Die PSI-Theorie ist eine Meta-Theorie von Julius Kuhl. Sie versucht bisher erworbene Erkenntnisse zueinander in Bezug zu setzen und daher menschliches Verhalten multifaktoriell zu prüfen. Meiner Ansicht nach, lassen sich auch Therapeutische Ansätze anhand dieses Modells gut in ihre Stärken und Schwächen unterscheiden. Doch schauen wir uns zunächst die Persönlichkeitsachtitektur der PSI-Theorie im Überblick an. Die einzelnen Ebenen sind aufsteigend organisiert. Je höher die Ebene, desto mehr Kortexbeteiligung ist in den Prozessen zu erwarten.
- 1. Elementare Systeme
- Objekterkennung: Erkennen von Gefahrensituationen
- Intuitive Verhaltenssteuerung: Programmatisches Verhalten.
- 2. Temperament
- Stabilität / Neurotizismus
- Intraversion Extraversion
- 3. Affekte
- Positiver Affekt + ; Intuitive Verhaltenssteuerung
- Negativer Affekt – ; Objekterkennungssystem
- gedämpft positiver Affekt ; Intentionsgedächtnis
- gedämpft negativer Affekt; Extentionsgedächtnis
- 4. Progression und Regression
- Je nach Stresslevel, wird Kortex zu- oder abgeschaltet
- 5. Basismotive
- Anschluss
- Leistung
- Macht
- Freiheit
- 6. Kognition (Denken vs. Fühlen)
- Denken : Eher serielle Verarbeitung, verbale Repräsentation
- Fühlen : Eher parallele Verarbeitung, Assoziative Repräsentation
- 7. Selbstregulation und Selbststeuerung
- Selbstregulation: Eher innerer demokratischer Prozess
- Selbststeuerung: Eher innerer autokratischer Prozess
An dieser Stelle wird deutlich, dass Verhalten durch das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen entsteht. Auf der ersten Ebene befinden sich Lernerfahrungen, die maßgeblich unserer Bewertungen beeinflussen. Auf der Ebene des Temperaments sehen wir, wie anfällig jemand für Stimulation auf sensorischer Ebene ist (Neurotizismus / Extraversion) und wie er mit solchen Stimulationen umgeht (Extraversion / Intraversion / Offenheit / Rigidität).
Affekte beeinflussen dabei, welche Makrosysteme überwiegend angesteuert werden. Bei ungedämpft positiven Affekt verhalten sich Menschen überwiegend intuitiv (wer einen Orgasmus erlebt plant nicht). Bei gedämpftem positiven Affekt (Zuversicht) können Menschen Verhalten bahnen und Absichten umsetzen.
Negativer Affekt wird eher dazu führen, dass wir Dinge binär betrachten und schnell Fehlstellungen oder Gefahren erkennen. Gedämpft negativer Affekt ermöglicht es uns, uns selbst zu Empfinden und Zugang zu unseren Werten wahrzunehmen.
Stress und erhebliche Gefahrensituationen können dazu führen, dass die höheren Systeme abgeschaltet werden. Wir haben dann nur noch Bedingt zugriff auf Denken, Fühlen unserer Basismotive und Selbststeuerungssysteme. Dies bezeichnet man als Regression. Progression bedeutet, dass wir den Zugang zu diesen Systemen wiedergewinnen.
Basismotive sind Spiegel unserer Ziele und Bedürfnisse. Es wird in Anschluss-, Leistungs-, Macht- und Freiheitsmotiv unterschieden. Darüber hinaus werden diese vier Motivarten nochmals in implizite und explizite Motive unterschieden.
Implizite Motive sind früh erworben, assoziativ und parallel repräsentiert und lassen sich nur bedingt verbalisieren. Sie zeigen sich überwiegend auf der Ebene des Spontanverhaltens. Explizite Motive sind sprachlich erworben eher seriell repräsentiert und äußern sich überwiegend im Planverhalten. Implizite und Explizite Motive können kongruent oder inkongruent sein. Sofern sie sich entsprechen vereinfacht dies die Handlungssteuerung. Sind sie inkongruent wird Willensbahnung erforderlich sein, um Ziele aktiv zu verfolgen.
Auf Ebene der Kognition ist in Denken und Fühlen zu unterscheiden. Denken ist ist eher serieller Natur wobei wobei fühlen eher assoziativ und parallel geschieht. Für das Lösen von Problemen ist Denken von ab unablässig, viele Entscheidungen werden jedoch auf Gefühlsbasis getroffen. Stellen Sie sich einfach mal vor wie an wie anstrengend es wäre, ein Auto zu kaufen allein aufgrund rationaler Überlegung. Wir müssten Preis, Qualität, Verbrauch, Sicherheit, Preisverfall, ökologische Aspekte und vielerlei mehr einzeln bewerten und gewichten. Häufig lassen wir uns jedoch eher davon leiten, ob uns ein Auto gefällt und welche Erfahrungen wir mit der jeweiligen Marke gemacht haben, dies sind keine rationalen Beweggründe.
Selbststeuerung und Selbstregulation stell die höchste Ebene in der PSI-Theorie dar. Hier geht es darum Motive, Absichten und Werte langfristig umzusetzen, entgegen kurzfristiger Handlungsimpulse. Dazu ist es eine einerseits wichtig sich motivieren zu können um langfristige Werte und Absichten umzusetzen. Andererseits ist es wichtig sich selbst zu beruhigen um sich nicht ausschließlichvon kurzfristigen Impulsen leiten zu lassen.
Woran arbeitet was?
Mir ist es wichtig zu betonen, dass dass die verschiedenen therapeutischen Schulen in verschiedenen Startpunkten ansetzen, hierbei hat jeder seine Stärken und seine Berechtigung. Erfolgreiche Therapeuten werden meiner Ansicht nach immer integrativ arbeiten. Dabei mischen Sie verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologische oder systemische Elemente, je nachdem was die aktuelle Situation erfordert.
Verhaltenstherapeutische Interventionen sind vor allem auf der elementaren Ebene sinnvoll, finden sich jedoch auf vielen Ebenen wieder (1,2,4,5,6,7) Häufig werden auch Affektregulationstechniken vermittelt. Ansonsten fokussiert die Verhaltenstherapie, eher auf das Denken als das Fühlen, und eher die expliziten Motive, als die impliziten Motive, auf Ebene der Selbststeuerung sind wahrscheinlich eher Selbstkontrollmechanismen relevant.
Tiefenpsychologische Intervention fokussieren meiner Ansicht nach eher Affekte, Motive und das Fühlen (Ebene 3,5,6,7), sie fokussieren dabei weniger auf der Ebene der Gewohnheiten. Auf motivationaler Ebene werden hier jedoch eher implizite Motive Bearbeitet, das Fühlen in den Vordergrund gestellt und
Psychiatrische und medikamentöse Interventionen greifen vor allem auf der zweiten dritten und 4. Ebene, also der des Temperaments, des Affekts und der Regression/ Progression. Psychopharmaka können auf der zweiten Ebene Erregung und Aktivierung verändern, sich auf den Affekt auswirken, oder begünstigen die Progression durch neurochemische Prozesse.
Systemische Ansätze sind meiner Ansicht nach, in der Regel veräußerlichte Reflexionsprozesse, die dann internalisiert werden. Sie arbeiten daher häufig auf der Ebene von Bewertungen und Ansichten. Sofern das äußere aktiv Umfeld mit einbezogen wird, wird diess durch geleitete moderierte Interaktionsprozesse flankiert.
Techniken aller Ansätze sollten entsprechend in der Therapiegestaltung berüchsichtigt werden.
Die vier Makrosysteme
Kuhl spricht von vier Makrosystemen in seiner Theorie. Sie sind unterschiedliche Funktionseinheiten der Erkenntnisgewinnung. Er unterscheidet Das Objekterkennungssystem (assoziiert mit negativem Affekt), die intuitive Verhaltenssteuerung (assoziiert mit positivem Affekt), das Intentionsgedächtnis (assoziiert mit gedämpft positivem Affekt), sowie das Extensionsgedächtnis (assoziiert mit gedämpft negativem Affekt). Er hat verschiedene Modulationsannahmen postuliert, die psychische Prozesse beim Menschen anschaulich beschreiben.
Das Objekterkennungssystem
Das Objekterkennungssystem ist bei ungebremstem negativen Affekt aktiv. In der Wahrnehmung treten Missstände und Fehler in den Vordergrund. Handlungstraged werden vor allem Vermeidungsziele durch den Negativfokus.
Die Intuitive Verhaltenssteuerung
Die Intuitive Verhaltenssteuerung ist bei ungebremst positivem Affekt aktiv. Menschen reflektieren in diesem Zustand ihr handeln nicht, sondern handeln spontan und aktiv. Das Handeln ist durch das Verfolgen von Annäherungszielen bestimmt.
Das Extentionsgedächtnis
Das Extentionsgedächtnis (Selbst) wird bei gemindertem negativem Affekt aktiv. Sofern ungebremster negativer Affekt reduziert werden kann, können die Affekte und Erlebnisse ins Selbstbild integriert werden. Das Selbst ist eher nichtsprachlich, netzwerkartig, parallel, gleichzeitig und assoziativ repräsentiert.
Das Intentionsgedächtnis
Das Intentionsgedächtnis (Ich) ist bei gemindertem positivem Affekt aktiv. Die Prozessierung von Daten findet seriell, sprachlich statt. Für die Umsetzung von Absichten, muss positiver Affekt bereitgestellt werden (Zuversicht / Selbstmotivierung).
Erste Modulationsannahme: Positiver Affekt bahnt Willen
Intuitive Verhaltenssteuerung wird durch positiven Affekt aktiviert (A+). Sofern keine Absichten im Absichtsgedächtnis gespeichert sind, steuert die Intuitive Verhaltenssteuerung automatisch unser Verhalten anhand von abgespeicherten Verhaltensroutinen.
Schwierige Absichten können wir jedoch nur umsetzen, wenn wir den Verlust von positivem Affekt eine Weile aushalten können. Wir benötigen diese Frustrationstoleranz, denn sonst würden wir langfristige Ziele, immer für kurzfristige Ziele oder Impulse aufgeben.
Selbstmotivierung bedeutet daher auch, zwischen der positiven Zielantizipation und den möglicherweise auftretenden Problemen mental hin- und herpendeln zu können.
Zweite Modulationsannahme: Negativer Affekt hemmt den Selbstzugang
Bei negativem Affekt wird die Herauslösung einzelnder Objekte aus dem Zusammenhang verstärkt. Wir neigen zu schwarz-weiß-denken und absoluten Ansichten (immer, nie, jeder….). Das bedeutet, dass wir die negativen Aspekte nicht mehr im Kontext mit positiven Erfahrungen sehen können. Unser Selbstzugang ist demnach eingeschränkt. Dieser kann erst wieder hergestellt werden, wenn wir es schaffen den negativen Affekt abzumildern.
Erst mit reduziertem negativen Affekt tritt wieder Selbstbewusstsein und Selbstwahrnehmung in den Fordergrund. Häufig sieht man diesen Effekt bei akutem Stress, Menschen neigen dazu unter negativen Affekt Aufgaben ungeprüft zu übernehmen ohne vorher eine Selbstabfrage zu vollziehen.
Dritte Modulationsannahme: Willenshemmung
Können Absichten nicht sofort ausgeführt werden, werden sie im Absichtsgedächtnis so lange Aufrecht erhalten, bis die Situation zur Ausführung günstig ist. Dies führt zu einer Reduktion von positivem Affekt. Dies wiederum reduziert die Wahrscheinlichkeit der Absichtsumsetzung. Gleichzeitig wird die wahrscheinlichkeit für analytische Denkvorgänge erhöht. Für eine Umsetzung der Absicht wird wiederum eine Heraufragulierung des Affekts notwendig sein.
Vierte Modulationsannahme: Selbstberuhigung
Das bahnen des Extentionsgedächtnisses, kann zu einer Verminderung des negativen Affekts führen. Wann habe ich schon mal so etwas erlebt? Wie bin ich beim letzten mal damit umgegangen? Was hat diese Erfahrung für mich bedeutet? Welche Bedeutung hatte sie für mein Leben? Welchen Sinn hatte diese Erfahrung?
Fünfte Modulationsannahme: Selbstmotivierung
Die Aktivierung des Extentionsgedächtnisses kann den willensbahnenden Effekt erhöhen, wodurch intrinsisch motiviertes Handeln ermöglicht wird. Sobald man auch unangenehmen Aspekten etwas positves abgewinnen kann, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man Rückschritte im Vordergrund betrachtet und sich durch sie einschüchtern lässt. Selbstmotivierung ist eine Form der willentlichen Selbststeuerung, die nicht anstrengt. Selbstmotivierung wird durch positive Beziehungsgestaltung in Form von Ermutigung erlernt.
Sechste Modulationsannahme: Selbstverwirklichung
Voraussetzung von Selbstwachstum und selbstkongruentem Handeln ist ein ausgewogener Wechdsel zwischen positiven und negativen Affektlagen und ihrer Herabregulierung (emotionale Dialektik).
Siebte Modulationsannahme: Penetration
Je stärker eines dieser Untersysteme entwickelt ist, desto mehr Affekt muss bereitgestellt werden, um alternative Systeme zu Bahnen.
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