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lyrisches

Meine psychologische Arbeit findet häufig auch ihren Weg in Lyrik. Da ich schon häufiger erleben durfte, dass dies die therapeutische Arbeit bereichern kann, werde ich an dieser Stelle eigene Gedichte publizieren, die einen therapeutischen Bezug haben, oder sich mit psychischen Wesenszuständen beschäftigen.

Im folgenden befinden sich einige Gedichte, die ich bereits in therapeutischen Lesungen rezitiert und eingeordnet habe, oder die aufgrund meiner therapeutischen Arbeit entstanden sind um Störungsbilder zu „verdichten“.

Verdichtetes

  • Mutantenstadl

    Ob Hulk oder der Spinnenmann,
    
    die Turtles oder Wolverine,
    
    sie ziehen uns in ihren Bann,
    
    man kann nur unschwer sich entzieh'n.
    
    
    Sie alle straucheln mal und stolpern,
    
    man sieht sie heldenhaftig holpern.
    
    Und jenseits dann von Ruhm und Ehr,
    
    fühl'n sie sich häufig hohl und leer.
    
    
    Als wär'n sie nicht von dieser Welt,
    
    als säh' man sie vollends entstellt,
    
    als wären sie in ihrem Sein,
    
    unbedeutend, nutzlos, klein.
    
    
    Zum Glück entrinnen sie der Blöße,
    
    finden in die eigene Größe,
    
    und rocken diese triste Welt,
    
    dann als Mutantensuperheld.
  • Pa nickt

    Angst ist eine vollkommen normale Reaktion des Körpers, gerät sie außer Kontrolle und wird zur Angst vor der Angst, kann sich eine Panikstörung entwickeln. Hierbei ist die Vermeidung der Angst und die Angst vor ihr, maßgeblich für die Ausbreitung und Intensivierung der Attacken.

    Akzeptanz ist dabei eine der Schlüsselkomponenten, die zu einer Besserung beitragen kann und die Erfahrung, dass unsere Angst von uns erwartet, dass wir uns bewegen.

    Pa nickt

    Die Hand sie zittert, die Rübe kracht, 
    ruft angstumwittert nun zur Wacht.
    "Nicht schon wieder in die Angst!" 
    ist was du dir dann abverlangst.
    
    Und schon verengt sich dann dein Blick, 
    auf die Empfindung rasch zurück.
    Das Herz pulsiert und gallopiert, 
    das hast du auch schon registriert.
    
    Es steigt empor der Atemtakt, 
    bis es in den Alveolen knackt.
    Dann steigt der Schwindel in dir rauf, 
    doch du gibst weiterhin nicht auf.  
    
    Sagst nein zur Angst, und ringst sie nieder, 
    bis dir schmerzen Rücken und Glieder.
    Und weil sie niemand sehen mag, 
    kehrt sie wieder Tag um Tag.
    
    Doch öffnest du ihr mal die Tür, 
    kommt sie nur seltner zu dir.
    
    
    
  • Hoppala

    Häufiger führen bei einigen Menschen mit Herzrhythmusstörungen, erhöhte Selbstaufmerksamkeit zur Entwicklung einer Panikstörung. Dies geht dann häufig mit Rückzug und Schonung einher, weshalb Unstimmigkeiten im Herzenstakt noch schneller wahrgenommen werden und es daher zu einer Intensivierung der Panikstörung führt.

    Vermeidung ist damit der erste Schritt in eine weitere Eskalation der Störung. Daher sollte beim Ausschluss von körperlichen Beeinträchtigungen darauf geachtet werden, dass die gute Pumpe auch ein wenig was zu tun bekommt.

    Hoppala

    So manchmal wenn die Ruhe wispert,
    Hörst du wie dein Herzlein flüstert.
    Mal schlägt es lahm, mal etwas schneller,
    mal stolpert es hinab gen Keller.
    
    Und wenn du ihm so dabei lauscht,
    wirst du dann angstvoll schnell berauscht,
    und fürchtest, dass es vollends bricht -
    so schonst du es dann mit Verzicht.
    
    Doch wollen Herzen nur geschwind,
    uns zeigen, dass wir am Leben sind,
    und manchmal auch, dass wir das spüren,
    ohne in Angst uns zu verlieren.
    
    Denn wenn uns mal die Pumpe brettert,
    weil wir grad lieben wie bescheppert,
    dann fragen wir ja auch nicht nach,
    ob unser Herz das g'rade darf.
    
    Nu lass den Muskel ordentlich zucken,
    dann hört er auch bald auf zu mucken.
    Kehr dann mit stahlgestärtker Brust,
    zurück in deine Lebenslust.
    
    
    
  • Nicht mein Schuh

    Nicht jeder fühlt sich in dem Körper wohl, in den er hineingeboren wurde. Aufgrund unserer äußeren Erscheinung werden eine Vielzahl von Attributszuweisungen vorgenommen, die uns gefühlt in Raster zwängen.

    Nicht jeder hat die Freiheit dazu diese Attribute zu verändern – zumindest nicht ohne umfassende Vorbereitungen oder massive Konsequenzen. Der Verbleib in der körperlichen Form wird dann zur fortwährenden Auseinandersetzung mit der eigenen Identität.

