-Schema beschäftigt sich mit einem Aspekt der Entscheidungsphase, nämlich der Frage: Ist mein Ziel (sozial) akzeptiert?

    Will ich das?

    Bei dieser Übung wird jedes Wort in der Frage nacheinander besonders betont, und für sich geprüft, was sich daraus in der weiteren Auseinadersetzung ergibt.

    Will ich das? – Kann/Darf/Möchte man das Ziel wirklich wollen?

    Will ich das? – Möchte wirklich ich das, oder ist das der Wunsch eines anderen?

    Will ich das? – Will ich das in der Form? Oder wünsche ich mir etwas anderes?

    So kann recht umfangreich geprüft werden, ob man etwas wirklich möchte oder ob man sich doch lieber um eine Alternative kümmert.

    Planungsphase

    In der Planungsphase geht es vor allem darum die Handlungsanbahnung vorzubereiten. Am Ende der Phase soll der Ablauf der Handlung geplant sein.

    SMART-Ziele

    Das SMART-Schema kann dabei helfen, Ziele so zu formulieren, dass man sie auch erreichen kann.Wir schauen uns das am Beispiel für eine Gewichtsreduktion an. Smart steht für:

    • Spezifisch: Ich möchte Gewicht verlieren
    • Messbar: 10 kg
    • Akzeptiert: Ja
    • Realistisch: Je nach Zeitraum ja / nein
    • Terminiert: Datum XY in zehn Monaten

    Durch die Frage nach der Akzeptiertheit, ist das Schema auch zu einem kleinen Teil noch in der Entscheidungsphase angesiedelt, der Fokus liegt jedoch auf der Formulierung eines Ziels, das so präzise formuliert ist, dass es leichter umzusetzen ist.

    Unboxing

    Unboxing ist eine Methode, die bei der Zeiteinschätzung von größeren Vorhaben behilflich sein soll. Es geht im Wesentlichen darum, die einzelnen Schritte zum Ziel bestmöglich einzuplanen. Hier an einem Beispiel, wo wir mal schauen, wie viel Zeit man braucht, um einen gemeinsamen Abend mit Freunden zu planen. Die Bauchschätzung umfasst zwei Stunden Vorbereitungszeit.

    • Aufräumen und Putzen
      • Badezimmer 15 Minuten
      • Küche 25 Minuten
      • Wohnzimmer 25 Minuten
    • Einkaufen
      • Anfahrt 15 Minuten
      • Supermarkt 15 Minuten
      • Gemüsemarkt + Anfahrt 20 Minuten
      • Auspacken und Verräumen 10 Minuten
    • Kochen
      • Waschen, Entpacken 10 Minuten
      • Schneiden 15 Minuten
      • Kochen 20 Minuten
      • Anrichten und vorbereiten 30 Minuten

    Wie man sieht werden häufig bei der Grobüberschlagung viele Arbeitsschritte außen vorgelassen oder nicht bedacht. Die eigentliche Schätzung hier umfasst nach dem Unboxing über drei Stunden – und das ohne besondere Vorkommnisse. Ein Unboxing ist daher sehr sinnvoll, um realistisch den Aufwand einschätzen zu können. Bei neuartigen oder unbekannten Aufgaben, sollte man alles was man berechnet großzügig mit dem Faktor zwei versehen.

    WOOPI-Methode

    Die WOOPI-Methode kommt aus der Betriebswirtschaft. WOOP steht für Wish, Outcome, Obstacle, Plan. Das Woopen ermöglicht das Erstellen eines umfangreichen Handlungsplans.

    • Wish: Hier geht es um den Wunsch, der erreicht werden soll, was ist der erwünschte Zustand?
    • Outcomes: Hier werden die Ergebnisse der Handlung in den Fokus genommen. Welche Folgen wird das gewünschte Ergebnis hervorrufen?
    • Obstacles: Welche Hindernisse können der Zielverfolgung entgegentreten? Wie viel Kraft wird das Ziel verbrauchen? Welche Ressourcen benötigen?
    • Plan: Unter Berücksichtigung der Hindernisse wird ein Aktionplan erstellt
    • Imagine: Stellen Sie sich vor, wie Sie an dem Ziel arbeiten, was ihnen in den Weg kommen kann, wie Sie das Ziel erreichen und vor allem: wie es sich anfühlt das Ziel zu erreichen.

    Der Imagine-Schritt ist in der Betriebswirtschaft nicht vorhanden. Die Forschung zeigt jedoch, dass Zielantizipation die Zielerreichung verbessern kann, als auch „falsche“ Ziele entlarven kann. Wenn sich die Vorstellung der Ergebnisfolgen weniger positiv anfühlt als ursprünglich erwartet.

    Aktionsphase

    Welche Übungen können in der Aktionsphase von Gewinn sein? Die folgenden Übungen sollen dabei helfen Ziele tatsächlich auch zu realisieren.

    Fo(u)r Doing Better

    Viele Menschen haben eine To-Do-Liste, sie wird länger und länger, verschwindet irgendwann ganz und lädt zur Überforderung ein. Viel praktischer ist es eine Tabelle zu haben mit folgenden Spalten:

    Do: Der Klassiker, hier landet alles was zu tun ist, und aktuell notwendig ist.

    Not Done: Dinge, die einem im Hinterkopf herumspuken, die noch nicht getan wurden.

    Done: Zu Motivationszwecken – Was habe ich getan? Gerade dann wertvoll, wenn man viel tun musste, um sein Ziel dennoch nicht zu erreichen, weil sich unerwartete Komplikationen ergeben haben.

    Don’t: Hier kann man Dinge herschreiben, die auf der Do oder Not-Done-Liste standen, die sich nicht als wertgeleitet oder effektiv gezeigt haben.

    Durch die Spalten und die Zuordnung der Items in die Spalten, das Herausstreichen von Items und den Wechsel der Zuordnung in andere Spalten zeigt sich, dass viele Dinge flexibler gestaltet werden können als man glaubt. Es läd dazu ein seine Zielsetzungen immer wieder auf Wirksamkeit und Wertkonformität zu prüfen.

    Pareto Prinzip

    Das Pareto Prinzip besagt, dass 80% des Ergebnisses durch 20% des Aufwandes entstehen. Die übrigen 20% des Ergebnisses brauchen 80% des Aufwandes. Kurz: Sehr hohe Standards bedeutetn häufig, dass man sehr viel mehr Arbeit aufwenden muss, als „lediglich“ gute Ergebnisse. Ein kurzes Beispiel aus meiner Studienzeit. Damit die Kommilitonen folgende Ergebnisse erzielen, mussten sie häufig in etwa die folgenden Vorbereitungsphasen einkalkulieren.

    1: 6 Wochen aktive Vorbeitungszeit

    2: 1,5 Wochen aktive Vorbereitung

    3: 4 Tage Vorbereitung

    4: 1 Nacht und zwei Kannen Kaffee

    Diese Übersicht zeigt, dass sehr gute Ergebnisse häufig unverhältnismäßig viel mehr Aufwand erfordern. Häufig vergessen die Menschen dabei, dass Nicht-Experten, Qualitätsunterschiede in den oberen 20% des Leistungsspektrums ohnehin nicht einschätzen können. Oder kurz: Häufig ist dieser Aufwand nicht nur unangemessen, sondern auch umsonst. Daher sollte man sich im Prozess immer wieder fragen, ob man gerade noch im „Bereich des Wahrnehmbaren“ arbeitet.

    Bewertungsphase

    In der Bewertungsphase geht es darum die Handlung und die Handlungsfolgen im Blick zu behalten. Konnte ich mein Ergebnis erreichen? Hat das Ergebnis die erwarteten Handlungsfolgen erzielt? Hier liefert die Attributionsforschung wertvolle Erkenntnisse.

    Ursachenzuschreibung

    In der Psychologie beschäftigt man sich in der Attributionsforschung mit der Frage, wie man Erfolge oder Misserfolge interpretiert, und welche Auswirkungen das auf den Selbstwert hat. Ursachen für Erfolg und Misserfolg können auf folgenden Dimensionen beschrieben werden:

    • stabil vs. variabel: Wenn die Ursache für den Erfolg als stabil wahrgenommen wird, ist sie unveränderbar. Wenn ich denke, dass ich zu dumm bin um zu studieren, ist das eine stabile Zuschreibung. Glaube ich dass ich eine Prüfung verbaselt habe, weil ich mich nicht ausreichend vorbereitet habe, ist die Zuschreibung variabel.
    • innen vs. außen: Erfolge und Misserfolge können auf inneren Faktoren zurückgeführt werden wie eine gute Auffassungsgabe oder auf äußeren Faktoren beruhen, wie eine hohe/niedrige Aufgabenschwierigkeit.
    • kontrollierbar vs. unkontrollierbar: Man kann sich auch fragen, wie kontrollierbar oder unkontrollierbar der Ausgang des Ergebnisses ist. Wenn ich einen schwierigen Prüfer bekomme, ist das unkontrollierbar. Bereite ich mich gut vor und nehme das in den Fokus, ist das kontrollierbar.

    Erfolge werden bestenfalls stabil, innen, kontrollierbar zugeschrieben: Ich habe die Prüfung bestanden, weil ich mich gut vorbereitet habe und ein kluger Mensch bin. Das ist eine selbstwertdientliche Zuschreibung.

    Misserfolge werden bestenfalls außen, variabel und unkontrollierbar dargestellt. Es ist viel einfacher in einer Prüfung zu versagen, wenn ein Prüfer krank und ein fieser Ersatzprüfer einbestellt wurde.

    Alles in allem macht es Sinn, sich alle Faktoren anzuschauen, die zu einem Erfolg oder Misserfolg geführt haben. Häufig neigen Menschen dazu die eigenen Beiträge zum Scheitern zu überschätzen und die Umgebungsvariablen aus dem Blick zu verlieren.

    Bewertungsmaßstäbe

    Neben der Attribution gibt es Bewertungsmaßstäbe, die man beim Bewerten der eigenen Leistung anlegt. Viele Menschen vergleichen sich mit anderen und sind daher anfällig dafür die eigene Leistung schlecht einzuschätzen. Aber welche Bewertungsmaßstäbe gibt es?

    • Kriterial: bei diesem Maßstab ist die Frage was an dieser Arbeit fachlich gut/ schlecht ist. Das offenbart vor allem, was man verbessern kann.
    • Sozial: Klassisch wie beim Klassenspiegel oder Ranking. Wir erfahren wer besser oder schlechter ist, nicht aber warum.
    • Individual: Wo bin ich besser oder schlechter geworden im Vergleich zu meinen vorherigen Arbeiten?

    Prinzipiell hat sich gezeigt, dass gerade die individuale Bezugsnorm dabei hilft die Motivation aufrechtzuerhalten. Leistungsstärkere haben jedoch auch häufig das Bedürfnis sich mit anderen zu messen.

    Erfolgsbewertung

    Aus dem Wissen über Beurteilungsmaßstäbe und Erfolgszuschreibung lassen sich letztendlich ein paar Fragen entwickeln, mit der man jeden Erfolg / Misserfolg untersuchen kann.

    • Welche meine Eigenschaften waren hilfreich, welche nicht?
    • Welche inneren Zustände haben mich unterstützt, welche gehindert?
    • Welche äußeren Zustände waren hilfreich, welche schadhaft?
    • Welche Umstände waren kontrollierbar, welche nicht?
    • Hat sich meine Leistung im Vergleich zu meinen Vergangenen verbessert?
    • Habe ich eine objektiv gute Leistung erzielt?

    Wenn man dann noch etwas Extrakick möchte, kann man sich auch gerne fragen, ob man besser oder schlechter war als andere.

    Dieser Artikel bietet einen Überblick darüber, wie man wertegeleitet und wirksam handeln kann. Jetzt übt mal fleißig, Kinners! Denn: Talk is Cheap. – „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“

  • Beobachterselbst

    Das Beobachterselbst ist die Funktion unseres Selbst, die sich im gedanklichen Prozess selbst beobachten kann. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Selbstkonzept. Das Selbstkonzept ist eine Ansammlung von grundlegenden Anschauungen über sich selbst. Diese Konzepte können positiv wie negativ sein. Vielen Menschen fällt es jedoch leichter negative Selbstinhalte abzurufen. Aber testen Sie doch selbst! Nimm ein Blatt und schreib alle negativen Eigenschaften auf, die dir über dich selbst einfallen. Wiederhole die Übung und notiere alles, was dir an dir gefällt. Die meisten haben keine Probleme damit Schwächen zu finden und tun sich schwer darin die Stärken zu notieren. Kurz: Abrufe aus dem Selbstkonzept sind häufig eher negativer Natur und daher oft in der Handlungsbahnung negativ. „Ich bin dumm, faul, schüchtern, hässlich…“ sind oftmals Überzeugungen über das Selbst, die einen daran hindern die Ziele zu verfolgen. Das Beobachterselbst ist kein Abruf von Selbstwissen, sondern stellt eine Aktualaufnahme des Befindens dar.

