Motive spielen in unserem Leben eine große Rolle. Sie geben unseren Handlungen Richtung, sie schüren Leidenschaft, Freude, sie nähren unsere Hoffnungen, Wünsche, Ziele und auch Ängste – sichtbar wie unsichtbar. Wenn man uns nach den Motiven unseres Handelns fragt, können wir häufig sagen, wohin wir wollen, was uns wichtig ist und wieso etwas für uns von Bedeutung ist. Diese Motive, die wir verbalisieren können werden explizite Motive genannt. Man könnte auch sagen „Kopf-Motive“. Welche Rolle spielen implizite Motive in der Psychotherapie?

Es gibt jedoch auch Motivstrukturen, die sich der Verbalisierung entziehen. Es gibt vorbewusste oder unbewusste Motive, die wir nicht kennen. Sie können, müssen aber nicht deckungsgleich mit unseren expliziten Motiven sein. Sie sind früh erworben, möglicherweise auch genetisch bedingt. Diese impliziten Motive sind uns häufig nicht bewusst – regulieren jedoch maßgeblich das Handeln. Man könnte sie auch „Herz-Motive“ nennen.

Wie unterscheiden sich explizite und implizite Motive?

Mc Clelland und Kollegen (1989) beschrieben schon vor langem die grundlegenenden Unterschiede zwischen expliziten und impliziten Motiven. Beide Motivlagen müssen nicht gleich gestaltet sein. Dieses Problem kennen wir umgangssprachlich, wenn Menschen sagen, dass Kopf und Herz nicht zusammenpassen oder gegeneinander arbeiten.

Implizite Motive sind früh erworben, haben eventuell auch genetische Ursachen, sind begrenzt auf weniger Motive. Sie werden vorsprachlich erworben. Sie sind unbewusst und äußern sich in spontanem und intuitivem Verhalten, sie werden mit projektiven Verfahren gemessen.

Explizite Motive sind auf kognitiver verbaler Grundlage. Prinzipiell sind unendlich viele explizite Ziele möglich. Sie werden sprachlich erworben, werden also erst im späteren Entwicklungsverlauf bedeutsam. Sie äußern sich in bewusstem und geplantem Verhalten und werden mit Fragebogen gemessen.

Bisher wissen wir nur, dass wir „Kopf“- und „Herz“-Motive haben. Die meisten Menschen wissen jedoch nicht, wie ihre unbewussten Motive ausgeprägt sind. Dies kann dann problematisch werden, wenn die expliziten und impliziten Motive nicht in Einklang miteinander stehen. Prinzipiell sind drei verschiedene Konstellationen denkbar, wie implizite und explizite Motive miteinander kongruieren.

Hagemeyer und Kollegen (2012) haben die Passung expliziter und impliziter Motive untersucht.

  • Typ1 Inkongruenz (Implizit niedrig / Explizit hoch) Hierbei kommt es zu Motivkonflikten zwischen bewussten und unbewussten motiven. Die Verfolgung expliziter Ziele wird nicht von impliziten Motiven unterstützt. Zielfokus wird schwächer und Zielerreichung als weniger belohnend erlebt.
  • Hohe Kongruenz (Implizit hoch / Explizit hoch) Das ist die ideale Konstellation. Die Kapazitäten beider Motivsysteme arbeiten harmonisch zusammen. Zielfokus ist hoch und Zielerreichung wird als belohnend erlebt.
  • Niedrige Kongruenz (Implizit niedrig / Explizit niedrig) Die schwache Motivausprägung ist kongruent, es gibt keinen Motivkonflikt, Zielfokus ist sehr schwach und eine Zielerreichung wird nicht als belohnend erlebt.
  • Typ2 Inkongruenz (Implizit hoch / Explizit niedrig) Es gibt einen Motivkonflikt. Die implizite Motivation ist nicht unterstützt von expliziten Zielenverfolgungen. Dies könnte zu einer Frustration des impliziten Motivs führen.

Welche Motive gibt es?

Phillip Alsleben (2008) ergänzte die drei bekannten Basismotive Anschluss, Leistung und Macht um ein viertes Basismotiv: Das Freiheitsmotiv.

Das Anschlussmotiv

Beim Anschlussmotiv geht es um die Aufrechterhaltung und Vertiefung von Vertrautheit und wechselseitigem Austausch. In reinster Form geht es hierbei um den Austausch von Gefühlen. Es umfasst ebenso geselligen Kontakt und den Wunsch nach freudsamen Begegnungen. Es kann auch umfassen, die Beziehung zu jemandem zu klären, sofern ein Misstrauen besteht. Auch das Finden von Anschluss in neuen Umgebungen oder Situationen der Unsicherheit spielt hierbei eine Rolle. Eine Frustration des Bedürfnisses erkennt man an Traurigkeit, Einsamkeit, dem Gefühl im Stich gelassen worden zu sein.

