Defusion ist die Fähigkeit sich von seinen Gedanken zu distanzieren, ihren Wahrheitsgehalt in Frage zu stellen, ihre Wichtigkeit zu reflektieren und flexibel und funktional mit Gedanken umzugehen. Sie ist einer der Bausteine für psychische Flexibilität innerhalb der Acceptance und Commitment Therapie. Was bedeutet das konkret?
Gedanken – Segen und Fluch
Die Fähigkeit zu denken und damit assoziativ Bilder und Begriffe miteinander zu verknüpfen, die wir nicht aus einem gemeinsamen Zusammenhang kennen, hat viele Vorteile. Ich kann sie darum bitten, sich ein Zebra innerhalb einer Walnuss vorzustellen, das gerade mit einem Strohhalm einen frisch gebrühten Espresso trinkt und ein Buch liest. Viele dieser Bilder haben sie im Vorfeld wahrscheinlich nicht miteinander in Verbindung gebracht, trotzdem können sie es sich problemlos vorstellen.
Die Möglichkeiten solche Assoziationen zu knüpfen hilft uns dabei Strategien zu entwickeln, Probleme zu lösen, und Pläne zu erdenken. Auf der anderen Seite können wir auch Anschauungen und Ideen entwickeln, die weder hilfreich, noch wahrheitspflichtig, noch wahrheitstauglich sind.
Menschen als Unsinnsgeneratoren
Diese Fähigkeit Begriffe und Bilder zu Assoziationen zu verknüpfen und ihnen hypothetischen Wahrheitsgehalt beizumessen, macht uns zu unsinnproduzierenden Wesen. Angenommen Sie treffen ihren Nachbarn und er beachtet sie nicht. Was denken Sie? „Er hat vor zwei Jahren mal erwähnt, dass er es mag, wenn der Rasen sauber gemäht ist, und mein Garten hat nun schon seit drei Wochen kein scherendes Brummen mehr gehört.“
„Er verachtet Sie bestimmt, weil sie ein fauler Sack sind, der das Leben genauso wenig im Griff hat wie seinen Rasen. Und überhaupt laufen sie grad schon wieder liderlich rum. Ihr Nachbar hat so ein formidables, stärkegebügeltes Hemd an – Wie aus dem Ei gepellt. Solche Schnösel geben sich halt mit Abschaum wie Ihnen nicht ab.“
Ihr Nachbar denkt derweilen gerade nur darüber nach, dass er er seine Steuererklärung noch nicht gemacht hat und plant gedankenverloren, was noch zu erledigen sei. Das hindert Sie jedoch nicht daran sich selbst zu zerfleischen.
Defusion als Dietrich für Gedankengefängnisse
Man könnte nun meinen: „Denk doch mal anders!“. Du musst diese Gedanken nicht haben. Es gibt viele Ratgeber, die es empfehlen positiv zu denken. Dies wird aus einem anderen Grund schwierig. Dinge die wir nicht akzeptieren, werden sich lauter melden, wenn wir versuchen sie wegzustoßen oder sie zu verdrängen. Bei Defusion geht es nicht darum, Dinge zu verdrängen oder positive Gedanken zu forcieren. Denn um sich von einem Gedanken zu lösen, muss man sich erst einmal den Gedanken anschauen. Aber wie kann man Gedanken lösen?
Es gibt verschiedene Techniken um Gedanken besser ziehen zu lassen. Allen gemeinsam ist, dass sie uns irgendwie vergegenwärtigen, dass diese Gedanken nur Gedanken sind. Sie sind keine Realität. Sie sind per default Hirngespinste, die manchmal, in seltenen Fällen wahrheitsfähig und hilfreich sind. Manchmal sind sie vielleicht wahrheitsfähig, aber trotzdem entweder unwahr oder nicht hilfreich. Auch dann können diese Gedanken hinderlich sein. Doch selbst wenn wir wissen, dass Gedanken nicht wahr sein müssen, fühlen sie sich leider trotzdem häufig so an.
Distanzierungstechniken zur Defusion
Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Distanz zu ihren Gedanken aufzubauen. Ich möchte einige vorstellen, die eventuell dabei helfen, „Wahrheiten“ zu Gedanken werden zu lassen.