    Das Selbstkonzept, kann man sich vorstellen wie eine Bühne, auf dieser tummeln sich die Überzeugungen über sich selbst: „Der Dumme“, „Der Ängstliche“, „der gute Fussballer“ finden sich hier wieder. Das Beobachterselbst entspricht dem Regisseur. Er kann beobachten, wem es wie geht, wer gerade in den Vordergrund tritt, lauter spricht, wer sich gerade hinter der Kulisse versteckt, wer gerade am Rande der Bühne auf seinen Auftritt wartet. Das Beobachterselbst ist also eine Haltung, aus der wir uns selbst beobachten können.

    Diese Fähigkeit sich selbst beobachten zu können erleichtert zum einen die Defusion (sich lösen und sich distanzieren von festgefahrenen Gedankenknäueln) und zum anderen die Akzeptanz. Die Defusion wird erleichtert, da durch die Selbstbeobachtung klar wird, dass man denkt, dass man sich fühle wie ein dummer Mensch. Dies hat eine andere Qualität, als sich zu fühlen wie ein dummer Mensch oder sich für einen dummen Menschen zu halten.

    Die Akzeptanz wird erleichtert, da man seine eigene Emotionalität bewusst wahrnimmt, statt sie verdrängen zu wollen, Akzeptanz beginnt mit der Gewahrwerdung eigener Emotionen, Bedürfnisse und innerer Anteile.

    Training des Beobachterselbst

    So weit so gut. Aber beim ACT geht es doch darum etwas zu tun. Was kann ich also tun? Selbstbeobachtung kann man natürlich üben, hier bieten sich verschiedene Techniken und Übungen an, die unterschiedliche Aspekte in den Fokus rücken. Ich stelle verschiedene Möglichkeiten vor.

    Selbstcheck – der Rundumblick

    Viele Patienten befinden sich die meiste Zeit des Tages im „Autopiloten“, sie überprüfen nicht das eigene Befinden, die Belastung, die Bedürfnisse, Emotionen und vor allem nicht, ob diese im Moment befriedigt oder gestillt werden. Der Selbstcheck ist ein individuell formulierter Fragenkatalog, der an bestimmten Zeitpunkten des Tages reflektiert werden soll. Idealerweise programmiert man sich eine Terminerinnerung im Handy oder macht den Check an bestimmten Punkten des Tages in ritualisierter Form. Folgende Fragen können hilfreich sein:

    1. Bin ich erschöpft? Wann habe ich die letzte Pause gemacht?
    2. Bin ich hungrig oder durstig? Wann habe ich das letzte Mal gegessen oder getrunken?
    3. Was fühle ich im Moment? Wo kommt das Gefühl her? Welches Bedürfnis spricht dort?
    4. Was denke ich gerade über mich? Ist der Gedanke hilfreich?
    5. Was kann ich tun, damit es mir jetzt im Moment ein klein wenig besser geht?
    6. Was kann ich tun, damit ich mehr in Richtung meiner Werte handele?
    7. Kann ich meine jetzige Situation verändern und angenehmer gestalten?

    Diese Fragen beinhalten auch Fragen, die sich auf andere ACT-Bereiche beziehen. Im Vordergrund steht jedoch die Selbstreflexion bezogen auf den Moment.

    Beobachterselbst – Selbstbeobachtung des Körpers

    Körper, Geist und Emotionen hängen voneinander ab. Haben sie mal versucht ein beziehungsklärendes Gespräch mit jemandem zu führen, der hungrig, müde und angespannt ist? Wie wird dieses vermutlich verlaufen? Häufig vergessen Patienten darauf zu achten, wie belastbar sie körperlich noch sind oder welchen Einschränkungen sie gerade unterworfen sind. Hier kann ein regelmäßiger Bodyscan helfen. Ich formuliere die Instruktion mal höflich in Sie-Form, falls Kollegen sie raubmordkopieren wollen.

    Bodyscan

    Nehmen Sie eine entspannte Haltung ein und konzentrieren sie sich zunächst auf ihre Atmung. Schließen sie die Augen und konzentrieren Sie sich nur auf diese Übung. Wenn sie merken, dass Sie durch Gedanken abgelenkt werden, führen sie ihre Aufmerksamkeit auf die Übung zurück. Atmen Sie tief in den Bauchraum. Atmen sie langsam und entspannt. Achten Sie darauf, wie die Luft in Sie hereinströmt und aus ihnen herausströmt. Stellen Sie sich vor, wie die Luft durch den gesamten Körper transportiert wird, bis an seine Außengrenzen. Spüren Sie die Außengrenzen ihres Körpers. Visualisieren Sie vor dem inneren Auge die Außengrenzen ihres Körpers, wie ein Abbild aus einem 3D-Scanner.

    Konzentrieren sie sich nun auf ihre Körpersensationen. Beginnen Sie bei ihren Fußsohlen und Füßen. Spüren Sie für jeweils drei Atemzyklen in jede Region hinein. (Ich setze folgend für jeden Atemzyklus einen Punkt.) Bewerten Sie nicht, was sie empfinden. Sorgen Sie sich nicht. Nehmen Sie einfach nur wahr. Verschieben Sie ihre Aufmerksamkeit nun zu ihren Knöcheln… Gehen Sie zu ihren Waden über… Achten Sie danach genau auf ihre Knie… Konzentrieren Sie sich nun auf die Oberschenkel…Beobachten Sie nun ihren Lendenregion…

    Vielleicht waren sie in der Zwischenzeit abgelenkt. Eventuell sind Sie ins Grübeln gekommen. Das ist nicht schlimm, lenken sie einfach ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Wahrnehmung.

    Spüren Sie nun in ihren Unterbauch hinein… Lenken sie die Aufmerksamkeit nun auf den Oberbauch…Was empfinden sie im unteren Rücken?…Was geschieht, wenn sie den Solarplexus in den Fokus nehmen?… Die Brust?… Die Schultern?… Den Hals?… Das Gesicht?…Den Hinterkopf?…

    Nehmen Sie nun noch einmal den Körper als ganzes wahr… Wie müde oder energetisiert fühlen Sie sich?… Sind sie unruhig oder getrieben?… Haben sie Schmerzen, wenn ja wo?… Wie fühlt sich ihre Körpermitte an?… Wie ihre Atmung?… Spüren sie Anspannung im Körper?… Nehmen Sie nun ihren Körper noch einmal als Ganzheit, mit allen Sensationen wahr… Kommen Sie langsam ins hier und jetzt zurück… Öffnen Sie ihre Augen. Schütteln Sie sich. kommen Sie wieder ins Hier und Jetzt.

    Beobachterselbst – Selbstbeobachtung der Emotion

    Viele Patienten haben Probleme damit, einen Zugang zu ihren eigenen Emotionen zu bekommen. Sie tun Dinge so schnell ab und schlucken sie herunter, dass sie irgendwann entweder erschöpft sind oder angespannt oder letztendlich körperliche Beschwerden ausbilden. Diese Übung soll dabei helfen die Emotionsbeobachtungen anzustellen. Nehmen sie sich einen Emotionskreis ihrer Wahl, ich persönlich bevorzuge diesen:

    Emotionen

    Werfen sie drei Münzen in den Kreis und reflektieren sie, ob die Emotionen stimmig sind zu ihrer aktuellen emotionalen Lage. Wenn das nicht der Fall sein sollte, verschieben Sie die Münzen so lange bis sie auf Emotionen liegen, die zum aktuellen Moment passen. Alternativ können Sie den Kreis auch auf ein Dartbrett heften.

    Beobachterterselbst und Selbstkonzept – das innere Team

    Wie eingangs erwähnt, sind das Selbstkonzept und das Beobachterselbst unterschiedliche Konzepte. Das innere Team kann hierbei eine Brückentechnologie darstellen. Wieso? Das Beobachterselbst stellt eine Aktualaufnahme der eigenen Emotionen dar, das Selbstkonzept stellt einen Abruf von Selbstbildern dar.

    Das innere Team sieht sich als eine Analogie in der internalisierte Rollen (Selbstbilder) miteinanderander in Dialog treten und interagieren. Wir alle verinnerlichen im Laufe unserer Entwicklung je nach unseren Erfahrungen, Gedanken über uns und die Welt, die wir durch die Interaktion mit anderen erwirken.

    Wir alle haben internalisierte Gedankenmuster und emotionale Schemata mit denen wir unsere Welt begreifen. Diese kann man sich wie Akteure auf der „inneren Bühne“ vorstellen. Ein Problem tritt nach Friedemann Schulz von Thun häufig dann auf, wenn das Ich seinen Regisseurssessel für einen der Darsteller freigibt und einer der Darsteller die Regie übernimmt. Hier ein paar Beispiele für Archetypen die häufig auf der inneren Bühne zu finden sind:

    • Der innere Kritiker
    • Der innere Schweinehund
    • Der Beschützer
    • Der Schüchterne
    • Der Choleriker
    • und viele mehr…

    Sie alle tauchen auf der inneren Bühne auf, wenn wir in Situationen sind, die uns an die Vergangenheit erinnern. Über die Lebensspanne hinweg haben wir uns in verschiedenen Kontexten bewegt und dort unterschiedliche Erfahrungen gesammelt, sei es durch Feedback oder durch die Beobachtung von Modellen. Sind wir immer dafür bestärkt worden den Mund aufzumachen und frech zu sein, werden wir wahrscheinlich einen inneren Pausenclown haben, der häufig präsent ist. Sind wir eher dafür bestraft und angemahnt worden bestimmten Konventionen zu folgen, werden wir wohl eher einen inneren Linienrichter haben, der immer darauf achtet, ob wir nicht persönliche oder konventionelle Grenzen überschreiten.

    In Ausnahmesituationen kann es dazu kommen, dass sich diese Akteure derart auf der Bühne in den Vordergrund drängen, dass sie die Regie übernehmen und Unheil anstellen. Natürlich ist der Pausenclown bei geschäftlichen Verhandlungen nicht unbedingt von Vorteil und der innere Linienrichter kann wahrscheinlich jede Party versauen. Häufig ist es schon ein Fortschritt, wenn wir wissen, welcher unserer archetypischen Akteure gerade versucht sich auf den Regiestuhl zu schwingen.

  • Defusion

    Defusion ist die Fähigkeit sich von seinen Gedanken zu distanzieren, ihren Wahrheitsgehalt in Frage zu stellen, ihre Wichtigkeit zu reflektieren und flexibel und funktional mit Gedanken umzugehen. Sie ist einer der Bausteine für psychische Flexibilität innerhalb der Acceptance und Commitment Therapie. Was bedeutet das konkret?

    Gedanken – Segen und Fluch

    Die Fähigkeit zu denken und damit assoziativ Bilder und Begriffe miteinander zu verknüpfen, die wir nicht aus einem gemeinsamen Zusammenhang kennen, hat viele Vorteile. Ich kann sie darum bitten, sich ein Zebra innerhalb einer Walnuss vorzustellen, das gerade mit einem Strohhalm einen frisch gebrühten Espresso trinkt und ein Buch liest. Viele dieser Bilder haben sie im Vorfeld wahrscheinlich nicht miteinander in Verbindung gebracht, trotzdem können sie es sich problemlos vorstellen.

    Die Möglichkeiten solche Assoziationen zu knüpfen hilft uns dabei Strategien zu entwickeln, Probleme zu lösen, und Pläne zu erdenken. Auf der anderen Seite können wir auch Anschauungen und Ideen entwickeln, die weder hilfreich, noch wahrheitspflichtig, noch wahrheitstauglich sind.