Das Leistungsmotiv

Beim Leistungsmotiv geht es darum ein Objekt in Richtung eines Gütemaßstabs zu verändern oder zu verbessern. Es geht darum ein Ziel zu erreichen durch körperliche oder geistige Anstrengung. In der reinsten Form geht es um Flowerleben und dem Aufgehen in der Tätigkeit. Es geht auch darum innere Gütemaßstäbe zu erreichen, in Teams zusammenzuarbeiten, oder persönliche Herausforderungen zu meistern. Es kann auch darum gehen mit anderen zu wetteifern und besser sein zu wollen als andere. Im schlimmsten Falle kommen Gefühle von Hilflosigkeit oder Angst auf, weil man es nicht schafft eine Leistung wie gewünscht zu erbringen.

Das Machtmotiv

Beim Machtmotiv geht es darum. dass eine Person einen Einfluss auf eine andere Person ausübt. In seiner reinsten Form geht es beim Machtmotiv darum anderen zu helfen, sie in ihrem Handeln zu bestärken und sie zu leiten. Es kann auch bedeuten andere für etwas zu begeistern, sie zu führen, sie mitzureißen. Es bedeutet auch sich gegen andere zu behaupten. Unter Umständen wird man anderen Druck machen müssen, um seine Ziele zu erreichen. Ist das Machtmotiv frustriert, kann es zu Ohnmachtempfinden kommen.

Das Freiheitsmotiv

Beim Freiheitsmotiv geht es darum, dass freie Selbstsein auf verschiedenen Ebenen zu empfinden. In seiner reinsten Form geht es darum sich zu öffnen, zu offenbahren und Freude an neuen Erfahrungen zu machen. Es umfasst auch, das eigenen Leben zu genießen und für sich sein zu können. Es umfasst den Stolz und Anerkennung, die von außen heran getragen werden, als auch das innere Bedürfnis nach Selbstwachstum. Selbstwachstum bedeutet, dass negative Aspekte reguliert und integriert werden können. Unter ungünstigen Bedingungen kann dies bedeuten sich selbst zu schützen. Im schlimmsten Fall wird dies als Selbstentwertung – als Kränkung empfunden.

Wechselspiel Herz, Hand, Kopf

Kehr (2004) hat sich Gedanken darüber gemacht, wie Hand (grün), Herz (rot) und Kopf (blau) zusammenhängen. Wie oben schon ersichtlich, kommt es zu Komplikationen, wenn implizite Motive und Explizite Motive nicht überlappen. Doch schauen wir uns das genauer an.

Implizite Motive äußern sich eher in Handlungsimpulsen und Spontanverhalten. Explizite Motive zeigen sich eher in Handlungsplänen und bewussten Vorhaben. Bei den Handlungsfertigkeiten geht es um die Frage, ob die notwendigen Skills vorhanden sind, um ein Ziel zu erreichen. Aus der Grafik werden drei Dinge erkennbar.

  • Wenn Kopf und Herz nicht kongruent sind, die Handlungskompetenzen vorhanden sind, wird es Willenskraft brauchen um an einem Ziel zu arbeiten.
  • Wenn Kopf und Herz kongruent sind Handlungskompetenzen allerdings noch nicht vorhanden sind, wird Problemlösen notwendig werden.
  • Sofern Hand, Herz und Kopf kongruent sind, kommt es zu Flowerleben: Wir sind intrinsisch und extrinsisch motiviert, und wissen wir an der Zielerreichung arbeiten können.

Implizite Motive in der Therapie

Durch die Auseinandersetzung mit Kehr (2004) wird schnell klar, welche Handlungsfelder sich durch implizite Motive in der Psychotherapie ergeben können. Da implizite Motive häufig nicht bewusst sind, kann es helfen die expliziten und die impliziten Motive anzunähern, indem man sie misst und vergegenwärtigt. Denn: Explizite Motive sind erworben, sind kognitiv repräsentiert und können demnach bearbeitet und verändert werden – bei impliziten Motiven ist das nicht wirklich möglich. Daher ist es sehr hilfreich zu schauen, wann Motive in Kongruenz gehen, und wann nicht.

Klienten finden sich häufig immer wieder in der Situation wieder, wo sie Ziele erreichen, und sie den Erfolg gar nicht so sehr genießen können, oder aber sie würden sich gerne verändern, wissen aber nicht wie und sind daher langfristig unzufrieden und fühlen sich von sich selbst entfremdet.