    Gerade wenn die Geschlechtsidentität nicht mit dem biologischen Geschlecht korrespondiert, kann es gesellschaftlich und sozial zu vielen Konflikten und Missverständnissen kommen. Die Beeinträchtigungen sind bis heute hoch, und drücken sich zum Beispiel auch in den erhöhten Suizidraten der Betroffenen aus.

    Auch wenn in Deutschland vergleichsweise tolerant mit diesem Thema umgegangen wird, so sind Betroffene trotzdem häufig von Ausgrenzung, sozialer Isolation und sozialer Ächtung betroffen. Und bis heute auch von der Benachteiligung vor Recht und Gesetz und dem ewigen Konflikt zwischen ihrer Identität und den Erwartungen der Gesellschaft.

    Nicht mein Schuh

    Eines Tages merkt' ich schlicht, 
    mir passen diese Schuhe nicht. 
    Sie drücken hier sind unbequem-
    kann letztlich gar nicht darin geh'n.
    
    Kann sie nicht wechseln, muss sie nutzen,
    mir selbst darin die Füße stutzen, 
    ach könnt ich anders sie gestalten, 
    dann könnt ich leichter Standpunkt halten.
    
    Nun stell dir vor es wär kein Schuh,
    sondern dein leiblich Seelenruh, 
    dein Körper, der dich ständig stutzt,
    weil du gefühlt den Falschen nutzt.
    
    Und jeder schaut die ins Gesicht, 
    versteht dabei natürlich nicht. 
    Das hinter deinem Augenschein, 
    verborgen liegt ein Anderssein.
    
    Doch du merkst wo's drückt und scheuert, 
    merkst dass mal Schuh, mal Fuß dich steuert. 
    Du sehnst dich nach der Barfußzeit, 
    die dich vom Schuhgebrauch befreit.
    
    Doch ist die Welt noch nicht bereit, 
    für diese Ausgeglichenheit. 
    Ein Mensch soll sein sehr wohl behütet-
    ein Fuß gehört in Schuh getütet.
    
    Ich hoffe für dich, dass irgendwann, 
    er wieder ganz frei atmen kann, 
    und er bequem und unbedrückt, 
    dich transportiert im Lebensglück.
    
    
    
    
    
  • Quarkleiter

    Viele Menschen opfern sich auf und beziehen ihren Selbstwert daraus, anderen zur Hilfe zu eilen. Der Umgang mit Schwierigkeiten besteht häufig darin, sich noch mehr damit abzumühen, es anderen recht zu machen.

    Irgendwann kann dies dann zur Erschöpfungsdepression führen. Erschwerend kommt dann häufig hinzu, dass die Betroffenen gerne helfen, aber nie gelernt haben, selbst um Hilfe zu bitten.

    Quarkleiter

    Das Rädchen dreht, der Motor läuft - 
    Last hat sich ziemlich angehäuft. 
    Das merkst du wohl, doch läufst du weiter - 
    dein Hamsterrad wirkt wie die Leiter.
    
    Die dich aus diesem Quark befreit, 
    raus aus der Abgeschlagenheit. 
    Doch bleibst du endlich kurz mal steh'n, 
    scheinst du gar vollends zu zergeh'n.
    
    Für die Herde stehst du ein, 
    versorgst sie so geseh'n allein,
    doch wirfst du selbst ein Notsignal, 
    scheint es den anderen schier egal.
    
    Schlimmer noch sie wenden sich, 
    sprach- und wortlos von dir ab, 
    Du hoffst die Zwietracht folgt dir nich'
    ins zukünftige Sippengrab.
    
    Die Frage bleibt: Was treibt DICH an, 
    was hast du nicht für DICH getan? 
    Was brauchts denn nun um DICH zu retten, 
    aus festgezurrten Leidensketten?
    
    
    
    
    
  • Arbeitseifer

    Für viele Menschen spielen Leistung und Widmung eine hohe Rolle. Viele ziehen ihre Anerkennung und ihren Selbstwert aus der Arbeit und dem Kontakt mit Kunden oder Kollegen. Leider vergessen viele Menschen dabei auch, dass die körperliche und seelische Unversehrtheit eine Grundvoraussetzung für Produktivität sind.

    Es ist schade, wenn Menschen sich selbst (und ihr Umfeld) vergessen und gefährden, weil sich selbst nicht zugestehen schwach oder krank zu sein. Häufig kann eine Ignoranz dessen zu viel größeren Problemen führen.

    Eine verschleppte Infektion kann die Person selbst und ihr Umfeld gefährden. Wer nicht arbeitsfähig ist und dadurch Fehler begeht, läuft Gefahr durch diese Fehler umfassende Mehrarbeit zu produzieren, die dann selbst oder durch andere Beseitigt werden müssen.

    Von daher: Geben sie auf sich acht!

    Arbeitseifer

    Der Schoß ist fruchtbar immernoch,
    aus dem der Siff ganz langsam kroch,
    und sitzt schon wieder fest im Sessel,
    macht das Büro zum Seuchenkessel.
    
    Denn wer will schon im Bettchen darben,
    wo die Kollegen nix von haben?
    Wir teilen gerne unser Leid,
    sonst wird noch wer ganz grün vor Neid.
    