    Menschen als Unsinnsgeneratoren

    Diese Fähigkeit Begriffe und Bilder zu Assoziationen zu verknüpfen und ihnen hypothetischen Wahrheitsgehalt beizumessen, macht uns zu unsinnproduzierenden Wesen. Angenommen Sie treffen ihren Nachbarn und er beachtet sie nicht. Was denken Sie? „Er hat vor zwei Jahren mal erwähnt, dass er es mag, wenn der Rasen sauber gemäht ist, und mein Garten hat nun schon seit drei Wochen kein scherendes Brummen mehr gehört.“

    „Er verachtet Sie bestimmt, weil sie ein fauler Sack sind, der das Leben genauso wenig im Griff hat wie seinen Rasen. Und überhaupt laufen sie grad schon wieder liderlich rum. Ihr Nachbar hat so ein formidables, stärkegebügeltes Hemd an – Wie aus dem Ei gepellt. Solche Schnösel geben sich halt mit Abschaum wie Ihnen nicht ab.“

    Ihr Nachbar denkt derweilen gerade nur darüber nach, dass er er seine Steuererklärung noch nicht gemacht hat und plant gedankenverloren, was noch zu erledigen sei. Das hindert Sie jedoch nicht daran sich selbst zu zerfleischen.

    Defusion als Dietrich für Gedankengefängnisse

    Man könnte nun meinen: „Denk doch mal anders!“. Du musst diese Gedanken nicht haben. Es gibt viele Ratgeber, die es empfehlen positiv zu denken. Dies wird aus einem anderen Grund schwierig. Dinge die wir nicht akzeptieren, werden sich lauter melden, wenn wir versuchen sie wegzustoßen oder sie zu verdrängen. Bei Defusion geht es nicht darum, Dinge zu verdrängen oder positive Gedanken zu forcieren. Denn um sich von einem Gedanken zu lösen, muss man sich erst einmal den Gedanken anschauen. Aber wie kann man Gedanken lösen?

    Es gibt verschiedene Techniken um Gedanken besser ziehen zu lassen. Allen gemeinsam ist, dass sie uns irgendwie vergegenwärtigen, dass diese Gedanken nur Gedanken sind. Sie sind keine Realität. Sie sind per default Hirngespinste, die manchmal, in seltenen Fällen wahrheitsfähig und hilfreich sind. Manchmal sind sie vielleicht wahrheitsfähig, aber trotzdem entweder unwahr oder nicht hilfreich. Auch dann können diese Gedanken hinderlich sein. Doch selbst wenn wir wissen, dass Gedanken nicht wahr sein müssen, fühlen sie sich leider trotzdem häufig so an.

    Distanzierungstechniken zur Defusion

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Distanz zu ihren Gedanken aufzubauen. Ich möchte einige vorstellen, die eventuell dabei helfen, „Wahrheiten“ zu Gedanken werden zu lassen.

    Geben sie ihrem Verstand einen Namen

    Nennen sie ihren Verstand Horst oder Egon, vielleicht auch Manfred. „Manfred denkt, dass mein Nachbar mich hasst.“ Klingt doch schon ganz anders. Er darf auch Honk heißen oder Sie weisen ihm verschiedene Rollen zu wie: Körperklaus, Grübelgünter, der Dalai Drama, wortkarger Wolfram oder Ariana Aggro. Sie können so gleich schon ein wenig sortieren, woher der Gedanke kommt.

    Sortieren sie ihre Gedanken

    Manchmal hilft es Gedanken zu kategorisieren. Schreiben sie ihre Gedanken auf, basteln Sie sich ein paar Boxen und beschriften Sie sie: hilfreich, belastend, idiotisch, genial, möchte ich behalten, möchte ich verlieren, möchte ich weitergeben. Sie können ihre Kategorien beliebig wählen, sie können eventuell auch nach Farben oder Wetterbeschreibungen sortieren.

    Sie können auch eine Hitliste ihrer Gedanken erstellen. Denken Sie sich den Namen des Interpreten und den Titel des Liedes aus, die die Gedanken betreffend beschreiben und sortieren Sie sie nach ihrer Intensität? Wer steht ganz oben in den Gedankencharts diese Woche?

    Schreiben sie Gedanken auf kleine Zettel. Legen Sie sich um sie aus. Was liegt vor Ihnen, was hinter Ihnen. Wo wollen Sie die Gedanken lieber hinlegen. Stimmt die Position der Gedanken? Sollten andere Gedanken dazukommen? Wenn ja wohin?

    Visualisieren Sie ihre Gedanken

    Schreiben sie Ihre Gedanken auf, malen Sie sie. Hängen Sie sie sichtbar auf. Führen sie Tagebuch und blättern sie ab und zu durch ihre Vergangenheit. Verfassen sie ein Gedicht über den Gedanken. Oder schreiben sie einfach brutal ehrlich ihre Gedanken nieder, legen sie sie beiseite und lesen sie die Gedanken einen Tag später langsam und laut.

    Ersetzen Sie ihre „abers“ durch „unds“

    Wer abert der labert. Immer wenn sie einen Aber-Satz benutzen, löschen sie den ersten Teil des Satzes, wenn sie ein Aber benutzen. „Ich würde gerne einen Vortrag halten, aber ich habe Angst.“Das klingt ganz anders als: Ich würde gerne einen Vortrag halten und habe Angst. Das Und schließt nicht aus, sondern integriert die Empfindung. Ein Handeln ist trotzdem möglich.

    Verfremdungstechniken

    Gerade dann, wenn Gedanken gleichzeitig eine emotionale Qualität haben, kann es sehr hilfreich sein, sie zu verzerren und zu verfremden, so dass sich emotionale Empfindung durch das Verzerren verändert. Häufig werden die eigenen Gedanken dann als weniger bedrohlich wahrgenommen.

    Externalisierungstechniken

    Setzen sie sich einen Papageien auf die Schulter, lassen Sie ihn ihre Gedanken sprechen. Sie können sich auch gerne ein Teufelchen auf den Kopf setzen, der ihnen wenig hilfreiche Gedanken zuflüstert. Sie können sich auch die Personen vorstellen, die ihnen solche Gedanken „eingetrichtert“ haben.

    Verzerrungstechniken

    Es gibt viele Möglichkeiten Gedanken zu verzerren. Sprechen sie die Gedanken gaaaaaaanz laaaaaaaaaaangsaaaaaaaaaaam auuuuuuuus. Oder ganz schnell und ganz oft hintereinander. Singen sie ihre Gedanken wie ein Opernstar. Sprechen sie wie ein Papagei, benutzen sie einen Dialekt oder imitieren sie eine gewisse Person, die den Gedanken repräsentieren könnte.

    Kontextverzerrung

    Schreiben Sie die Geschichte ihrer Gedanken um! Der König des Nachbarreiches Stephano von Spießburg bemerkte, dass an den Grenzen Ihres Nachbarreiches die meuchelmördrige Stinkwurz wächst und fürchtet, dass seine reichen, gepflegten Felder zu einer giftdurchtränkten Bedrohung werden. Er denkt daher über Strategien nach, wie er Sie zusammen mit König Torben von Tonnenwacht unterwerfen kann, um Ihr Reich aufzuteilen und so einer rechtmäßigen Ordnung zu unterwerfen.

    Letztendlich gibt es viele Möglichkeiten seinen Gedanken die Bedrohlichkeit zu nehmen. Probieren Sie einiges aus und schauen Sie, was zu Ihnen passt! Defusion ist ein aktiver Prozess, werden sie wieder Herr über ihre Gedanken.

  • Achtsamkeit

    Bei der Achtsamkeit geht es um die Anwesenheit im Hier und Jetzt. Sowohl der fortwährende Blick in die Zukunft, als auch das Haftenbleiben in der Vergangenheit entfernen und entfremden uns vom Leben in der Gegenwart. Achtsamkeit ist einer der Faktoren psychischer Flexibilität. Und ja, es ist augenscheinlich: An der Vergangenheit kleben hat häufig mit Trauer oder Reue zu tun. Ein zu hoher Fokus auf Zukunftsfragen hingegen eher mit Ängsten, Anspannung oder Druck.

    Achtsamkeit ist prinzipiell eine Haltung, die theoretisch immer und überall eingenommen werden kann. Mit Achtsamkeit ist prinzipiell eher eine Konzentration nach außen gemeint, wenn man sich im Kontext der Acceptance und Commitment Therapie bewegt. Nach innen gerichtete Aufmerksamkeit entspräche der aktiven Selbstbeobachtung. Durch den Fokus aufs Außen kann man Grübelgedanken, oder Sorgen begegnen, denn wer sich aktiv mit dem Jetzt beschäftigt, wird weder fürs Grübeln, noch für Sorgen Zeit haben.

    Da Achtbarkeit eine Geisteshaltung ist, kann man sie auf alltäglicher Basis trainieren. Diese Haltung kann lebensbestimmend werden, wenn man sie lebt. Folgende Grundregeln können dabei helfen achtsam zu sein:

    • Entschleunige dein Handeln – Du darfst langsam sein
    • Fokussiere dein Handeln – Du darfst dich auf eine Handlung konzentrieren
    • Konzentriere dich auf die Sinne – Du darfst deine Sinne einzeln wahrnehmen
    • Bewerte deine Wahrnehmungen nicht – Du darfst dir die Freiheit nehmen nicht zu bewerten
    • Wenn du in die Zukunft oder in die Vergangenheit gleitest, hole dich zurück – du darfst am Anfang auch mal unkonzentriert sein und dich wieder reorientieren

    Achtsamkeit kann prinzipiell auf verschiedenen Ebenen praktiziert werden. Ich unterscheide in verschiedene Möglichkeiten der Einbettung.

    • Übungspraktiken der Achtsamkeit
    • Alltagspraktische Achtsamkeit
    • Ritualisierte Achtsamkeit
    • Imaginierte Achtsamkeit

    Ich werde im folgenden erläutern, was ich mit den einzelnen Formen der Achtsamkeit meine. Sie sind eine von mir frei gewählte Einteilung.

    Achtsamkeitsübungen

    Achtsamkeitsübungen können gerade am Anfang der Therapie dabei helfen das Konzept des achtsamen Handelns zu verinnerlichen. Es gibt verschiedene Achtsamkeitsübungen. Ich stelle sie nacheinander vor. Wenn es dir mal nicht gelingt die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten ärgere dich nicht, und lenke sie zurück auf die Wahrnehmung.

    Fokussierte Wahrnehmung

    Geh hinaus aus deiner Wohnung und begib dich an einen bestimmten Ort. Finde dich an einem Platz deiner Wahl ein, nimm Platz und fokussiere dich auf deine Atmung, Schließe deine Augen. Konzentriere dich auf alles was du hörst. Woher kommen die Geräusche? Wie weit sind sie entfernt? Aus welcher Richtung kommen die Geräusche? Wie klingen die Geräusche? Hell? Dumpf? Tief? Klar? Bewegen sich die Geräusche? Schnalze einmal mit der Zunge und achte auf das Geräusch!

    Lasse die Augen geschlossen. Bleibe in deiner Atmung fokussiert und konzentriere dich nun auf deine Tastempfindungen.

    Konzentriere dich dann auf alles, was du über deine Haut wahrnehmen kannst. Was spürst du auf deiner Haut? Wo spürst du Druck- und Berührungspunkte? Wie warm oder kalt ist es? Weht ein Wind? Ist es trocken oder feucht? Spürst du irgendwo ein Kitzeln? Druck? Berührung? Spürst du Schmuck? Deine Kleidung? Accesscoires? Wie fühlen sich diese Dinge an? Berühre ein Objekt oder einen Gegenstand und nimm konkret die Oberfläche wahr!

    Konzentriere dich nun auf alles, was du über deine Geruchswahrnehmung entdecken kannst.

    Was riechst du? Wo hast du die Gerüche schon einmal wahrgenommen? An was erinnern sie dich? Nimm dir die Zeit und atme tief ein und aus.

    Du kannst dich nun auf deine visuelle Wahrnehmung konzentrieren. Öffne wieder die Augen. Suche dir einen entspannten Punkt in der Ferne. Welche Farben und Formen kannst du entdecken? Kannst du Bewegungen wahrnehmen? Wie hell oder dunkel ist es gerade? Sind Licht und Schatten erkennbar? Verändert sich die Sättigung der Farben vom Horizont in den Vordergrund?