Geben sie ihrem Verstand einen Namen
Nennen sie ihren Verstand Horst oder Egon, vielleicht auch Manfred. „Manfred denkt, dass mein Nachbar mich hasst.“ Klingt doch schon ganz anders. Er darf auch Honk heißen oder Sie weisen ihm verschiedene Rollen zu wie: Körperklaus, Grübelgünter, der Dalai Drama, wortkarger Wolfram oder Ariana Aggro. Sie können so gleich schon ein wenig sortieren, woher der Gedanke kommt.
Sortieren sie ihre Gedanken
Manchmal hilft es Gedanken zu kategorisieren. Schreiben sie ihre Gedanken auf, basteln Sie sich ein paar Boxen und beschriften Sie sie: hilfreich, belastend, idiotisch, genial, möchte ich behalten, möchte ich verlieren, möchte ich weitergeben. Sie können ihre Kategorien beliebig wählen, sie können eventuell auch nach Farben oder Wetterbeschreibungen sortieren.
Sie können auch eine Hitliste ihrer Gedanken erstellen. Denken Sie sich den Namen des Interpreten und den Titel des Liedes aus, die die Gedanken betreffend beschreiben und sortieren Sie sie nach ihrer Intensität? Wer steht ganz oben in den Gedankencharts diese Woche?
Schreiben sie Gedanken auf kleine Zettel. Legen Sie sich um sie aus. Was liegt vor Ihnen, was hinter Ihnen. Wo wollen Sie die Gedanken lieber hinlegen. Stimmt die Position der Gedanken? Sollten andere Gedanken dazukommen? Wenn ja wohin?
Visualisieren Sie ihre Gedanken
Schreiben sie Ihre Gedanken auf, malen Sie sie. Hängen Sie sie sichtbar auf. Führen sie Tagebuch und blättern sie ab und zu durch ihre Vergangenheit. Verfassen sie ein Gedicht über den Gedanken. Oder schreiben sie einfach brutal ehrlich ihre Gedanken nieder, legen sie sie beiseite und lesen sie die Gedanken einen Tag später langsam und laut.
Ersetzen Sie ihre „abers“ durch „unds“
Wer abert der labert. Immer wenn sie einen Aber-Satz benutzen, löschen sie den ersten Teil des Satzes, wenn sie ein Aber benutzen. „Ich würde gerne einen Vortrag halten, aber ich habe Angst.“Das klingt ganz anders als: Ich würde gerne einen Vortrag halten und habe Angst. Das Und schließt nicht aus, sondern integriert die Empfindung. Ein Handeln ist trotzdem möglich.
Verfremdungstechniken
Gerade dann, wenn Gedanken gleichzeitig eine emotionale Qualität haben, kann es sehr hilfreich sein, sie zu verzerren und zu verfremden, so dass sich emotionale Empfindung durch das Verzerren verändert. Häufig werden die eigenen Gedanken dann als weniger bedrohlich wahrgenommen.
Externalisierungstechniken
Setzen sie sich einen Papageien auf die Schulter, lassen Sie ihn ihre Gedanken sprechen. Sie können sich auch gerne ein Teufelchen auf den Kopf setzen, der ihnen wenig hilfreiche Gedanken zuflüstert. Sie können sich auch die Personen vorstellen, die ihnen solche Gedanken „eingetrichtert“ haben.
Verzerrungstechniken
Es gibt viele Möglichkeiten Gedanken zu verzerren. Sprechen sie die Gedanken gaaaaaaanz laaaaaaaaaaangsaaaaaaaaaaam auuuuuuuus. Oder ganz schnell und ganz oft hintereinander. Singen sie ihre Gedanken wie ein Opernstar. Sprechen sie wie ein Papagei, benutzen sie einen Dialekt oder imitieren sie eine gewisse Person, die den Gedanken repräsentieren könnte.
Kontextverzerrung
Schreiben Sie die Geschichte ihrer Gedanken um! Der König des Nachbarreiches Stephano von Spießburg bemerkte, dass an den Grenzen Ihres Nachbarreiches die meuchelmördrige Stinkwurz wächst und fürchtet, dass seine reichen, gepflegten Felder zu einer giftdurchtränkten Bedrohung werden. Er denkt daher über Strategien nach, wie er Sie zusammen mit König Torben von Tonnenwacht unterwerfen kann, um Ihr Reich aufzuteilen und so einer rechtmäßigen Ordnung zu unterwerfen.
Letztendlich gibt es viele Möglichkeiten seinen Gedanken die Bedrohlichkeit zu nehmen. Probieren Sie einiges aus und schauen Sie, was zu Ihnen passt! Defusion ist ein aktiver Prozess, werden sie wieder Herr über ihre Gedanken.
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