    So werden alle infiziert,
    weil kränkelnd jeder gern hofiert.
    Es kratzt im Hals, bronchiales Bellen, 
    und Nasenschleim aus allen Quellen.
    
    Es droht abseits der Zähigkeit,
    zeitweis’ Arbeitsunfähigkeit,
    doch um den anderen zu gefallen,
    teil’n wir die Seuche halt mit allen.
    
    
    
  • Das Löschpapier

    In der Acceptance und Commitment Therapie ist Defusion einer der zentralen Garanten der psychischen Flexibilität. Halluzinogene werden aktuell in der Schweiz, in Österreich, den Niederlanden und Californien bezüglich ihrer Wirkung auf Depressive untersucht. Hierbei zeigten sich, dass vor allem auch bei schweren und therapieresistenten Depressionen gute Ergebnisse.

    Erklärt wird dies dadurch, dass neuronale Bahnungen aufgehoben werden vorübergehend. Kurz: Der Mensch denkt außerhalb seiner ausgetretenen Pfade und kann daher Gedanken denken, die er sonst nicht zu denken vermag. Häufig wird auch von einer Ich-Auflösung gesprochen, einem zurücktreten des eigenen Egos.

    Für die Therapie bedeutet, dass folgende Frage für sie eine hohe Wichtigkeit bedeuten könnte: Kann man das auch anders denken?

    Das Löschpapier

    Ungeleimt, locker gepresst,
    staubtrocken und recht fest,
    liegt es da, als bloßes Blatt,
    das noch nichts zu bieten hat.
    
    Benetzt wird es mit Wundermittel,
    Von Hofmann selbst im weißen Kittel,
    farbig grell sodann bedruckt,
    bis es jemand langsam schluckt.
    
    Zurückgelehnt beginnt das Warten,
    noch droht hier nichts auszuarten,
    später dann ganz unverhofft,
    beginnt die Reise noch recht soft.
    
    Der Blick wird weiter und verschwommen,
    die Formen heben sich vom Grund,
    was außen wirkt wie leicht benommen,
    ist innerlich wahrhaftig bunt.
    
    Das Hier und Jetzt es löst sich auf,
    in höhere Sphären geht es rauf,
    wo Tiere sprechen, funkeln, schimmern
    Bäume singen und Lichter flimmern.
    
    Farben schmecken, Töne fühlen,
    dein Ich hat dich schon längst verlassen,
    Schluss mit faden Geistesmühlen,
    Formen schwimmen, Sinne prassen.
    
    Und kehrst du wieder, wünscht du dich,
    in jene andere Welt zurück.
    hast‘ wieder Geist, kennst wieder Ich,
    und daher mangelt es an Glück.
    
    
    
  • Mach‘ mal n‘ Punkt

    Schreiben kann in der Therapie ein hilfreiches Mittel sein, um mit den eigenen Gedanken und Empfindungen anders umzugehen. Viele Dinge gewinnen an Bedrohlichkeit, weil sie nicht ausgesprochen werden. Häufig verändert sich unsere Beziehung zu unseren Gedanken just in dem Moment, wo wir sie niederschreiben, oder diese Texte lesen die diese bedrohlichen Inhalte beherbergen.

    In der Arbeit mit der Schrift kann man sich restrukturieren, die eigenen Emotionen nachempfinden und zum Ausdruck bringen und last but not least: Vergessen – oder verarbeiten.

    Ich benutze gerne Geschriebenes in der Therapie. Mit „Morgenseiten“ können Patienten sich entlasten, indem sie nach dem Aufstehen radikal/brutal ehrlich aufschreiben was sie denken – ungeschönt. Das leert den Kopf. Das Geschriebene zu lesen hilft bei der Neubestimmung der eigenen Position zu den Gedanken. Es kann auch eine Möglichkeit sein zu schauen, welche wiederkehrenden Gedanken allein nicht bewältigt werden können und im therapeutischen Prozess eventuell vertieft bearbeitet werden könnten.

    Mit Dankbarkeits- und Erfolgstagebüchern kann man sich immer wieder vergegenwärtigen, welche schönen und freudvollen Aspekte das Leben hat.

    Kurz: Wer schreibt, der bleibt (mit sich selbst in Kontakt).

    Mach‘ mal n‘ Punkt

    Wenn ich in Zukunft kompostiere
    und wenig später reinkarniere,
    so will ich unter allen Zeichen,
    nie zum Apostroph gereichen.
    
    Du stehst dafür, dass etwas fehlt,
    was eigentlich zum Worte zählt.
    Das, was statt deiner sonst dort steht,
    wurd’ weggekürzt, weil’s so nicht geht.
    
    Ein Doppelpunkt sagt: Jetzt wirds dicke.
    Ein Leerzeichen schafft Platz durch Lücke.
    Und soll man’s denken ganz für sich,
    setzt man ’nen Gedankenstrich.
    
    Kommst du zum Schluß, machst du nen Punkt,
    wenn niemand dir dazwischen funkt.
    Und niemand wundert sich dergleichen,
    wie eins von drei Fragezeichen.
    
    Bist du zu Feige für nen Küßchen,
    setzt du es lieber in Gänsefüßchen.
    Was anderem nah in ewigen Stunden,
    wirst’ mit ’nem Bindestrich verbunden.
    
    Doch hast als Buchstabe verschissen,
    wirst du durchs Apostroph zerrissen.
    Poeten freut’s die fiesen Schufte,
    denn Kürzen macht die Rhythmik dufte.
    
    
    
  • Unterm Sofa

    Extreme sind selten gut. Dem Perfektionismus steht die Aufschieberitis gegenüber. Sicherlich ist es nicht gut alles aufzuschieben, aber manchmal darf man auch alle Fünfe gerade sein lassen und den Putzgeist rausfegen.

    Unterm Sofa

    Kokolores, Tinnef, Kram und Krempel,
    breiten sich aus bei Egon Hempel
    und weil die Enthropie gern witzelt,
    hat Sohnemann die Wand bekritzelt.
    
    Die Wäsche fliegt durchs ganze Haus,
    der Müll könnt’ schon seit Tagen raus.
    Der Staub hingegen würd gern bleiben,
    bei Wind in Flocken umhertreiben.
    
    Und spürst du irgendwo ne Kruste,
    von der mal jemand etwas wusste,
    so weiß doch heute niemand mehr,
    wieso, warum, wie lang, woher.
    
    Und in der Spüle gammeln Teller,
    mit Fell beseelte Überreste.
    Sperrmüll sammelt sich im Keller,
    hier ist kein Platz doofe Gäste.
    
    Und wenn sich doch der Putzgeist regt,
    dann wird er schnell hinausgefegt.
    
    
    
  • Schokoschule

    Genuss ist eine Ressource, die viele von uns im hektischen Alltag verlieren. Genuss kann jedoch bedeuten, dass wir uns positive Erlebnisse erschaffen, wir müssen nur achtsam genug sein. Um genießen zu können müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden:

    • Genuss lernen braucht Zeit.

    Etwas zu genießen wird länger dauern, als etwas zu konsumieren.

    • Genuss muss erlaubt sein. …

    Viele Menschen versagen sich Genuss, weil sie ihn nicht verdient hätten, oder sich nicht die Zeit dafür nehmen.

    • Genuss geht nicht nebenbei. …

    Wichtig ist die Konzentration auf den Augenblick und auf das, was man genießen möchte. Häufig tun Menschen zu viele Dinge gleichzeitig oder sind nicht bei der Sache, so dass sie letztendlich länger für alles brauchen.

    • Weniger ist mehr.

    Lieber seltener ein exklusives Nascherl, als häufig ein günstiges.

    • Aussuchen, was guttut.

    Nicht alles tut jedem gut. Suchen sie sich etwas, was Ihnen gut tut.

    • Ohne Erfahrung kein Genuss.

    Dies bedeutet, dass die Wahrnehmung sich verändern sollte. Kaffees und Tees sind häufig „Blends“ werden also so produziert, dass sie immer gleich schmecken sollen. Das würde beim Wein niemandem einfallen.

    • Genuss ist alltäglich.

    Schaffen sie sich alltäglich Genussmomente. Fragen sie sich, welche Dinge sie achtsam tun können. Überlegen Sie, was sie heute genießen können.

    Schokoschule

    Mit dunklem Charme und zarter Creme,
    soll sie dir bald im Mund zergeh’n.
    Leg sie nun frei und pack sie aus!
    Sieht sie nicht schon ganz lecker aus?
    
    Lass sie zunächst erst einmal knacken,
    beginne dann was abzuzwacken,
    und lasse deine Finger gleiten,
    um zum Probieren zu verleiten.
    
    Schnupper erstmal eine Weile,
    nimm dir langsam eins der Teile,
    und betaste mit den Lippen
    vorsichtig ein kleines Stücken.
    
    Leg es auf deine Zunge nun,
    und lass es dort bedächtig ruh’n.
    Umspiel es langsam - mit Bedacht,
    spür wie es schmilzt und gib drauf Acht.
    
    Lass die Aromen dich berühr’n,
    und kurz dich zum Genuss verführ’n
    Um hier im Jetzt ganz zu verweilen,
    statt taubblind durch den Tag zu eilen.
    
    
    
  • Ohne Worte

    Häufig haben Menschen eine ungeheure Angst vor Zurückweisung. Das führt oft dazu, dass Bedürfnisse, Wünschen, aber vielleicht auch Konflikte nicht angesprochen werden, aus Angst davor abgelehnt zu werden oder die Beziehung einem Menschen zu verlieren.

    Häufig wird dabei jedoch vergessen, dass Transparenz und Authentizität auch förderlich für eine Beziehung sein können, oder uns halt zeigen können, dass die Bedürfnisse zweier Menschen vielleicht nicht immer miteinander vereinbar sind.

    Ohne Worte

    Was bringt schon alles Wortgewand,
    und Geist der Reden zünftig würzt,
    wenn sich all das nicht mehr fand,
    weil Schüchternheit die Zunge kürzt.
    
    Von heißer Luft die sonst geblasen,
    vergeht das blecherne Getön.
    Wenn zwei Herzen holpernd rasen,
    säuselt nur ein schwacher Fön.
    
    Und so schweigen beide still,
    obwohl man schon einander will.
    Weil das Wort auch manchmal lähmt,
    und süßen Zauber dann vergrämt.
    
    
    
  • Lecker Fresschen

    Häufig ist der Unterschied zwischen „gut“ und „schlecht“ nur eine Sache des Maßes. Viele gute Charaktereigenschaften können verderben, wenn es ein „zu viel des Guten“ gibt.

    Auch bei eigenem Handeln im Allgemeinen, ist die Frage danach, ob man zu viel des Guten tut, häufig hilfreich. Viele Handlungen bringen häufig keinen Mehrwert mehr für uns, wenn man sie zu oft oder zu intensiv verfolgt. Sie korrumpieren dann, verlieren ihre positiven Effekte und führen häufig auch zu negativen Konsequenzen.

    Zudem kosten sie dann Lebenszeit, die vielleicht gerne in etwas anderes investiert worden wäre.

    Lecker Fresschen

    Zu einem Fest da ist es Sitte,
    gehört viel Fresszeug in die Mitte.
    Wer will nicht am Buffet sich laben,
    bis sich vollends spannt der Magen.
    
    Kommt lasst uns zu den Klopsen hopsen,
    Ketchup drauf zum Fleisch aufmotzen,
    dazu noch etwas Couscous schlotzen,
    wir fressen eiskalt bis wir kotzen.
    
    Wir fangen an mit einer Suppe,
    die ist eigentlich ziemlich schnuppe.
    Hors d’Oeuvre folgt sogleich auf Schritt,
    das nehmen wir doch gerne mit!
    
    Als dritten Gang gibts Fischgericht,
    noch stört uns das Gefresse nicht.
    Fleisch gibt es dann rosé und mächtig,
    wer hier nicht zulangt, ist verdächtig.
    
    Pause jetzt mit Bier und Wein,
    das soll noch nicht das Ende sein,
    Der zweite Teil der folgt zugleich,
    bald wird das Entreé gereicht.
    
    Und während die ersten jetzt schon platzen,
    hört man die andern beim Braten schmatzen.
    Wer jetzt noch nicht schon mal erbrochen,
    dem werden Entrements versprochen.
    
    Wir schließen endlich mit Dessert,
    doch eigentlich mag niemand mehr.
    Es grunzt und keucht schon unter Tischen,
    wer liegen bleibt, der darf heut wischen!
    
    
    
  • Prisma

    Dieses Gedicht soll vor allem in der letzten Strophe den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit zeigen. Auch wenn man Allein ist, ist es möglich sich zu Dingen und Personen verbunden zu fühlen und sich selbst als wertvoll zu empfinden.

    Es ist sinnvoll sich häufiger zu fragen, wie man sein möchte, was einem wichtig ist und welchen Menschen man sich verbunden fühlt, welche Kontexte man Aufsuchen möchte und welche Kontexte einen wachsen lassen. Manchmal ist die Frage sinnvoller welchen „guten Menschen“ wir uns annähern sollten, als wie wir vermeiden können, dass die „falschen“ Menschen uns achten.

    Prisma

    Als morgens früh der Tag ergraut,
    und grün das Gras im Dunst ertaut,
    reckt sich der violette Flieder,
    um des Erwachens müde Glieder.
    
    Gleißend gelb entsteigt die Sonne,
    erweckt in kirschrosé die Wonne,
    errötet fahle Winterwangen,
    und schürt das fleischliche Verlangen.
    
    Orange das letzte Abendlicht,
    an Sinnesfülle tritt Verzicht.
    Die blaue Stunde finstert sich,
    zur schwarzen Nacht allabendlich.
    
    Nur wer hier einsam unter Sternen,
    bestrahlt von tausend weißen Sonnen,
    versucht all-ein(s) sein zu erlernen,
    der hat ein strahlend‘ Herz ersonnen.
    
    
    
    
    
  • Sucht

    Akzeptanz ist eine der sechs Säulen der psychischen Flexibilität. Das Gegenteil der Akzeptanz ist die Erlebnisvermeidung. Das bedeutet, man möchte entweder Tatsachen, oder die Qualität der eigenen Empfindungen nicht wahr haben.

    Viele Suchtmittel (und auch ungebundene Süchte) haben diesen Effekt, dass sie negative Affekte vorübergehend vernebeln. Manchmal werden sie auch dazu verwandt, um positive Affekte zu verstärken. Leider führt das häufig dazu, dass irgendwann der Eindruck entsteht, diese positiven Gefühle nicht mehr ohne Suchtmittel herstellen zu können.

    Es macht Sinn sich bei Konsum jeder Art zu fragen: Versuche ich gerade mich von schlechten Emotionen Abzulenken?

    Sucht

    Tief im Auge des Zerfalls,
    findet sich ein Flaschenhals,
    wo sich’s verjüngt wie bei nem Trichter,
    es stockt und staucht aus dicht wird dichter.
    
    Mit Plopp entkorkt das leichte Sein,
    es wäscht zum Schein die Sorgen rein,
    widmet in Einsamkeit und Stille,
    die Trunksucht um in Lebenswille.
    
    Und so verjüngt sich nun der Blick,
    wird Alk beschafft mit viel Geschick,
    und wenn auch schon die Börse blank,
    so zieht es trotzdem hin zum Trank.
    
    Wer krampfend fast an sich erstickt,
    im Wahn auf weiße Mäuse blickt,
    und schweißgetränkt am Boden liegt,
    dem ist das Elexir versiegt.
    
    Und voller Schrecken wird gewiss,
    dass dies ein harter Boden ist,
    auf dem die nackte Seele liegt,
    die an den Flaschenhals sich schmiegt.
    
    
    
    
  • Homo Konsumens

    Wir leben in einer schnelllebigen Zeit mit vielen Verstärkersystemen. Sei es als soziale Verstärkersysteme in Form von Netzwerken oder viele Lebensziele erfordern jedoch auch das langfristige Überwinden von Hindernissen, bei denen oftmals die unmittelbare Verstärkung ausbleibt.

    Darüber hinaus verändern soziale Bewertungsmaßstäbe, vor allem durch den Gebrauch von Social Media massiv den Selbstwert und können sogar natürliche Schönheitsstandards verzerren und damit massiv den eigenen Selbstwert angreifen.

    Homo Konsumens

    Ein Kauf kein Ziel, wir woll’n nicht viel,
    Konsum ist unser Lebensstil!
    Wir räuchern multimedi-aal,
    nur just zu sein wäre banal.
    
    Drum schafft herbei das Dopamin!
    Wer nimmt denn heut noch Heroin?
    Wir konsumieren lieber clean –
    und lassen bunte Bildchen zieh’n.
    
    Verschanzen uns in Avataren,
    erlaubt ist jederlei Gebaren.
    Und Punkten stets bei jedem Tritt,
    beim Cast oder beim Halsabschnitt.
    
    Wir bingen bis das Netflix qualmt,
    auf dass es uns das Hirn zermalmt.
    Und strömt herbei verdienter Lohn,
    verprassen wir‘s bei Amazon.
    
    Geiz ist geil, das geht steil,
    feiere dein Lebensstyle!
    Und bist du dann umringt von Schund,
    reibt sich die Seele daran wund.
    
    
    
  • Dankbarkeit

    Dankbarkeit ist eine Fähigkeit, die erlernt werden kann. Sie kann uns eine Ressource in schlechten Zeiten sein. Viele Menschen haben verlernt dankbar zu sein. Einige drücken ihre Dankbarkeit regelmäßig in Gebeten aus. Dies kann dabei helfen das Positive im Leben zu sehen.

    Wenn man Menschen fragt, wofür sie dankbar sind, nennen sie häufig große Dinge: Die Beziehung zum Partner, Froh darüber zu sein in einem wohlhabenden Land zu leben, oder die Gesundheit der Familie. Das alles sind sehr abstrakte wenig greifbare Dinge.

    Gelebte Dankbarkeit sollte täglich praktiziert werden. Die Frage sollte lauten: Was hat mir heute das Leben etwas schöner gemacht?

    Dazu kann es auch sinnvoll sein, die eigenen Erfolge des Tages Revue passieren zu lassen. Was habe ich heute erreicht? Wo konnte ich mich überwinden, meinen Zielen näher zu kommen (auch wenn es vielleicht noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat).

    Es kann sehr hilfreich sein, seine Erfolge und Dankbarkeiten täglich niederzuschreiben. Idealerweise drei Dinge für die man dankbar ist und drei Erfolge des Tages.

    Dankbarkeit

    Entsprungen einem Herbstzeittraum,
    steht gülden ein Kastanienbaum,
    lässt fallen Laub in allen Farben.
    und auch die Frucht als Gottesgaben.
    
    Das Blattwerk raschelt, ganz durchwühlt,
    als jemand nach Kastanien fühlt
    und sucht als wär’s der Sinn des Lebens,
    geduldig zwar, doch lang vergebens.
    
    Als es dann unterm Fuße rollt,
    die braune Frucht zur Seite tollt,
    erhebt sich sanft ein müdes Lächeln,
    verwunden nun der Hoffnung Schwächeln.
    
    Beherzter Griff in feuchtes Bunt,
    birgt die Trophäe glatt und rund.
    Mit Stolz wird sie hervorgehoben -
    genug um diesen Tag zu loben.
    
    So wirken große Ziele fern,
    die täglich Tun ja sonst verklär’n.
    Im Hier und Jetzt liegts Wohl im Leben,
    nicht im gehetzten Vorwärtsstreben.
    
    
    
    
  • Bindung

    In der Beziehung zu anderen – auch in der therapeutischen Allianz, sind Kompetenz- und Wertzuschreibungen unbedingte Voraussetzung für das Funktionieren der Gemeinschaft. Beziehungen funktionieren dann am besten, wenn man den Gegenüber als wertvoller einschätzt, als er sich selbst.

    Das Bedeutet einerseits, dass man sich selbst nicht immer zu toll finden sollte, andererseits dass es hilfreich sein kann das an Menschen zu suchen, was einem gefällt und was man wertschätzen kann.

    Bindung

    Wenn du den and’ren lieber magst,
    als er sich selbst, wenn du ihn fragst,
    dann bist du ihm wohl recht gewogen,
    und fühlst dich gleichsam hingezogen.
    
    Sieht jener dich in gleichem Licht,
    verspielt sich diese Chance nicht.
    So werdet ihr euch gut versteh’n,
    euch jeweils nur im Glanze seh’n.
    
    Ist das nun Demut oder Liebe?
    Beides schmiert wohl das Getriebe!
    Und schafft ein Feld für Möglichkeiten,
    sich durch das Leben zu begleiten.
    
    Vergöttert euch, und schafft Kontakt!
    Verschmelzt im dröhnend Lebenstakt!
    Gemeinsam zu ‚ner Allianz:
    Bedacht im Wort, beschwingt im Tanz.
    
    
    
  • Saturday Night Fever

    Manchmal laufen Dinge leider nicht so wie wir das wollen, und es geht alles schief was schiefgehen kann. In diesen Momenten ist es wichtig nicht aufzugeben und sich nicht unterkriegen zu lassen. Auch wenn erst einmal alles hinüber scheint, ist es wichtig sich aufzuraffen und zu versuchen das beste aus der Situation zu machen. Auch wenn alle Erwartungen herbe enttäuscht wurden.

    Saturday Night Fever

    Ein Mann geht in die Toilette,
    weil er heut gern Verkehr noch hätte.
    Wäscht sich die Achseln und den Schniepel,
    denn sein Weib, das riecht sensibel.
    
    Der Hahn der knackt, die Brause rauscht,
    er seift sich seine Glieder,
    bald fühlt er sich wie ausgetauscht,
    befrischt für neues Mieder.
    
    Er schließt das Wasser, greift zum Tuch,
    tritt auf den Badvorleger,
    rutsch auf der Matte beim Versuch,
    stößt sich am Handtuchträger.
    
    Reißt davor ab die Armatur,
    das Wasser spritzt bis in den Flur.
    Er glitscht empor vom Kachelboden,
    rutscht nochmal, prellt sich die Hoden.
    
    
    Die Hütte wird zum Swimmingpool,
    heut wirds wohl nix mit Sündenpfuhl.
    Denn er darf richten was zerbrochen,
    statt seinen Lörres einzulochen.
    
    
    
  • Curvy Unicorn

    Viele Menschen wollen besonders sein – einzigartig. Einhörner sind ein Symbol für Einzigartigkeit und Seltenheit. Die meisten Menschen geben vor, noch nie ein Einhorn gesehen zu haben!

    Ich persönlich, habe schon welche gesehen! Sie sind grau, etwas beleibt und ziemlich furchteinflößend. Nicht immer ist Einzigartigkeit und Schönheit nach außen sichtbar.

    Es hat Sinn das zu bedenken, wenn man über sich und andere urteilt. Und mal ehrlich: So ein Rhino ist doch viel cooler als ein Pferd mit Hörnchen.

    Curvy Unicorn

    "Ich bin ein Einhorn.", hör ich’s sagen:
    "Und kann es voller Stolze tragen!"
    Es schreitet forsch durch die Prärie -
    braucht keine Abwehrstrategie.
    
    Was ihm begegnet, wird ihm weichen,
    fürchtet sich vor seinesgleichen,
    denn es ist ein Rhino-C-Ross,
    Ein Horn gekreuzt mit ’nem Koloss.
    
    Die Erde bebt beim Galoppieren,
    man muss es einfach adorieren,
    Vier Beine und ein Elfenbein,
    jagen selbst Alben Ängste ein.
    
    
    
  • Kalte Tiefen

    Man weiß nicht sehr viel über die Entstehung von Grundeis. Wenn sie Eis am Grund eines Flusses bildet und irgendwann schmilzt, verursacht das unheilvolle Geräusche. Wenn das Eis dann in Schollen an die Oberflächen kommt, kann es zu Wasserstauungen und Flutungen kommen.

    Interessant ist hierbei, dass Grundeis lange Zeit unbemerkt bleibt. Dies ist wahrscheinlich ein Grund, warum es auch noch nicht gut erforscht ist. Es tritt dann plötzlich hervor und erzeugt wahrnehmbare Phänomene, die uns mitunter ängstigen.

    Manchmal lohnt es sich daher auch mal unter die Oberfläche zu schauen. Und selbst wenn dort was ist, was hochkommen sollte, kann man mit etwas Wärme Stauungen und Uferübertretungen im Zaum halten.

    Kalte Tiefen

    An des Wassers Oberfläche,
    an der sonst das Licht sich bräche.
    schimmerts heut nur müd’ daher,
    am Wellengang bricht’s sich nur schwer.
    
    Und auch die Wolken obendrüber,
    schimmern leidig grau darnieder.
    Die Ufer sind im Weiß gesäumt,
    der Fluß er fließt, von Gischt beschäumt.
    
    In des Flussses tiefem Bette,
    wächst das Grundeis an zur Stätte,
    bevor es dann im Bruch vergeht,
    und akustisch brechend bläht.
    
    Treiben dann die Schollen auf,
    staut sich schon mal des Flusses Lauf.
    Tritt über seine Waterkant,
    er knirscht und knarrt ganz provokant.
    
    
    
  • Ehedrama

    In dem Gedicht Ehedrama soll deutlich werden, dass manchmal unterschiedliche Akteure nicht oder nur schwer miteinander vereinbar sind. Das bedeutet nicht, dass einer der Akteure schlecht oder bösartig ist, es bedeutet nur, dass beide valide ernstzunehmende Bedürfnisse haben – die sich in diesem Fall einander widersprechen.