    Versuche nun alle Sinne auf einmal wahrzunehmen. Wie verändert sich deine Wahrnehmung? Du darfst dich nun wieder langsam in den Autopiloten begeben, wenn du magst oder du bleibst noch ein Weilchen achtsam.

    https://www.youtube.com/watch?v=IEBucBUUBQM&t=18s

    Wer suchet, der findet – Aufgabenbezogene Achtsamkeit

    Achtsamkeit kann wunderbar durch gezielte Wahrnehmung hevorgerufen werden. Vor allem in Paniksituationen oder bei erhöhter Grübelneigung kann es sinnvoll sein, sich aus der eigenen Nabelschau zu befreien. Geht es darum seine Aufmerksamkeit aus der Selbstbeobachtung ins Außen zu bringen, kann es hilfreich sein seiner Wahrnehmung Aufgaben zu stellen:

    • Finde vier rechteckige / dreieckige / runde / elliptische Objekte im Raum.
    • Was ist das leiseste Geräusch, dass du im Moment wahrnehmen kannst?
    • Finde 5 blaue / grüne / rote / gelbe /… Gegenstände.
    • Welche Menschen in der Umgebung haben farbige Schnürsenkel/ große Nasen/ bunte Hosen?
    • Mit welchem Tier haben die Menschen, die mir begegnen, Ähnlichkeit?
    • Finde etwas Spitzes/ Rauhes/ Flauschiges/ Kaltes / Warmes.
    • Fahre auf einem anderen Weg nach Hause als sonst.
    • Besorge etwas Bitteres / Saures / Scharfes.

    Dies sind nur ein paar Beispiele, für Aufgaben, die man an seine eigene Achtsamkeit stellen kann. Welche fallen Ihnen noch so ein?

    Achtsamkeit in der Alltagspraxis

    Da Achtsamkeit eine Haltung ist, die theoretisch immer und überall trainiert werden kann, macht es Sinn auch alltägliche Verrichtungen einzubeziehen und sich dabei in Achtsamekeit zu üben. Hier sind alltägliche Dinge, die Sie achtsam oder nicht achtsam tun können. Kurzer Backlash: Eine Sache auf einmal. Langsam und konzentriert. Wahrnehmungen nicht werten. Auf einzelne Sinne konzentrieren. Probier doch mal folgende Dinge achtsam zu verrichten. Wähle pro Tag ein anderes aus, was du achtsam probierst.

    • Duschen / Zähne putzen / Ankleiden
    • Kochen / Heißgetränke zubereiten
    • Mül rausbringen / Abwaschen / putzen
    • Essen / trinken
    • Spazieren gehen / Rad fahren
    • Eine Mail / Whatsapp schreiben

    Durch die Rotation kann es einfacher fallen bei der Stange zu bleiben. Einfach ausprobieren!

    Ritualisierte Achtsamkeit

    Es kann nicht schaden sich ein Hobby zu suchen, das Achtsamkeit erfordert. Dies kann sich ganz unterschiedlich gestalten. Ich persönlich spiele gerne Kubb. Das erfordert Präzision, Konzentration, Körperwahrnehmung: kurz Achtsamkeit. Beim Spiel merkt man sofort, wenn man zu ergebnis- oder zielorientiert wird – In der Regel versaut man dann seine Würfe. Viele meiner Patienten golfen. Auch hier wird sofort deutlich, wenn Sie sich mit Dingen beschäftigen, die nicht im Hier und Jetzt liegen.

    Wenn möglich integriere ich Teezeremonien in meine sozialen Events oder meine Therapien. Die Konzentration auf die Handhabung der Gaiwan (Braugefäß), die Gerüche und Qualitätswandel beim Aufguss, die Haptik der Keramik, das belebende Koffeein, die Farbe des aufquellenden Tees orientieren sowohl mich als auch meine Patienten im Hier und Jetzt. Auch ein verpatzter Aufguss, der sehr herb oder bitter geworden ist, kann einem eine starke Orientierung im Hier und Jetzt geben.

    Welche Dinge eignen sich in deinem Leben für eine achtsame Ausführung? Welche dieser Dinge könntest du gut ritualisieren und in den alltäglichen Tagesablauf integrieren?

    Imaginierte Achtsamkeit – Achtsamkeit in sensu

    Da Achtsamkeit eine Haltung ist, kann sie auch im Geiste trainiert werden. Es geht im Wesentlichen darum, sich komplett auf eine Situation einzulassen, sich ausschließlich auf diese Situation zu konzentrieren. Hierzu kann man sich zum Beispiel Alltagshandlungen vergegenwärtigen und versuchen sie so genau und präzise wie möglich mit allen Sinneseindrücken zu reproduzieren und vor das innere Auge zu holen. Am sinnvollsten ist es, sich eine Situation zu rekonstruieren, die man sehr genau kennt.

    Sicherer Ort – achtsamkeitsbasiert

    Stell dir einen Ort vor, an dem du dich in deiner Kindheit immer sicher, wohl und geborgen gefühlt hast. Begib dich im Geiste dorthin. Schau dich um. Was siehst du vor dir? Welche Dinge siehst du zu deiner rechten? Was erblickst du zu deiner linken? Welche Eindrücke hast du, wenn du nach unten schaust? Was begegnet dir, wenn du nach oben blickst?

    Welche Dinge erkennst du in der Ferne? Was in der Nähe? Welche Farben und Formen kannst du erkennen? Welche Glanzpunkte und Schatten? Dreh dich vor deinem inneren Auge noch einmal ganz langsam im Kreis und versuche Einzelheiten zu erkennen, die sich um dich herum befinden.

    Schließe in deiner Vorstellung nun die Augen. Was kannst du hören? Sind die Klänge und Geräusche nah oder fern? Bewegen sie sich? Sind sie tief oder hoch? Dumpf oder klar? Wie klingen die Geräusche und Klänge im Verhältnis zueinander?

    Welche Wahrnehmungen hast du über deine Haut? Ist es warm oder kalt? Ist es feucht oder trocken? Spürst du Wind? Wie fühlt sich deine Kleidung an? Kannst du Schmuck oder Accessoires spüren? Was spürst du im Gesicht? Wie fühlen sich deine Handflächen an? Was spürst du an den Fußsohlen?

    Nimm vor deinem geistigen Auge einen tiefen Atemzug und versuche die Gerüche an diesem Ort wahrzunehmen. An welche Aromen erinnern sie dich? Welche Orte kommen dir in den Sinn die ähnlich riechen? Gibt es Erinnerungen, die durch den Geruch auftauchen?

    Alltagshandlung – achtsame Rekonstruktion

    Hier möchte ich beispielhaft zeigen, wie eine achtsame Rekonstruktion einer Alltagshandlung aussehen kann. Es soll verdeutlichen, was wir im Alltag häufig nicht wahrnehmen, weil wir nicht bei der Sache sind, sondern im Geiste schon mit anderen Dingen beschäftigt sind. Schauen wir uns an, wie ich Tee zubereite.

    Ich betrete die Küche: Sie ist hell und warm und ich höre Straßengeräusche, Unterhaltungen und Vögel von draußen. Ich nehme den Wasserfilter zur Hand. Der Griff fühlt sich rauh und genoppt an, das Plastik ist warm und fest. Ich öffne den Deckel, der ein wenig klappert. Meine Hand greift an den Wasserhahn, er fühlt sich lauwarm und glatt an. Das Wasser rauscht, man kann das Tröpfeln im Wasserfilter hören. Ich schließe den Wasserhahn mit einem dumpfen Geräusch beim Einrasten in die Ausgangsfunktion.

    Der Wasserfilter tröpfelt weiter vor sich hin. Der Griff der Schranktür fühlt sich geriffelt an. Die Tür qietscht etwas beim Öffnen. Ich greife mir eine Teepackung, sie fühlt sich rauh an, man kann das Etikett auf der Verpackung spüren. Der Aromaverschluss macht ein Geräusch, beim öffnen. Der Tee riecht herb, ein wenig nach Wald und Wiese. Die Teekanne bietet einen etwas unsicheren Griff. Sie ist halbkugelförmig, transparent und das Sieb kleidet die Kanne komplett aus, damit der Tee frei schwimmen kann. Ich schütte etwas Tee in das Sieb. Die Verpackung knistert etwas und der gerollte Tee schlägt klimpernd auf das Sieb.

    Das Tröpfeln im Wasserfilter ist verstummt. Der Wasserkocherdeckel macht ein floppendes Geräusch beim Öffnen. Ich gieße das Wasser in den Wasserkocher, das Plätschern des Wassers wird immer höher, je weiter sich der Behälter füllt. Ich schalte den Kocher ein, er piept einmal. Langsam beginnt man ein Rauschen zu hören, das immer lauter wird und schließlich von einem Blubbern begleitet wird. Es steigt Dampf aus dem Ausguß des Geräts hervor.

    Ich gieße das Wasser in die Kanne, was ein lautes schwungvolles Plätschern hervorruft. Der Tee wird durch das Sieb gewirbelt und legt sich langsam wieder am Siebboden. Langsam aber gemächlich quellen die gerollten Blätter auf und entrollen sich. Die Blattfarbe ist dunkelgrün, der Tee leuchtet in kräftigem Gelb. Der Aufguss riecht sommerlich, nach Blüten und Gras. Ich nehme das Sieb aus der Kanne und stelle es auf einer Schale ab.

    Die Kanne fühlt sich warm an. Ich gieße etwas Tee in die Schale, was mit einem schwappendem Geräusch endet. Das Metallgestell der Kanne klirrt beim Abstellen auf den Tisch. Dampf steigt aus der Schale auf. Das Aroma verbreitet sich im Raum. Die Schale fasst sich rauh und warm an. Der Tee ist heiß an den Lippen. der Geruch erinnert ein wenig an Pflaumen, Blumen und Heu. Er schmeckt leicht süßlich mit einer herben bitteren Beinote. Er fühlt sich warm an.

  • Werte – Leuchttürme des Handelns

    Werte spielen in der Acceptance und Commitment Therapie eine große Rolle. Wir wissen nun, dass es sauberes und schmutziges Leid gibt. Leid wir im Leben eines Menschen unvermeidbar sein (sauberes Leid). Wenn wir es jedoch zulassen, dass wir aufgrund des sauberen Leids unsere Werte und Ziele missachten und versuchen unserer Emotionalität zu entgehen, sprechen wir von schmutzigem Leid. Ein Teil des Leides entsteht dadurch, dass wir mit unseren Gedanken verklebt sind, nicht mehr in uns hineinhorchen, unsere Emotionen nicht mehr wahrnehmen, wir mit unserer Aufmerksamkeit in der Zukunft, in der Vergangenheit und im Woanders sind und zu guter Letzt: nicht mehr wertgemäß Handeln und uns von unseren Werten entfernen.

    Wieso ist Glücklichkeit ein schlechtes Ziel?

    Viele Patienten formulieren als Ziel, dass sie glücklich sein wollen. Glücklichkeit, Glückseligkeit und Zufriedenheit sind der Renner unter den Zielen, die Patienten für das Ende der Therapie äußern. Dieser Wunsch nach Glücklichkeit ist nachvollziehbar. Ich wünsche jedem meiner Patienten das größtmögliche Glück im Leben, und wünsche allen, dass sich vieles glücklich fügt. Als Therapieziel ist Glücklichkeit jedoch miserabel, weil es keine Richtung vorgibt, sich aktiv nur bedingt anstreben lässt und physiologisch ein Zustand ist, der nur vorübergehend bereit gestellt werden kann. Das Problem an Glückseligkeit ist:

    • Glücksempfinden wird auf physiologischer Ebene gegenreguliert und ist kein übedauernder Zustand
    • Glücksempfinden gibt uns keine Richtung des Handelns vor.
    • Es ist mehr Wunsch als Wert.

    Die Idee hinter den Werten ist, dass sie uns auch im Leid ein Leuchtturm sein können. Sie sollen uns einen Weg für unser Handeln leuchten. Werte sollen unser Handeln bestimmten können, auch im Leid. Die Acceptance und Commitment Therapie geht davon aus, dass Leid unvermeidbar ist, wir aber ein erfülltes, bedeutsames, sinnvolles Leben führen können, wenn wir unsere Werte kennen und uns durch unser Handeln darauf hinbewegen.

    Von daher ist die naheliegendste Frage zunächst einmal, was ist für uns wertvoll?

    Klassische Wertematrix

    Wir alle sind mit herkömmlichen Wertüberzeugungen konfrontriert und haben unsere eigene Einstellung zu bestimmten Werten im Laufe unseres Lebens entwickelt. Folgende Werte habe ich nach theoretischen Überlegungen zusammengefasst und für die Arbeit mit meinen Patienten in den Fokus genommen. Folgende Übung soll die klassischen Werte zusammenfassen, die einem am wichtigsten sind.

