Motivational Interviewing

Motivational Interviewing ist eine therapeutische Haltung, die in der Behandlung von Suchtkranken eine fundamentale Rolle spielt. Motivational Interviewing hat sich besonders unter schwierigen therapeutischen Bedingungen bewährt. Diese Haltung sieht vor, einen begleitenden Gesprächsstil zu realisieren. Motivational Interviewing beinhaltet eine Vielfalt von Kommunikationsmethoden, die ich später noch beleuchte. Besonders ist jedoch vor allem die klientenzentrierte Grundhaltung des begleitenden Gesprächsstils.

Ein begleitender Gesprächsstil ist weder führend, noch folgend, sondern ermöglicht es dem Patienten selbstständig die Problemklärung als auch die Lösung der Probleme in Angriff zu nehmen. Therapeuten geben keine konkreten Ratschläge, der Patient erarbeitet sich das Lösungsverhalten selbst. Im Fokus der Technik steht ebenso die Veränderung des Verhaltens anzustreben, weniger auf die Entstehung der Erkrankung zu fokussieren.

Durch diesen begleitenden Gesprächsstil wird der Übergang von der Regression in die Progression vereinfacht, da der Patient in diesem Gespräch anfängt für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.

Die folgenden Abschnitte gliedern sich in verschiedene Teile der Therapie. Das RULE-Kürzel zeigt uns, wie die therapeutische Haltung gestaltet sein sollte. Das OARS-Prinzip zeigt uns grundlegende Techniken für den Umgang mit Patienten. Das DARN-Schema arbeitet an der Ambivalenzreduktion und Absichtsbildung. Die CAT-Regel soll eher dabei helfen, nach einer Absichtsbildung die Umsetzung zu erleichtern.

Grundhaltung der motivierenden Gesprächsführung

Die Haltung im Motivational Interviewing lässt sich durch das Akronym RULE beschreiben. Hier geht der Fokus weg vom Ratgeben und vom leitenden Gesprächsstil.

Der begleitende Gesprächsstil zeichnet sich vor allem dadurch aus, das man vorwiegend den Patienten das Themenfeld erschließen lässt. Man holt ihn da ab, wo er steht, begleitet ihn jedoch durch hilfreiche Fragen.

Der führende Gesprächsstil zeichnet sich vor allem durch Informations- und Wissensübermittlung aus. Fragen werden eher geschlossen gestellt um verschiedene Dinge gezielt abzuchecken. Im führenden Gesprächsstil werden Anweisungen und Handlungsempfehlungen bevorzugt.

Der folgende Gesprächsstil orientiert sich am Patienten. Der Patient bestimmt die Geschwindigkeit, mit der die Dinge geschehen. Nachfragen und Konfrontationen werden weitestgehend vermieden. Der Patient verbleibt sehr lange in seinem eignen Gedankenfeld.

Der begleitende Gesprächsstil wirkt sich auf die Patienten anders aus, daher habe ich in den einzelnen Bereichen beschrieben, was ein führender oder folgender Gesprächsstil für das Gespräch bedeuten würde.

Resist telling what to do

Häufig wollen wir Menschen helfen indem wir Ihnen Ratschläge geben. Häufig produzieren diese unmittelbar Widerstand und behindern damit das Fortkommen in der Therapie. Dies endet nicht selten im Kampf um Wahrheit und Deutungshoheit und nimmt damit Geschwindigkeit und Kraft aus dem therapeutischen Prozess.

Führender Gesprächsstil: Weniger Resistenz beim Therapeuten

Folgender Gesprächsstil: Mehr Resistenz beim Therapeuten

Understand their Motivation

Wichtiger ist es nachzuvollziehen, was den Patienten an seinem Fortkommen hindert. Welche Bedürfnisse, Motive und Werte stehen hinter seinem Verhalten? Welche Barrieren stehen dem Patienten bei der Zielerreichung im Weg? Versuche das Verhalten des Patienten nicht defizitär sondern funktional zu betrachten. Welche Funktion hat das, was er tut? Oder anders: Für welches Problem war dieses Symptom die Lösung?

Führender Gesprächsstil: Weniger Verstehen, da der Fokus auf der Intervention liegt

Folgender Gesprächsstil: Weniger Verstehen, da weniger Nachfragen

Listen with empathy:

Höre empathisch zu und versuche heraus zu finden, welche Werte, Motive, Bedürfnisse und Barrieren der Patient hat. Bewerte nicht das Gesagte, sondern versuche in die Erlebniswelt des Patienten einzutauchen. Welche Emotionen und Bedürfnisse verursachen das Verhalten?

Führender Gesprächsstil: Weniger Zuhören, mehr anleiten

Folgender Gesprächsstil: Mehr zuhören, weniger verstehen

Empower them:

Arbeite mit deinen Klienten und ihrem Umfeld an erreichbaren Zielen. Finde Wege und Methoden Barrieren zu überwinden. Spiegel den Patienten wider, dass Veränderung möglich und praktizierbar ist.