    Beide sollten trotzdem die eigenen Bedürfnisse so ernst nehmen, wie die des anderen. Manchmal lassen sich jedoch verschiedene Bedürfnisse auf lange Sicht nicht gut in bestimmter Koexistenz befriedigen. Hier wird es manchmal wichtig eine Entscheidung zu fällen.

    Das macht den anderen nicht weniger liebenswert – es passt nur nicht. Fehlende Beziehungspassung muss kein persönlicher Makel sein.

    Ehedrama

    Warum ist nur Frau Gummibaum
    des Nächtens einfach abgehauen?
    Will sie ein Leben in güldenem Luxus
    oder trit sie gar den Fi(c)kus?
    
    Frau G. wünscht sich dringlich Ahnen
    und will daher des Mannes Samen.
    Doch Herr G. macht’s nur mit Gummis,
    er hat kein Bock kleine Flummis.
    
    
    
  • Selbstzerfleischung

    Viele Menschen sind ständig damit beschäftigt sich mit anderen zu vergleichen. Jeder Mensch ist einzigartig und hat eigene Besonderheiten, Stärken und Schwächen. Beim Vergleich mit anderen ist man häufig auf seine Schwächen fokussiert und vergisst dabei die Stärken, die man hat.

    Man übersieht die Schwächen bei anderen schneller als bei sich selbst. Stärken und Fähigkeiten, die eigenen Kompetenzen, können uns beim Kampf gegen Widrigkeiten unterstützen. Häufig ist es sinnvoller unseren Problemen mit unseren Stärken zu begegnen.

    Daher ist es sinnvoll sie zu kennen, zu achten und zu pflegen. Manchmal ist es sinnvoller mehr Zeit in die Stärkung der Stärken als in das Ausmerzen von Makeln zu investieren.

    Selbstzerfleischung

    Manch‘ Dichter möchte Zahlen drehen,
    manch Fußlahmer den Berg hochgehen,
    da gibt’s die Zeichner die gern sängen,
    die, die erinnern, wollen verdrängen.
    
    Ein Fisch will vielleicht Fahrrad fahr’n
    Obwohl er sehr schnell schwimmen kann.
    Ein jeder möchte doch etwas können,
    was seine Skills ihm so nicht gönnen.
    
    Der Igel wäre gerne schnell,
    der dumme mag es sicher hell.
    Und wir armen Kreaturen,
    glänzen alle nur in Spuren.
    
    D‘rum strahl in deiner wie ein Fluter,
    sei wo du kannst einfach ein Guter.
    Und wenn an dir was nicht perfekt -
    ist das noch lange kein Defekt!
    
    
    
    
    
    
  • Kintsugi

    Kintsugi ist eine japanische Reperaturtechnik für Porzellan. Sie wird häufig für Raku-Keramik verwendet.

    Raku-Keramik ist durch den Brennvorgang in offenen Gefäßen und den hohen Hitzeschwankungen eine Technik, die den Ton hohen Strapazen aussetzt. Das Resultat ist jedoch immer ein Werkstück, dass einzigartig ist. Es kann in der Form nie wieder repliziert werden.

    Geht ein so einzigartiges Werkstück zu Bruch, werden die verbliebenen Teile mit Kitt, Gold und Urushi wieder zusammengefügt. Die Bruchstücke treten durch die goldenen Reparaturadern besonders hervor. Dies kann man als Hommage an die japanische Fehlerkultur sehen.

    In Japan sind Fehler per se kein Makel, sie dürfen beachtet, manchmal vielleicht gar bewundert werden, es ist erlaubt Fehler zu machen, da sie eine wichtige Voraussetzung für tiefgreifendes Lernen und langfristige Veränderungen sind.

    Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Werkstücke, die durch Kintsugi repariert wurden, umso schöner erscheinen, weil man ihre Fehler offen sieht.

    Kintsugi

    Wohl gebrannt, geformt, entworfen,
    wird glühend Ton in Laub geworfen,
    es raucht, es knistert, qualmt und knackt,
    ausgekühlt, gerissen, nackt.
    
    In frischer Kühle steht im Laden,
    die Schale nun in leuchtend Farben,
    als Frauenhände nach ihr greifen,
    und Finger die Glasur sanft streifen.
    
    Erblickt, verliebt und mitgenommen,
    der Liebste wird‘s von ihr bekommen.
    Er nutzt sie bald tagein tagaus,
    trinkt feinsten Tee zur Ehr daraus.
    
    Einzigartig seit der Schöpfung,
    wird sie vollends niedergehen,
    unvergleichlich in der Töpfung,
    durch ein achtloses Versehen.
    
    Tief zu Boden auf der Erden,
    springt sein Schmuckstück nun entzwei.
    Zu der liebsten Schale Scherben,
    mischt sich Wehmut rasch herbei.
    
    Behände greift sie nach den Trümmern,
    belebt sie leise in fernen Zimmern,
    mit Kitt und Gold und Urushi,
    schimmert die Schale bald wie nie.
    
    Was einzigartig und gebrochen,
    erglimmt erhabener denn je,
    die güldnen Adern, die nun pochen,
    zeugen von vergangnem Weh.
    
    Was kurz gebrochen wird geeint,
    was einst gesplittert nicht verneint,
    alles Ganze, was entzweit,
    ist es wert, dass man es eint.