    Schauen sie sich in Ruhe die Werte an. Kreuzen sie zunächst 20 für Sie bedeutsame Werte an.

    Übertragen sie die zwanzig angekreuzten Werte und suchen Sie sich nochmals erneut die zehn wichtigsten heraus.

    Übertragen Sie die zehn angekreuzten Werte und suchen Sie sich nochmals erneut die fünf wichtigsten heraus.

    Am Ende bleiben die fünf wichtigsten Werte des Patienten übrig. In diesem Fall sind dies:

    • Intimität
    • Weisheit
    • Fairness
    • Idealismus
    • Humor

    Mit diesen klassischen Werten, haben wir immer noch keine Handlungsorientierung. Wir wissen noch nicht, in welche Richtung wir unser Handeln auf diese Weise ausrichten wollen. ACT hat daher eine andere Form Werte zu formulieren.

    ACT-Werte

    Wie werden Werte in ACT formuliert? Im Wesentlichen geht es darum, dass ein ACT-Wert folgende Fragen beantworten kann:

    • Was liegt Dir am Herzen?
    • Wofür soll Dein Leben stehen?
    • Worauf willst Du Zeit und Energie verwenden?

    Ein ACT-Wert fragt also immer nach Handlungen. Wie kann man die oben genannten klassischen Werte übersetzen? Das kann davon abhängen, wie man die jeweiligen Werte genauer versteht. In einem ACT-Wert wird eine Handlung bereits implementiert. Hier ein paar Beispiele:

    • Intimität
      • Offene Gespräche mit Freunden führen
      • Zweisame Momente mit dem Partner realisieren
      • Sexuelle Begegnungen genießen
    • Weisheit
      • Negatives Feedback von anderen ernst nehmen
      • Bei Entscheidungen auf die eigenen Emotionen achten
      • Unangenehme Wahrheiten integrieren
    • Fairness
      • Gleiche Maßstäbe an allen Stellen verwenden
      • Menschen freundlich entgegenzutreten
      • Sich selbst nicht anders als andere behandeln
    • Idealismus
      • Sich für erneuerbare Energien einsetzen
      • Petitionen für mehr soziale Gerechtigkeit organisieren
      • Sich in einem Tierheim/ bei der Tafel engagieren
    • Humor
      • Über sich selbst Witze machen
      • Gemeinsam mit anderen lachen
      • Ernste Dinge gelassen nehmen

    Ein klassischer Wert kann also in sehr unterschiedliche ACT-Werte umgewandelt werden. Wie man den jeweiligen Wert umsetzt und was genau einem wichtig ist, kann man sehr unterschiedlich auslegen und ausleben. Umso konkreter dies gefasst wird, umso eher kann unser Handeln durch Werte energetisiert werden.

    Vom ACT-Wert zur Handlung

    Schauen wir uns nun genauer an, wie wir vom ACT-Wert zu Handlungen kommen. ACT-Werte sind zwar schon als Handlungen konzipiert, jedoch bedarf es häufig weiterer Ziele und Unterziele. Es kann sein, dass sich der Zielerreichung bestimmte Barrieren in den Weg stellen. Es ist sinnvoll diese im Vorfeld schon zu benennen und Copingstrategien zu entwickeln.

    So können aus allgemein formulierten Werten, Aktivitätsfelder für ein reichhaltiges, sinnvolles Leben erschaffen werden. Die Berücksichtigung von Barrieren, soll es ermöglichen, dass man auf Rückschläge vorbereitet ist und sich bereits Lösungsstrategien zurechtgelegt hat. Diese können, müssen aber nicht zwingend ACT-bezogen sein.

  • Lass uns implizit werden

    Motive spielen in unserem Leben eine große Rolle. Sie geben unseren Handlungen Richtung, sie schüren Leidenschaft, Freude, sie nähren unsere Hoffnungen, Wünsche, Ziele und auch Ängste – sichtbar wie unsichtbar. Wenn man uns nach den Motiven unseres Handelns fragt, können wir häufig sagen, wohin wir wollen, was uns wichtig ist und wieso etwas für uns von Bedeutung ist. Diese Motive, die wir verbalisieren können werden explizite Motive genannt. Man könnte auch sagen „Kopf-Motive“. Welche Rolle spielen implizite Motive in der Psychotherapie?

    Es gibt jedoch auch Motivstrukturen, die sich der Verbalisierung entziehen. Es gibt vorbewusste oder unbewusste Motive, die wir nicht kennen. Sie können, müssen aber nicht deckungsgleich mit unseren expliziten Motiven sein. Sie sind früh erworben, möglicherweise auch genetisch bedingt. Diese impliziten Motive sind uns häufig nicht bewusst – regulieren jedoch maßgeblich das Handeln. Man könnte sie auch „Herz-Motive“ nennen.

    Wie unterscheiden sich explizite und implizite Motive?

    Mc Clelland und Kollegen (1989) beschrieben schon vor langem die grundlegenenden Unterschiede zwischen expliziten und impliziten Motiven. Beide Motivlagen müssen nicht gleich gestaltet sein. Dieses Problem kennen wir umgangssprachlich, wenn Menschen sagen, dass Kopf und Herz nicht zusammenpassen oder gegeneinander arbeiten.

    Implizite Motive sind früh erworben, haben eventuell auch genetische Ursachen, sind begrenzt auf weniger Motive. Sie werden vorsprachlich erworben. Sie sind unbewusst und äußern sich in spontanem und intuitivem Verhalten, sie werden mit projektiven Verfahren gemessen.

    Explizite Motive sind auf kognitiver verbaler Grundlage. Prinzipiell sind unendlich viele explizite Ziele möglich. Sie werden sprachlich erworben, werden also erst im späteren Entwicklungsverlauf bedeutsam. Sie äußern sich in bewusstem und geplantem Verhalten und werden mit Fragebogen gemessen.

    Bisher wissen wir nur, dass wir „Kopf“- und „Herz“-Motive haben. Die meisten Menschen wissen jedoch nicht, wie ihre unbewussten Motive ausgeprägt sind. Dies kann dann problematisch werden, wenn die expliziten und impliziten Motive nicht in Einklang miteinander stehen. Prinzipiell sind drei verschiedene Konstellationen denkbar, wie implizite und explizite Motive miteinander kongruieren.

    Hagemeyer und Kollegen (2012) haben die Passung expliziter und impliziter Motive untersucht.

    • Typ1 Inkongruenz (Implizit niedrig / Explizit hoch) Hierbei kommt es zu Motivkonflikten zwischen bewussten und unbewussten motiven. Die Verfolgung expliziter Ziele wird nicht von impliziten Motiven unterstützt. Zielfokus wird schwächer und Zielerreichung als weniger belohnend erlebt.
    • Hohe Kongruenz (Implizit hoch / Explizit hoch) Das ist die ideale Konstellation. Die Kapazitäten beider Motivsysteme arbeiten harmonisch zusammen. Zielfokus ist hoch und Zielerreichung wird als belohnend erlebt.
    • Niedrige Kongruenz (Implizit niedrig / Explizit niedrig) Die schwache Motivausprägung ist kongruent, es gibt keinen Motivkonflikt, Zielfokus ist sehr schwach und eine Zielerreichung wird nicht als belohnend erlebt.
    • Typ2 Inkongruenz (Implizit hoch / Explizit niedrig) Es gibt einen Motivkonflikt. Die implizite Motivation ist nicht unterstützt von expliziten Zielenverfolgungen. Dies könnte zu einer Frustration des impliziten Motivs führen.

    Welche Motive gibt es?

    Phillip Alsleben (2008) ergänzte die drei bekannten Basismotive Anschluss, Leistung und Macht um ein viertes Basismotiv: Das Freiheitsmotiv.

    Das Anschlussmotiv

    Beim Anschlussmotiv geht es um die Aufrechterhaltung und Vertiefung von Vertrautheit und wechselseitigem Austausch. In reinster Form geht es hierbei um den Austausch von Gefühlen. Es umfasst ebenso geselligen Kontakt und den Wunsch nach freudsamen Begegnungen. Es kann auch umfassen, die Beziehung zu jemandem zu klären, sofern ein Misstrauen besteht. Auch das Finden von Anschluss in neuen Umgebungen oder Situationen der Unsicherheit spielt hierbei eine Rolle. Eine Frustration des Bedürfnisses erkennt man an Traurigkeit, Einsamkeit, dem Gefühl im Stich gelassen worden zu sein.

    Das Leistungsmotiv

    Beim Leistungsmotiv geht es darum ein Objekt in Richtung eines Gütemaßstabs zu verändern oder zu verbessern. Es geht darum ein Ziel zu erreichen durch körperliche oder geistige Anstrengung. In der reinsten Form geht es um Flowerleben und dem Aufgehen in der Tätigkeit. Es geht auch darum innere Gütemaßstäbe zu erreichen, in Teams zusammenzuarbeiten, oder persönliche Herausforderungen zu meistern. Es kann auch darum gehen mit anderen zu wetteifern und besser sein zu wollen als andere. Im schlimmsten Falle kommen Gefühle von Hilflosigkeit oder Angst auf, weil man es nicht schafft eine Leistung wie gewünscht zu erbringen.

    Das Machtmotiv

    Beim Machtmotiv geht es darum. dass eine Person einen Einfluss auf eine andere Person ausübt. In seiner reinsten Form geht es beim Machtmotiv darum anderen zu helfen, sie in ihrem Handeln zu bestärken und sie zu leiten. Es kann auch bedeuten andere für etwas zu begeistern, sie zu führen, sie mitzureißen. Es bedeutet auch sich gegen andere zu behaupten. Unter Umständen wird man anderen Druck machen müssen, um seine Ziele zu erreichen. Ist das Machtmotiv frustriert, kann es zu Ohnmachtempfinden kommen.

    Das Freiheitsmotiv

    Beim Freiheitsmotiv geht es darum, dass freie Selbstsein auf verschiedenen Ebenen zu empfinden. In seiner reinsten Form geht es darum sich zu öffnen, zu offenbahren und Freude an neuen Erfahrungen zu machen. Es umfasst auch, das eigenen Leben zu genießen und für sich sein zu können. Es umfasst den Stolz und Anerkennung, die von außen heran getragen werden, als auch das innere Bedürfnis nach Selbstwachstum. Selbstwachstum bedeutet, dass negative Aspekte reguliert und integriert werden können. Unter ungünstigen Bedingungen kann dies bedeuten sich selbst zu schützen. Im schlimmsten Fall wird dies als Selbstentwertung – als Kränkung empfunden.

    Wechselspiel Herz, Hand, Kopf

    Kehr (2004) hat sich Gedanken darüber gemacht, wie Hand (grün), Herz (rot) und Kopf (blau) zusammenhängen. Wie oben schon ersichtlich, kommt es zu Komplikationen, wenn implizite Motive und Explizite Motive nicht überlappen. Doch schauen wir uns das genauer an.

    Implizite Motive äußern sich eher in Handlungsimpulsen und Spontanverhalten. Explizite Motive zeigen sich eher in Handlungsplänen und bewussten Vorhaben. Bei den Handlungsfertigkeiten geht es um die Frage, ob die notwendigen Skills vorhanden sind, um ein Ziel zu erreichen. Aus der Grafik werden drei Dinge erkennbar.

    • Wenn Kopf und Herz nicht kongruent sind, die Handlungskompetenzen vorhanden sind, wird es Willenskraft brauchen um an einem Ziel zu arbeiten.
    • Wenn Kopf und Herz kongruent sind Handlungskompetenzen allerdings noch nicht vorhanden sind, wird Problemlösen notwendig werden.
    • Sofern Hand, Herz und Kopf kongruent sind, kommt es zu Flowerleben: Wir sind intrinsisch und extrinsisch motiviert, und wissen wir an der Zielerreichung arbeiten können.

    Implizite Motive in der Therapie

    Durch die Auseinandersetzung mit Kehr (2004) wird schnell klar, welche Handlungsfelder sich durch implizite Motive in der Psychotherapie ergeben können. Da implizite Motive häufig nicht bewusst sind, kann es helfen die expliziten und die impliziten Motive anzunähern, indem man sie misst und vergegenwärtigt. Denn: Explizite Motive sind erworben, sind kognitiv repräsentiert und können demnach bearbeitet und verändert werden – bei impliziten Motiven ist das nicht wirklich möglich. Daher ist es sehr hilfreich zu schauen, wann Motive in Kongruenz gehen, und wann nicht.

    Klienten finden sich häufig immer wieder in der Situation wieder, wo sie Ziele erreichen, und sie den Erfolg gar nicht so sehr genießen können, oder aber sie würden sich gerne verändern, wissen aber nicht wie und sind daher langfristig unzufrieden und fühlen sich von sich selbst entfremdet.

  • Psychische Flexibilität

    Die meisten psychischen Störungen gehen mit einer bestimmten psychischen Rigidiät einher, die die Verhaltensoptionen eines Menschen erheblich einschränken. Die Acceptance und Commitment Therapie nach Steven Hayes, beschreibt sechs grundlegende Faktoren für psychische Flexibilität. Doch erst einmal schauen wir, was als grundlegender Mechanismus für die Entstehung der meisten psychischen Störungen angenommen wird.

    Bezugsrahmentheorie

    Ganz grob vereinfacht besagt die Bezugsrahmentheorie, dass der Mensch dazu in der Lage ist verschiedene Reize miteinander in Beziehung zu setzen. Er wird diese Informationen, die er miteinanderverknüpft, dazu nutzen, Hypothesen über die Wirklichkeit zu generieren. Diese werden maßgeblichen Einfluss auf sein Handeln nehmen. Damit kann das Wissen um ein Ursache-Wirkungsproblem auf einen anderen Kontext angewandt werden. Dies ist gleichzeitig Fluch und Segen: Durch die Generalisierung sind wir adaptiver in der Problemlösung und es gelingt uns besser die Zukunft zu prognostizieren. Wir können aber auch fiktive Beziehungen herstellen, die weder wahrheitsfähig, noch wahrheitsplfichtig sind.

    Wir alle kennen Einhörner. Das sind Pferde mit einem Horn. Wir können uns problemlos grün-pink gestreifte Einhörner mit Glitzermähne auf Rollschuhen vorstellen, obwohl wir sie nie gesehen haben. Leider stellen wir uns auch vor, dass unser Nachbar uns nicht mag, weil er vergessen hat uns zu grüßen, oder dass unsere Freundin uns verlassen will, weil sie gerade gedankenverloren vor sich hinblickt. Kurz: Menschen sind schwachsinnsproduzierende Maschinen.

    Wir produzieren von morgens bis abends Schwachsinn. Gedanken, die weder warheitsfähig noch wahrheitsplfichtig sind und wir nehmen sie ernst – zu ernst. Die Acceptance und Commiment Therapie setzt genau hier an. Ihr Ziel ist im Wesentlichen uns wertegeleitetes Handeln zu ermöglichen, obwohl wir gerade Dinge erleben die belastend sind, weil unser Gehirn Grütze produziert.

    Das Hexaflex – Psychische Flexibilität in sechs Faktoren

    Die grundlegenden Faktoren des Hexaflex sind Achtsamkeit, Akzeptanz, Defusion, Beobachterselbst, Werte und Handeln. Diese Moderatoren der psychischen Flexibilität bestimmen, wie gut wir es schaffen mit psychischen Belastungen umzugehen.

    Achtsamkeit

    Mit Achtsamkeit ist die Fähigkeit gemeint, seine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zu lenken. Viele Störungen sind damit verknüpft, dass man sich Gedanklich in der Zukunft oder der Vergangenheit befindet. Depressionen gehen häufig damit einher, dass man an negativen Gedanken und Ereignissen festhält, die man in der Vergangenheit erlebt hat. Ängste und Sorgen sind damit verknüpft, dass man zukünftige Horrorszenarien entwickelt.

    »Wenn Sie vor einer Tür stehen und warten, stehen Sie vor einer Tür und warten. Wenn Sie sich mit Ihrer Frau streiten, streiten Sie sich mit Ihrer Frau. Das ist Achtsamkeit. Wenn Sie vor einer Tür stehen und warten und die Wartezeit dazu nutzen, sich in Gedanken zusätzlich noch mit Ihrer Frau zu streiten – dann ist das nicht Achtsamkeit. Dann ist das einfach nur blöde.«

    Karsten Dusse – Achtsam morden

    Achtsamkeit ist im Wesentlichen eine Geisteshaltung, die im alltäglichen Leben angewandt werden kann. Im Wesentlichen geht es darum, sich im Moment zu befinden und sich ausschließlich auf diesen zu konzentrieren. Es gibt Achtsamkeitsübungen die dabei helfen können, in diesen Zustand zu kommen. Genuss-, und Wahrnehmungsübungen können helfen achtsamer zu werden. Auch Progressive Muskelrelaxation ist etwas, was die Achtsamkeit schult.

    Letztendlich kann jede alltägliche Sache achtsam vollführt werden, wenn man folgende Dinge berücksichtigt:

    • Sei bei der Tätigkeit nicht bei dem Ergebnis der Tätigkeit
    • Nimm dir die Zeit, die du brauchst
    • Tu nur diese Sache und nichts anderes
    • Achte auf deine Sinne: Was siehst du, was hörst du, was spürst du (seltener: was riechst / schmeckst du?)
    • Bewerte deine Wahrnehmungen nicht

    Auf diese Weise kann Achtsamkeit in den Alltag integriert werden, indem man einfach den Modus ändert, in dem man Dinge tut. Häufig wird man so außerdem schneller und effizienter, weil man sich nicht so schnell in Nebensächlichkeiten verliert oder unnötigerweise die Aufmerksamkeit zwischen verschiednene Tasks hin- und herschaltet.

    Akzeptanz

    Akzeptanz gehört zu den „dicksten Brettern“ in der Psychotherapie. Viele Störungen verschlimmern sich durch mangelnde Akzeptanz. Die meisten negativen Zustände intensivieren sich, sofern man sie nicht akzeptiert und versucht gegen sie anzukämpfen. Angsterkrankungen eskalieren förmlich durch fehlende Akzeptanz. Keine Angst haben zu wollen, führt zur Angst vor der Angst und damit kann aus einer herkömmlichen Angst eine hausgemachte Panikstörung werden.

    Ich unterscheide Akzeptanz in zwei verschiedene Stufen:

    Die Akzeptanz des Faktischen

    Manchmal geht es einfach darum eine Tatsache zu akzeptieren. Dies fällt vielen Menschen schwer. Bei Trennungen ist es häufig so, dass die Betroffenen zunächst nicht den Fakt akzeptieren können, dass man sein Leben nicht wie gewohnt teilt. Auch im Todesfall muss erst einmal realisiert und akzeptiert werden, dass eine Person nicht mehr unter den Lebenden weilt. Dies ist häufig schon eine schwierige Aufgabe, ist jedoch der leichtere Teil der Akzeptanzarbeit.

    Emotionale Akzeptanz

    Nachdem tatsächliche Fakten integriert wurden, gerät die eigene Befindlichkeit in den Fokus. Wenn wir beim Trennungsbeispiel bleiben, könnte jemand sich nicht zugestehen traurig oder niedergeschlagen zu sein, weil er stark und lebensfroh sein möchte. Diese Emotionale Vermeidung stört jedoch die Emotionsverarbeitung, das erlebte wird nicht integriert und letztendlich werden sich die negativen Emotionen ständig reaktualisieren. Schmeißen wir die Angst, die Wut, die Trauer vor die Tür, werden sie anklopfen – und das wahrscheinlich nicht leise.

    Hier wird deutlich wie wichtig Akzeptanz für die psychische Gesundheit ist: Einerseits müssen wir fakten anerkennen, die wir nicht ändern können. Zweitens müssen wir auch unsere Emotionen anerkennen – Sie lassen sich auf direktem Wege ohnehin nicht ändern.

    Defusion

    Wie oben beschrieben, sind Menschen schwachsinnsgenerierende Maschinen. Mindestens 90% unserer Gedanken sind „Quark“, der nicht wahrheitsfähig oder wahrheitspflichtig ist. Wir selbst können jedoch im Rahmen bestimmter Grenzen entscheiden, ob wir:

    • den Gedanken akzeptieren oder nicht
    • uns an dem Gedanken festhalten oder nicht
    • wir den Gedanken ziehen lassen oder nicht
    • wir den Gedanken in seiner Qualität verändern
    • wir den Gedanken einordnen oder nicht
    • wir den Gedanken glauben

    Gedanken sind in erster Linie Gedanken und wie mehrfach erwähnt häufig unsinniges Zeug. Viele neigen dazu dies zu glauben und unterwerfen sich damit dem Gedanken. Gedanken sind etwas, wofür man sich nicht verurteilen sollte – Gedanken passieren. Wir integer, moralisch, tugendhaft wir sind, zeigt uns nicht darin, wie wir denken, sondern darin wie wir mit diesen Gedanken umgehen.

    Einige Patienten haben Zwangsgedanken, sie haben Vorstellungen davon anderen etwas anzutun oder unmoralische Dinge zu tun. Wenn sie es jedoch schaffen die Gedanken nicht festzuhalten und ziehen zu lassen, können sie besser mit der Störung umgehen. Wenn sie diesen Gedanken als Zwangsgedanken einordnen, und sich sagen, dass dies „Random Bullshit“ ist, fällt es ebenso einfacher mit dem Gedanken umzugehen.

    Damit Gedanken weniger bedrohlich wirken kann es hilfreich sein, wenn wir Gedanken verzerren, indem wir:

    • Sie wie ein Startenor singen
    • wie ein Papagei sprechen
    • gaaaaaaaaaaaaaaaaaanz laaaaaaaaaaaangsaaaaaaaaaaam spreecheeeeeen
    • oder den Gedanken ganz schnell hintereinander aufsagen

    Eine Praxis kann sehr hilfreich beim Umgang mit den eigenen Gedanken sein. Fragen Sie sich immer: Ist dieser Gedanke hilfreich, um mich in Richtung meiner Werte zu entwickeln? Wenn nein: Gibt es einen Gedanken, der ein klein wenig hilfreicher sein könnte?

    Beobachterselbst: Selbst als Kontext

    Das Selbst wird häufig als das sogenannte Selbstkonzept verstanden. Das Selbstkonzept umfasst Ideen, Einschätzungen, Informationen und Bewertungen unsererselbst. Das Beobachterselbst, kann man fast schon als das komplette Gegenteil des Selbstkonzepts sehen, nämlicher einer momentanen aktuellen Selbstwahrnehmung. Kurz: Was nehme ich im Moment an mir selbst wahr?

    Selbstkonzeptabrufe sind häufig sehr stabil. Häufig helfen sie in der Situation nicht unbedingt dabei Handlungen zu regulieren, vor allem dann nicht, wenn es sich um negative Selbstkonzeptinhalte handelt. Wenn man sich für „dumm“, „unsportlich“, „fies“, „gemein“ oder sons tetwas hält, ist das eine stabilie Selbstzuschreibung. Man hat dann wenig Zutrauen darin diese Eigenschaft ändern zu können.

    Das Beobachterselbst ist immer nur eine Momentaufnahme. „Ich bin müde.“, „Ich habe lange nichts gegessen.“, „Ich habe Lust mich zu bewegen.“ sind momentane Selbstbeobachtungen. Diese können viel leichter in Verhalten transformiert werden. Wenn man müde ist kann man schlafen, oder beim nächsten mal darauf achten ausgeschlafener zu sein. Doch was mache ich nun, wenn ich dumm bin? Gegenfrage: Ist es hilfreich sich ein scheinbar unveränderliches Attribut zu geben? Macht es nicht mehr Sinn, sich auf das zu fokussieren, was man verändern kann?

    Um eine selbstbeobachtende Haltung zu üben kann es sinnvoll sein, sich mehrmals am Tag folgende Fragen zu stellen:

    • Bin ich erschöpft? Müde? Durstig? Hungrig?
    • Welche Emotionen sind gerade präsent?
    • Wie fühlt sich mein Körper momentan an?
    • Was könnte ich gerade tun, damit es mir ein klein wenig besser geht?
    • Möchte ich an dieser Situation etwas ändern? Wenn ja: Was?

    Dies kann helfen, seine Selbstbeobachtung zu aktualisieren. Dies kann zum Beispiel dabei helfen sich nicht über Belastungsgrenzen hinaus zu verausgaben, oder zu viel Zeit mit Dingen zu verbringen die einen nicht fördern oder fordern.

    Prägnanter: Selbstbeobachtung kann uns dabei helfen, dass wir nicht an uns selbst vorbeilaufen.

    Engagiertes Handeln

    Engagiertes Handeln ist zum einen wirksam und zum anderen wertegeleitet. Ohne Werte oder bei Unkenntnis der Werte oder bei konfligierenden Werten wird engagiertes Handeln nur schwer möglich sein. Sofern uns Gesundheit wichtig ist, kann es wichtig sein streng Diät zu halten, um nicht an Gewicht zuzulegen. Andererseits kann es auch für die psychische Gesundheit kurzfristig sinnvoll sein etwas Süßes zu essen, um seine Glukosespeicher wieder aufzufüllen. In diesem Fall kann ein Handeln schon innerhalb eines Wertes unwirksam werden.

    Sofern eine relative Werteklarheit besteht, kann es immernoch geschehen, dass Handlungen unwirksam sind. In der Entwicklung von Menschen passiert es häufig, dass Menschen bestimmte Handlungen vollziehen, welche im weiteren Verlauf unwirksam werden. Aktiv Hilfe zu suchen, kann eine sinnvolle Handlung sein, um Konflikte zu vermeiden, die aufgrund von Missverständnissen oder Fehler auftreten. Bittet man jedoch zu oft um Hilfe oder versichert sich zurück, kann es zu Spannungen kommen, weil die Mitmenschen zunehmend genervt oder gereizt reagieren. Die Strategie wird damit unwirksam, obwohl weiterhin der Wert „harmonische Beziehungen“ zu Grunde liegt.

    Es ist daher sinnvoll sich folgende Fragen hin und wieder zu stellen:

    • Ist mein Handeln von Werten unterfüttert?
    • Kann ich mich auf anderen Wegen in Richtung der Werte bemühen?
    • Bewegt mich das Handeln von anderen Werten weg?
    • Kann mein Handeln zum gewünschten Ergebnis führen?
    • Ist das Handeln gut, oder nur gut gemeint?

    So kann man schnell einen Überblick darüber bekommen, ob das eigene Handeln wirksam und wertgeleitet ist.

    Werte

    Gedanken und Gefühle können wir nur bedingt verändern. Häufig sind wir ihnen ausgeliefert und wollen sie am liebsten direkt ändern, was nur gar nicht oder bedingt funktioniert. Viele Menschen haben daher Ziele wie: Ein glückliches Leben führen, zufrieden zu sein oder nicht mehr traurig zu sein. Kurz: Ziele, die sich unserem direkten Einfluss entziehen. Schlimmer noch: Freude und Glückempfinden sind Zustände, die unser Körper schnell gegenreguliert, weil sie mit einem erhöhtem Erregungsniveau einhergehen.

    In der Akzeptanz und Commitment Therapie wird sauberes und schmutziges Leid unterschieden. Sauberes Leid wird jedem von uns widerfahren. Wir alle werden zu bestimmten Zeitpunkten in unserem Leben traurig, wütend oder verzweifelt sein. Wenn wir mit diesem sauberen Leid nicht sorgsam umgehen, kann es zu schmutzigem Leid werden. Dies kann bedeuten: dass wir mit den schlechten Gedanken verkleben (Fusion), dass wir negative Selbstkonzepte anlegen oder konservieren, wir Fakten oder Emotionen nicht als solche akzeptieren, wir uns in Zukunft oder Vergangenheit flüchten, unsere Werte in Frage stellen oder wider unsere Werte handeln. Kurz gesagt: sauberes Leid + psychische Rigidität = schmutziges Leid.

    Werte sind im Leben unsere Markierungspunkte, unser Kompass, unser Leuchtturm. Wir können unsere Werte frei wählen und können uns entscheiden, sich zu ihnen hin oder von ihnen weg zu bewegen. Werte geben uns die Möglichkeit unser Leben und unser Handeln mit Bedeutung anzureichern und ein erfülltes Leben zu führen. So kann selbst ein leidvolles leben zu einem sinngetragenen Leben werden, sofern man sein Handeln anhand der Werte ausrichtet und wirksam handelt.

    Folgende Fragen sind daher im therapeutischen Verlauf immer wieder sinnvoll:

    • Wofür brenne ich? Wofür begeistere ich mich? Was ist mir wichtig?
    • Bewege ich mich auf meine Werte zu oder von Ihnen weg?
    • Ist das, was ich momentan mache, wichtig für mich?
    • Hilft das, was ich tue mir langfristig dabei meine Werte zu leben?
    • Wofür möchte ich im Leben stehen?
    • Was würde ich tun, wenn niemand gerade zuschaut?

    Diese Fragen können dabei helfen sich wieder auf die Werte auszurichten, bzw. in die Wertklärung zu gehen.

    Psychische Inflexibilität

    Nachdem wir nun überblicksartig gesehen haben, was alles zur psychischen Flexibilität beiträgt, ist es sinnvoll noch einmal zu schauen was langfristig dafür sorgen wird, dass wir nicht flexibel mit psychischen Belastungen umgehen können.

    Psychische Flexibilität

    Beim Blick auf dieses Schaubild, fragen sie sich bitte „Wo hänge ich fest?“. Vermeiden sie negative Emotionen? Sind sie ständig in der Zukunkft oder der Vergangenheit? Können sie sich nicht von Gedanken lösen? Gibt es Anschauungen über sich selbst, die sie am fortkommen hindern? Sind sie sich ihrer Werte bewusst? Und: Schaffen sie es wirksam und wertgeleitet zu handeln?

    Wenn sie merken, dass sie irgendwo „kleben“ konsultieren sie den Therapeuten ihres Vertrauens.

  • Stressregulation Anspannung und Entspannung

    Sowohl Angsterkrankungen, als auch Depression sind stark mit Belastung und Anspannung verbunden. Daher ist es sinnvoll, wenn die biologischen Grundlagen der Anspannung und Entspannung grundlegend geklärt sind. Nur so ist klar, was in Situationen der Hochspannung und der mittleren Anspannung zu tun ist.

    Es gibt zwei hormonelle Gegenspieler. Den Sympathikus und den Parasympathikus. Der erste ist für die Vorbereitung auf Kampf oder Flucht zuständig. Letzterer ist notwendig um den Körper langfrsitig zu erhalten. Überblicksartig wird das hier nachvollziehbar:

    Prinzipiell schließen sich parasymphatische und sympathische Aktivierung aus, oder kurz: Es ist unmöglich zeitgleich angespannt und entspannt zu sein. Dies ist vor allem wichtig, wenn es um den Umgang mit hoher Anspannung und vor allem auch wenn es um Überlegungen darum geht, wie man die Grundanspannung reduzieren kann.

    Wieso versagen Entspannungsverfahren?

    Grundlegend wird die Funktion von Entspannungsverfahren häufig falsch verstanden. Die meisten verwenden sie erst, wenn sie schon in sehr starker Anspannung sind. Genau dann funktionieren die Entspannungsverfahren häufig nicht mehr. Wenn die Anspannung eine gewisse Obergrenze (70%) übersteigt, wird der Sympathikus aktiviert. Das sorgt dafür, dass Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet werden, darüber hinaus steigt die Sauerstoffsättigung im Blut an. Dies lässt sich nur durch Bewegung gegenregulieren. Entspannungsverfahren sind nun nicht mehr wirksam. Entspannungsverfahren bei hoher Anspannung anzuwenden, wird demnach immer zu Frustration führen, Patienten werden bei diesem vorprogrammiertem Misserfolg nur wenig Bereitschaft zeigen langfristig mit Entspannungsverfahren zu arbeiten.

    Bei hoher Anspannung sollten Patienten wissen, dass nur Bewegung helfen kann, diese schnell abzubauen. Ein zügiger Spaziergang oder das Hinauf- und Herablaufen von Treppen, kann schon in relativ kurzer Zeit zu einer Verringerung hoher Anspannung beitragen. Danach, kann dann ein Entspannungsverfahren eingesetzt werden, um die Anspannung weiter zu reduzieren.

    Wie funktioniert es mit der Entspannung?

    Damit Entspannungsverfahren funktionieren, sollte die Grundanspannung immer wieder reduziert werden, bevor es zu einer stark erhöhten Anspannung kommt. Daher sollte die Entspannungsübung idealerweise mehrfach über den Tag erfolgen. Folgendes Schaubild illustriert die ideale Anwendung.

    Wie zu sehen ist, steigt die Anspannung zwar, erreicht jedoch durch die immer wieder angewendeten Entspannungsübungen nie den kritischen Bereich. Würde dieser erreicht werden, müssten Adrenalin, Nordadrenalin, und Cortisol durch Bewegung abgebaut werden, bevor die Entspannungsverfahren wieder greifen. Nochmal: Hohe Anspannungszustände lassen sich nicht durch Entspannungsverfahren korrigieren.

    Ich bevorzuge für meine Patienten die Progressive Muskelrelaxation. Autogenes Training ist gleichermaßen wirksam, vermutlich ebenso achtsamkeitsbasierte verfahren, Bewegungsentspannungsübungen und Meditationsübungen. Der Vorteil an PMR sind die leichte Erlernbarkeit, leichte Anwendbarkeit und die kurze Dauer der Übung (5-10 Minuten).

    Ich empfehle meinen Patienten die Übung immer im Sitzen durchzuführen, so lernen sie sie so, wie sie die Übung überall anwenden können. Wichtig ist, die Einbettung in den Alltag, damit zukünftig hohe Anspannungszustände vermieden werden, die auch schnell zu fehlerhaftem und unüberlegtem Handeln oder Arbeiten führen können.

    Das bedeutet, man sollte auf Instruktionen, Begleitmusik, Wohlfühlathmosphäre ganz bewusst verzichtet, damit man lernt die Übung immer und überall anzuwenden.

    Progressive Muskelrelaxation

    Vermutlich werde ich bald ein Instruktionsvideo für die PMR aufnehmen, bis dahin muss die schriftliche Beschreibung reichen.

    Ablauf der Übung

    Suchen sie sich einen bequemen Platz, an dem sie entspannt sitzen können. Störungsfreiheit ist hilfreich, die Übung kann jedoch prinzipiell auch in Meetings angewandt werden. Schließen sie die Augen (sofern sie allein sind) und konzentrieren Sie sich auf die Atmung. Sprechen sie innerlich laut mit, wenn sie atmen. Wenn sie einatmen, sagen sie innerlich laut Einatmen, wenn sie Ausatmen sagen sie innerlich laut ausatmen. Kommen sie in ihrer Atmung an und beginnen sie danach die einzelnen Muskelgruppen nacheinander anzuspannen und zu entspannen.

    Wenn sie eine Muskelgruppe anspannen, tun sie das so fest wie es geht. Das darf weh tun und zittern. Halten sie die Anspannung für drei Atmenzyklen an (3x einatmen/ausatmen). Hören sie dann auf die Muskel anzuspannen.

    Spüren sie nach, wie sich die Anspannung aus dem Muskel löst, konzentrieren sie sich auf ihre Körperwahrnehmung. Wie verändert sich die Anspannung in den Muskeln. Nehmen Sie sich hierfür mindestens 3 Atemzyklen Zeit (3x einatmen/ ausatmen)

    Arbeiten sie unten genannte Muskelgruppen nacheinander ab. Bei jeder Muskelgruppe beginnen sie mit der Anspannung und Verbleiben in der Entspannung. Achten sie auf die Atemzyklen und sprechen sie beim Atmen innerlich laut mit.

    Haben Sie alle Muskelgruppen absolviert, schüttel Sie sich ein wenig und öffnen sie wieder ihre Augen, sie dürfen das gerne mit einem „Kriegsschrei“ verbinden, damit sie wieder etwas wacher werden, wie z.B.: „Boooyaaah“.

    Muskelgruppen

    Folgende Muskelgruppen empfehle ich zur Durchführung. Natürlich können einzelne Muskelgruppen übersprungen werden. Ich empfehle die Reihenfolge beizubehalten, so dass der Ablauf einfacher eingeprägt werden kann.

    • Fäuste
    • Popeye: Unterarme, Bizeps und Fäuste gleichzeitig anspannen
    • Gesichtsmuskulatur: Alles was man findet, darf/ muss doof aussehen
    • Schultern: Arme hinter die Stuhllehne und Schultern hochziehen
    • Bauchmuskeln
    • Gesäßmuskeln
    • Oberschenkel: Füße nach vorne ausstrecken
    • Unterschenkel und Füße: Fußsohle und Waden anspannen

    Sofern man nicht alleine ist während der Durchführung kann es sinnvoll sein, Muskelgruppen oder Komplexe auszulassen, die sehr auffällig sind in der Durchführung (Popeye, Gesicht).

    https://www.youtube.com/watch?v=QqX72oUtjq8

    Anwendungshinweise

    Einige Teile der Instruktion mögen willkürlich erscheinen, sollten allerdings befolgt werden. Wieso erläutere ich gerne.

    Innerlich laut mitsprechen beim Atmen

    Wieso soll ich bei der Durchführung innerlich laut mitsprechen? Ganz einfach: Wir besitzen eine Arbeitsgedächtnisfunktion, die phonologische Schleife genannt wird. Wir „hören“ viele unserer Gedanken. Wenn wir sprechen, auch innerlich, überschreiben wir die Gedanken, da sie diese Arbeitsgedächtnisfunktion der phonologischen Schleife nutzen. Viele Patienten können sich nur schlecht auf die Übung konzentrieren, weil eigene Gedanken immer wieder „dazwischenfunken“. Dies soll durch das innerlich laute Mitsprechen beim Atmen unterbunden werden.

    Wieso 3 Atemzyklen?

    Auch hier ist die Antwort einfach: Theretisch können es auch gerne 4 oder 5 Atemzyklen sein, wichtig ist primär, dass man die Dauer der Anspannung und Entspannung in Atemzyklen festlegt. Würde man sich eine Zeitdauer als Ziel setzen, müssten man permanent die Zeitdauer prüfen und wäre demnach abgelenkt. Man sollte zudem nicht zu viele Atemzyklen wählen, da man sonst schnell den Überblick verlieren kann, oder womöglich beim mitzählen unachtsam wird und dann unter Anspannung gerät, wenn man etwas „falsch“ macht.

    Wieso drei mal täglich?

    Auch diese Anzahl ist als Faustregel zu sehen. Natürlich kann man häufiger die Übung durchführen, hierfür wird jedoch häufig die Zeit fehlen. Betreibt man die proaktive Entspannung seltener, besteht die Gefahr, dass man über die Anspannungsgrenze (70%) läuft, weil man nicht oft genug korrektiv eingreift.

    Wieso ohne Hilfsmittel?

    Das Verfahren sollte immer und überall angewandt werden können. „Ich hatte keine Yoga-Matte dabei.“, „Ich hatte kein Internet und konnte daher die Instruktion nicht laden.“, „Ich konnte mich nirgends hinlegen.“ und ähnliche Sätze können nur fallen, wenn man sich von Hilfsmitteln abhängig macht. Daher ist es das beste PMR so einfach wie möglich zu lernen, damit es immer und überall angewandt werden kann.

  • Gewaltfreie Selbstreflexion

    Gewaltfreie Kommunikation ist eine formalisierte Form der Kommunikation, die es ermöglicht, so mit anderen zu kommunizieren, dass eine Annäherung möglich ist, auch wenn die Rahmenbedingungen des Gesprächs „kompliziert“ sind. Marshall Rosenberg, war in Bürgerkriegsgebieten als Streitschlichter unterwegs und ist der Erfinder der gewaltfreien Kommunikation. Vielen fällt es schwer gewaltfrei mit anderen zu kommunizieren, noch schwieriger fällt es den meisten, mit sich selbst zu kommunizieren.

    Doch genau diese gewaltfreie Kommunikation mit sich selbst, bietet erst den Schlüssel, um genügend Selbstkenntnis zu sammeln, damit wir mit anderen gewaltfrei kommunizieren können. Daher benutze ich die gewaltfreie Kommunikation in meiner Therapie häufig als Selbstklärungstool. Hiermit verfolge ich mehrere Ziele auf einmal:

    1. Lernen die Patienten sich selbst besser kennen und reflektieren sich
    2. Sie lernen Situationen genauer zu beobachten und nicht sofort in Wertungsmuster zu verfallen
    3. Sie lernen ihre Emotionen kennnen
    4. Sie lernen Bedürfnisse kennen und können sie von Strategien unterscheiden
    5. Sie bereiten sich selbst auf ähnliche Situationen vor
    6. Sie bereiten sich darauf vor, nach außen gewaltfrei zu kommunizieren

    Anlass der gewaltfreien Selbstklärung

    Als Anlass der gewaltfreien Selbstklärung kann jede Situation genommen werden, die in einer negativen Emotion resultierte. Dies kann Ärger über sich selbst sein, Trauer oder Enttäuschung, oder im Falle von somatisierenden Patienten auch Ohrenpfeiffen, Herzholperer oder andere körperliche Erscheinungen, die sich in Belastungssituationen zeigen.

    Sofern es keine aktuelle Situation gibt, die mit solchen Stressfolgen oder Emotionen einhergeht, können auch Situationen gewählt werden, die länger her sind und als sehr prägnant erlebt worden sind.

    Schrittfolge in der gewaltfreien Selbstklärung

    Der Ablauf bei der gewaltfreien Selbstklärung ist der gleiche wie bei der Gewaltfreien Kommunikation. Sie Umfasst vier Schritte, wobei lediglich der letzte entwas modifiziert ist, im Sinne der Selbstklärung. Die vier Schritte:

    1. Beobachtung der Situation
    2. Emotion benennen
    3. Bedürfnis erkennen
    4. Bitte an sich selbst formulieren.

    Daher nenne ich die gewaltfreie Selbstklärung auch „bebben“. Das klingt etwas spritziger und die Patienten können sich die Anfangsbuchstaben der Schritte besser merken. Im Überblick sieht das so aus:

    Beobachtung der Situation

    Der erste Schritt ist manchmal schon der schwerste. Die Situationsbeobachtung erfolgt nur anhand erfahrbarer Sinneseindrücke. Es zählt nur was sichtbar, hörbar, spürbar ist. Es geht darum die Situation zu erfassen, ohne sie zu bewerten, ohne dem Gegenüber Gedanken, Wertungen oder Intentionen zu unterstellen. Denn: Die Gedanken und Intentionen des Gegenübers kennen wir nicht. Gelingt diese Stufe der wertfreien Beobachtung nicht, wird es nicht gelingen die weiteren Stufen sinnvoll auszulesen oder man wird sich in eine Wahnehmungsverzerrung begeben.

    Emotionen benennen

    Viele Patienten haben ernsthafte Probleme damit Emotionen zu benennen. Häufig werden hier dem Gegenüber Intentionen oder Absichten unterstellt, welche die Emotionen umschreiben. Häufig ist es daher am Anfang hilfreich die Emotionsbenennung zu stützen, indem man verschiedene Emotionen anbietet, denen etwas nachgespürt werden kann. Der Wikipediabetrag über Emotionen hilft hier schon weiter:

    Bedürfnisse erkennen

    Emotionen sind „Bedürfnisanzeiger“, wenn wir negative Emotionen empfinden, bedeutet das, dass wir in bestimmten Bedürfnissen frustriert sind. Positive Emotionen empfinden wir, wenn wir Bedürfnisse befriedigen könnten, negative Emotionen hingegen, wenn wir in der Bedürfniserfüllung frustriert werden. Es gibt verschiedenste Bedürfnistaxonomien und -einteilungen. Folgende Bedürfnisse finden sich häufig im therapeutischen Kontext wieder: Sicherheit, Anerkennung, Zuneigung, Kompetenzerleben, Autonomie, Geborgenheit, Selbstwirksamkeit, Stimulation, Privatheit, Ansehen, Freiheit, Anschluss, Nähe, Intimität.

    Strategien vs. Bedürfnisse

    Wichtig ist hierbei Strategien und Bedürfnisse voneinander abzugrenzen, und diese unterscheiden zu können. Häufig äußern Patienten Sätze wie: „Ich hatte das Bedürfnis mit ihm zu reden.“ Hier wird also eine Strategie geäußert, um ein Bedürfnis zu erfüllen, kein Bedürfnis als solches, denn mit jemandem reden ist eine Strategie, die bei völlig verschiedenen Bedürfnissen erfolgreich sein kann. Wenn jemand nicht weiß wie eine Aufgabe zu absolvieren ist, könnte er einen Experten fragen um Selbstwirksamkeit oder Kompetenzerleben damit zu erreichen. Nach einem Streit hingegen könnte damit das frustrierte Bedürfnis nach Nähe und Intimität adressiert werden. Man könnte jedoch auch mit jemandem reden, um ihn zu tadeln oder zu maßregeln, mit dem Ziel Angriffe auf die eigene Autonomie abzuwehren.

    Hilfreiche Strategien

    Die Unterscheidung ist vor allem wichtig, weil Bedürfnisse mit unterschiedlichen Strategien befriedigt werden können. Häufig können Bedürfnisse deswegen nicht befriedigt werden, weil ungünstige Strategien gewählt werden. Die Frage lautet daher auch immer: Kann ich mein Bedürfnis durch andere Strategien in dieser Situation besser befriedigen? Hilfreiche Strategien können eine gute Basis für „die Bitte an sich selbst“ sein.

    Die Bitte an sich selbst

    In der gewaltfreien Kommunikation wird die Bitte an den Gegenüber gerichtet. Da die Selbstklärung primär der Kommunikation mit sich selbst dient, kann die Bitte daher auch nur an sich selbst gestellt werden. Idealerweise hat sie folgende Struktur: Wenn ich wieder einmal in Situation x gerate, werde ich y tun.

    X entspricht dem, was in der Situationsbeobachtung beschrieben wurde. Y entspricht einer hilfreichen Strategie, die es ermöglichen könnte, dass das frustrierte Bedürfnis, bestenfalls doch befriedigt werden kann. Ich werde zum Verständnis ein Beispiel durchdeklinieren:

    B: Als ich mit ihm redete, schaute er weg und sprach mit einem anderen Kollegen. Ich traute mich nicht, noch einmal nachzufragen und musste daher stundenlang das Manual lesen und schließlich den Kundenservice anrufen.

    E: Ich fühlte mich unsicher, weil ich immer noch nicht wusste wie ich die Aufgabe lösen soll.

    B: Kompetenzerleben, Sicherheit

    B: Wenn ich merke, dass ein Kollege nicht antwortet (X), versuche ich jemand anderen zu fragen, der sich mit dem Thema auskennt (Y).

    Durch die gewaltfreie Selbstklärung wird daher auch eine Verhaltensbahnung in ähnlichen Situationen möglich. Im Wenn-Teil wird ein Trigger oder Anker festgelegt, der einen an die Verhaltensintention im Dann-Teil erinnert. Das nennt man Implementierungsintentionen. Dadurch, dass man festgelegt hat wie die Problemsituation aussieht, und was genau zu tun ist, wird die Umsetzung von Verhaltensvorhaben erheblich vereinfacht.

    Zusammenfassung der gewaltfreien Selbstklärung

    Ziel der gewaltfreuen Selbstklärung ist es, dass Patienten sich besser kennenlernen und ihre Bedürfnisse und Emotionen einfacher erkennen. Sie sollen dazu in die Lage versetzt werden, notwendige Handlungen zur Bedürfnisbefriedigung leichter zu implementieren. Schrittweise können die einzelnen Fragen nacheinander geklärt werden.

    1. Beobachtung: Was habe ich gesehen, gehört, körperlich gespürt? Schildere ich meine Beobachtung so, dass ich keine Intentionen und Motive unterstelle?
    2. Emotion: Welche Emotion empfinde ich? Auf welches Bedürfnis könnte mich die Emotion hinweisen? (Trauer: Nähe, Hilflosigkeit: Sicherheit, Wut: Autonomie). Ist eine der genannten Emotionen Wut? Wenn ja: Welches Gefühl verbirgt sich unter der Wut? (Unsicherheit, Angst, Traurigkeit, Hilflosigkeit?)
    3. Bedürfnis: Welches Bedürfnis wurde frustriert? Habe ich hier gerade eine Strategie genannt oder ein Bedürfnis? Welche Strategie könnte hilfreich sein? War diese Strategie bisher jemals hilfreich?
    4. Bitte an sich selbst: Was würde ich in dieser Situation tun, wenn ich sie in der gleichen Art und Weise in Zukunft nochmal erleben würde? Was hätte ich in dieser Situation tun können, damit es mir besser geht? Ist die gewählte Strategie dazu in der Lage bei der Bedürfnisbefriedigung zu helfen?

    Zu Beginn braucht die gewaltfreie Selbstklärung etwas Zeit und verläuft häufig noch etwas holperig, je häufiger die Patienten das jedoch üben, desto mehr verstehen sie, „wie sie ticken“ und in welchen Situationen sie sich selbst im Weg stehen und schließlich auch, was sie alternativ tun könnten. Viel Spaß beim „Bebben“.