Führender Gesprächsstil: Mehr Fordern, weniger bekräftigen

Folgender Gesprächsstil: Mehr Verständnis / Mitleid, weniger Bekräftigen

Das Ruder übernehmen (lassen)

Motivational Interviewing bietet verschiedene Techniken an, um mit den Patienten am Widerstand zu gleiten. Das bedeutet, dass man sie nicht überrumpelt und überfordert, oder versucht Reaktanz bestmöglich zu vermeiden. Hierfür wird das Akronym „oars“ verwendet. Das bedeutet „Ruder“. Es soll den Patienten also helfen, selbst das Ruder zu übernehmen

  • Open-Ended-Questions (Offene Fragen)
    • Kurze Antworten sind erschwert. Der Patient wird motivert selbst zu sprechen. Einfache ja/nein Antworten sind nicht möglich.
    • Beispiel1: Was können sie mir über ihren Konsum erzählen?
    • Beispiel2: Was sollte eine Behandlung Ihnen ermöglichen?
  • Affirmations (Bekräftigungen)
    • Positive Beachtung und Stärkung des Patienten. Vermittlung von Vertrauen in seine Fähigkeiten und Kompetenzen. Verstärkung von positiven Verhalten.
    • Beispiel1: Du bist eine starke Person, ein echter Kämpfer.
    • Beispiel2: Ich fand deine offene Rückmeldung heute richtig stark!
  • Reflections (Reflexionen)
    • Äußerungen darüber was der Patient wahrscheinlich meint. Oder Paraphrasierungen. Versuch die Gefühle des Patienten widerzuspiegeln.
    • Beispiel1: Damit kommst du besser mit Stress klar.
    • Beispiel2: Du hast das Gefühl, du kannst nicht anders damit umgehen.
  • Summary (Zusammenfassung / Verknüpfung)
    • Die Aussagen des Patienten werden zusammengefasst und miteinander verbunden.
    • Beispiel1: Im Moment sorgst du dich um deine Eltern, brauchst einen neuen Job und ebenso eine neue Wohnumgebung.
    • Beispiel2: Du würdest dich gerne mehr bewegen, und deine Arbeitszeit reduzieren um ein ausgeglicheneres Leben zu führen.

Dadurch, dass das Material ausschließlich vom Patienten geliefert wird und keine Vorschläge oder Ratschläge seitens des Therapeuten gegeben werden, wird der Aufbau von Reaktanz vermieden. Diesen Prozess nennt man „Rolling with Resistance“. Der Patientent arbeitet sich selbst an seinen Widerständen ab und überträgt sie nicht auf den Therapeuten.

Change-Talk: Warum Wandel? (DARN)

Das OARS-Prinzip beschreibt recht allgemeine Gesprächsführungstechniken, die in jeder Therapiephase wichtig sind. Bei angestrebten Veränderungen, ist es für Patienten sehr wichtig zu erkennen wozu und wie sie sich ändern wollen und was ihnen eventuell im Weg stehen könnte. Es ist wichtig Patienten darauf vorzubereiten, dass Änderungsprozesse häufig auch mit Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten verbunden sind. Sofern diese schon vorher antizipiert werden, kann ihnen leichter begegnet werden. Das Akronym für den vorbereitenden Change-Talk ist DARN. Darn bedeutet so viel wie „verflixt“, dies sagt man häufig, wenn man etwas ändern will, aber noch nicht weiß wie.

  • Desire to Change (Änderungswunsch)
    • Welche Veränderungen würden sie gerne vornehmen?
    • Beispiel: Ich möchte aufhören zu rauchen.
  • Ability to Change (Fähigkeit zur Veränderung)
    • Wie können Sie diese Veränderung erreichen?
    • Beispiel: Ich könnte es mit Nikotinkaugummis probieren.
  • Reasons to Change (Gründe zur Veränderung)
    • Wozu wollen sie Veränderungen vornehmen?
    • Beispiel: Ich möchte wieder besser atmen können.
  • Need to Change (Wichtigkeit der Veränderung)
    • Wie wichtig, ist es, dass sie damit aufhören (Skala 1-10)?
    • Ich muss aufhören, ich kann schon keine Treppen mehr laufen…

Mit dem DARN-Schema kann man bei seinen Patienten die Ambivalenzreduktion unterstützen. Die Patienten sollten selbst für sich herausfinden, wieso Veränderungen hilfreich wären. Manchmal merkt man auch an Patienten, dass sie einen Änderungswunsch haben, wenn sie einzelne DARN-Faktoren äußern.

Change Talk: Wie geht’s los? (CAT)

Irgendwann soll’s ja auch mal losgehen mit der Veränderung. Dazu sind Fragen sinnvoll, die Veränderungen im Verhalten anregen. Hierzu haben sich die Fragen um das CAT-Kürzel ergeben. Katzen tun im Wesentlichen nur was sie wirklich wollen, und dies dann meist mit hoher Begeisterung.

  • Commitment (Zustimmung / Widmung)
    • Was nimmst du dir vor?
    • Ich werde das rauchen reduzieren.
  • Activation (Aktivierung)
    • Was bist du bereit zu tun?
    • Ich werde nächste Woche keine Zigaretten kaufen.
  • Taking Steps (Schritte unternehmen)
    • Was hast du bisher unternommen?
    • Ich habe kein neues Feuerzeug mehr gekauft.

Lustigerweise haben wir in diesem Kürzel die gleichen Buchstaben wie im Therapieansatz ACT. Dort stehen die Buchstaben für. Akzeptiere (was du nicht ändern kannst), Commite (an deine Ziele und Werte) und Tu etwas (was dich in Richtung deiner Werte bringt.

Beispielfragen nach Themenbereichen


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar