Focused Feedback – mit offenen Karten

In der Therapie arbeite ich häufig mit schriftlichem Feedback. Patienten profitieren sehr von dieser Form von Feedback. Meine selbst entwickelten Feedbackkarten werden von Patienten häufig als Hinweisreize und Reminder verwendet, das eigene Verhalten in bestimmten Aspekten nachhaltig zu verändern.

Wieso funktionieren die Karten so gut? Viele Behandler wundern sich im Nachgang einer Therapie, welche Lernerfahrungen die Patienten berichten. Häufig sind das nicht die vom Therapeuten fokussierten Inhalte. Gerade „dicke Brocken“ können häufig nicht bewegt werden, weil die notwendige Verarbeitungs- oder Einsichtstiefe nie vom Patienten erreicht wurde.

Wieso funktionieren Feedbackkarten so gut? Was funktioniert dabei?

Verschiedene Mechanismen funktionieren bei der Verwendung von dem jeweiligen Kartensystem. Mir wurden die einzelnen Funktionalitäten durch die Patienten zurückgemeldet. Darüber hinaus habe ich natürlich verschiedene Perspektiven entdeckt, die mir erläutert haben, wieso die Karten so positiv aufgefasst haben.

Zum einen werden die Karten häufig sichtbar von Patienten sichtbar aufgehängt, damit funktionieren sie als Hinweisreiz. Sie erinnern daran, dass man sein Verhalten oder seine Gedanken auf bestimmte Art und Weise ändern wollte.

Damit wird der Recall von Intentionen oder Gesprächsinhalten vereinfacht. Allein durch die Karte können auch wesentliche Inhalte des Gespräches besser erinnert werden, dies passiert durch kontextuelle das kontextuelle „Haftenbleiben“ an den Karten.

Die Karten können darüber hinaus als Transitionsobjekte angesehen werden. Das bedeuetet, dass die Patienten Anschauungen, Beistand und Rat des Therapeuten so lange „mit sich herumtragen können“, bis sie es letztendlich geschafft haben, den Inhalt zu Internalisieren. Diese Karten können dabei helfen hilfreiche Introjekte zu bilden, die den Patienten bei der Einstellungs und Verhaltensänderung helfen.

Da die Karten, mit Therapeutenfeedback versehen, „verstofflichte Gedanken“ darstellen, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Problemabktualisierung kommt. Patienten werden also an ihre „Baustellen“ und die intendierten Verhaltensänderungen erinnert. Egal ob die Karte irgendwo an auffälliger Stelle platziert wird, oder einem zu späterem Zeitpunkt erneut in die Finger gerät, man wird erneut auf die besprochene Problematik hingewiesen. Man kann in diesem Zuge prüfen, ob sich Einstellungen, Emotionalität oder Verhalten bezüglich der Thematik geändert hat.

Bei der erneuten Exposition mit dem Gedanken außerhalb eines Gesprächs, ist erleichterter Perspektivenwechsel wahrscheinlich. Der Patient kann in Ruhe ohne Rechtfertigungsdruck die Auseinandersetzung mit dem dargestellten Gedanken aufnehmen. Häufig verändert sich auch der Widerstand zu vorgebrachten Argumenten mit der Zeit, da sich die Erfahrungswelt des Patienten durch das Feedback verändert hat. Wir alle kennen „Can not be unseen“- Phänomene, und verändern aufgrund dieser Wahrnehmungen unsere Weltsicht.

Insgesamt verbessern diese Karten die Beziehung zum Patienten. Menschen streben reziproke Beziehungen an. Umso mehr ich dem Patienten „mitgebe“ umso mehr wird er bereit sein „mitzubringen“. Die Karten sind nicht teuer und die Patienten haben immer wieder das Gefühl aufs neu beschenkt zu werden. Aus diesem Grunde werden sie mehr in die therapeutische Beziehung investieren.

Ritualisierte Feedbackschleifen entstehen häufiger bei der regelmäßigen Arbeit mit den Feedbackkarten. Ich habe es häufiger erlebt, dass Patienten ab einem gewissen Punkt fast schon beginnen Karten (das Feedback darauf) einzufordern, wenn sie es gewohnt sind eine Takehome-Message zu bekommen.

Die Karten tragen auch zur Förderung von Offenheit bei. Viele Menschen sind neugierig, welche Karten es noch so gibt, oder welche Karten ich neu entwickelt habe, oder ich noch entwickeln möchte. Diese Neugier gibt Menschen die Möglichkeit sich auf exploratives Verhalten im sicheren Rahmen zuzubewegen.

Durch das Zureichen der Karten kann man Blockadehaltungen (körperlich) völlig gewaltlos aufbrechen. Patienten öffnen sich damit schneller auf physischer und metaphysischer Ebene. Häufig folgen Emotionalität und Geist dem Körper, daher wird einem hier über den ersten Widerstand schon hinweg geholfen.

Sie vermittelm den Patienten darüber hinaus die Involviertheit des Therapeuten, denn der Gedanke auf der Rückseite ist nur für den Patienten – ein sehr persönliches, individuelles Geschenk. Diese Involviertheit wird als größer wahrgenommen, wenn die Karten außerhalb der Sitzungen geschrieben werden. – Der Patient bekommt die Idee, dass er mir wichtig ist, und ich mich mit ihm beschäftige.

Ein weiterer Vortei der Karten ist, dass sie multilineares Arbeiten ermöglichen und automatisieren. Patienten vergessen schnell Gesprächsinhalte, häufig geraten besprochene Dinge schnell wieder in den Hintergrund. Durch die Karten werden Inhalte immer mal wieder präsent, auch in anderen Kontexten. Ich kann darüber hinaus auch nach dem Gespräch Einsichten über den Patienten gewinnen, die ich schnell vergessen würde und sie niederschreiben und damit für die nächste Stunde vorbereiten. Ich kann damit kurz und effektiv in der Abwesenheit des Patienten an ihm arbeiten.

Durch die verschiedenen Karten kann ein Grundgerüst an psychologisch hilfreichem Wissen vermittelt werden. Die gezielte Hilfe beim Aufbau von Wissensnetzwerken beim Patienten, wird Scaffolding genannt. Das ist eine effektive Methode um langfristig stabile Wissensnetzwerke aufzubauen. Einige Karten bauen aufeinander auf. So gibt es Hexaflex-Karten und weiterführende Karten zu Akzeptanz, Defusion, Selbstbeobachtung, Werten und so weiter.

Werden die Karten anderen gezeigt, oder von anderen gesehen, kommt es häufig zu spontanen Diskussionen und von anderen beigetragenen Perspektiven. Die Karten sind gewissermaßen Random Nonsense Generatoren. Häufig helfen Beiträge von Mitpatienten oder Freunden viel mehr, als die von Therapeuten. Gerade in der stationären Behandlung werden die Patienten häufig von Mitpatienten angesprochen. Sätze wie: „Rote Karte vom Therapeuten? Was hast’n angestellt?“ oder „Grüne Karte? Das freut mich für dich, wie hast’n die bekommen?“

Wie wendet man die Karten an?

Diese Karten sind nicht als Give-away, Andenken, oder Geschenk gedacht. Diese Karten sind komplett wertlos ohne eine eigenen Widmung des Therapeuten. Der Wert der Karte liegt nicht in der Karte selbst, sondern in dem Gedanken, den der Therapeut der Karte verleiht.

  • Höre aktiv zu
  • Erkenne die Problematik des Patienten
  • Wähle eine Karte die Wissen vermittelt / provoziert / korrigiert / spiegelt
  • Schreibe eine Widmung die zum Patienten passt
  • Übergib dem Patienten die Karte
  • Lass ihn die Karte lesen
  • Benutzen sie die Karte als Anker und sagen sie dem Patienten, woran die Karte erinnern soll

Idealerweise gibt man mindestens eine Karte am Tag mit, sofern es einen Anlass oder die Möglichkeit dafür gibt. Es lohnt sich durchaus, die Nutzung weitestgehend zur Ritualisieren.

Ich benutze gerade am Anfang häufiger sogar mehrere Karten in einer Stunde. Einige bespreche oder thematisiere ich jedoch erst später genauer mit dem Patienten.

Häufig ist es sinnvoll Erkenntnisse, die sich bezüglich eines Patienten später ergeben, einfach niederzuschreiben und in der Folgezeit in die Therapie zu integrieren. In diesem Fall werden die Karten in Abwesenheit des Patienten vorbereitet. Ein paar praktische Beispiele:

  • Vielleicht stelle ich nach einer Stunde fest, dass ich bei dem Patienten im Fehlerfokus war und wichtige Fortschritte im Prozess übersehen habe, ohne Sie mit dem Patienten zu feiern: Ich könnte nun mit einer Ja-Karte, das „Feiern“ für die nächste Therapiestunde vorbereiten.
  • Vielleicht stelle ich nach einer Stunde fest, dass dem Patienten eine gewisse Technik eventuell weiterhelfen könnte. So könnte ich auch hier die Entsprechende Karte vorbereiten (Defusion, Selbstbeobachtung…)

Es ist sehr hilfreich, das eigene therapeutische Handeln durch die Karten mitzugestalten. Man kann die Vorhaben wieder aus der Erinnerung schmeißen, nachdem man die wesentlichen Gedanken niedergeschrieben hat.

Welche Karten gibt es? – Wozu können sie verwendet werden?

Die ursprünglichen Karten waren rein als Feedbackhinweise gedacht. Sie sind im Rahmen meiner forensischen Arbeit entstanden. Erst im Verlauf der Arbeit kam mir die Idee sie weniger als Token zu verwenden, sonderm mehr als Feedbacktool. Dadurch wurden sie sehr schnell um einiges effektiver, da sie eine Erinnerung für Erfolge und Misserfolge darstellten.

Funktion und Idee der Karten kann sehr unterschiedlich sein. Einige sind klassische Feedbackkarten, andere dienen dem Wissensaufbau, wieder andere dienen eher der Provokation.

„Ja“-Karte

„Nein“-Karte

„Ist das hilfreich?“-Karte

„Milieugeschädigt“-Karte

„Probier’s mal mit…“-Karte

„Was würde… tun?“-Karte

„Mentalisieren“-Karte

„Fear“-Karte

„Ikigai“-Karte

„Selbstfürsorge“-Karte

„Will ich das?“-Karte

„Flaggen“-Karte

„Hexaflex“-Karte

„Werte“-Karte

„Defusion“-Karte

„Akzeptanz“-Karte

„Bodyscan“-Karte


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