Häufig gehen psychische Erkrankungen am unmittelbaren Umfeld des Patienten nicht spurlos vorüber. Viele rutschen in die Depression oder Anpassungsstörung, weil sie durch das Zusammenleben mit ihrem Partner belastet sind. Andere beginnen sich chronisch zu sorgen und verlieren dadurch an Funktionalität und Lebensfreude. Paargespräche führe ich mit jenen Paaren, bei denen ein Beteiligter bei mir in Behandlung ist, und der Partner sich durch die Störung beeinträchtigt zeigt. Voraussetzung für ein Paargespräch ist für mich meist, dass keine ernstzunehmende Trennungsandrohung im Raum steht. Kurz: Beide zeigen sich durch die Umstände belastet, wollen aber prinzipiell zusammenbleiben.
Für ein Paargespräch veranschlage ich im Normalfall 120 Minuten. Häufig tragen diese Gespräche massiv zur Konsolidierung von angeschlagenen Partnerschaften bei und Erhöhen die Beziehungszufriedenheit und die Zuversicht in eine gemeinsame Zukunft.
Gesprächseinstieg
Nach ein paar Minuten Smalltalk, frage ich mit meiner Plutchnik-Scheibe die Emotionen im Raum ab. Ich bitte die Patienten und den Partner 3 Emotionen einzukreisen oder einzukästeln. Manchmal gehe ich in Vorkasse und kreise zunächst die drei Emotionen ein, die mir gerade am ehesten entsprechen um die Anwesenden zu ermutigen. Danach weiß ich, welche Emotionen im Raum herumwabern und kann mich auf die kommenden Situationen besser einstellen.
An dieser Stelle kann man wunderbar seine Vorhaben korrigieren, sofern sich beim Partner massive Belastungen zeigen und eine Eskalation im Raum steht.
Kommunikationsübung (optional)
Häufig wenn ich im Vorfeld mitbekomme, dass die Partnerschaft schon Konfliktbelastet ist, füge ich nach der Emotionsabfrage eine Kommunikationsübung ein. Hierzu drucke ich ein paar Bilder aus, bitte die Beteiligten sich umzudrehen und diese zu beschreiben. Der jeweils andere, bekommt die Aufgabe zu skizzieren was der andere sieht.
In der Regel haben das Foto und das gezeichnete Bild nicht viel miteinander gemein. Man kann den Beteiligten damit vortrefflich zeigen, dass es schon bei einfachen Sachen sehr schwer sein kann, dem Gegenüber ein passendes Bild zu vermitteln. Gefühle sind häufig noch weniger konkret und daher noch schwieriger zu beschreiben.
In der Regel führt diese Übung zu der Einsicht, dass schnell Missverständnisse entstehen können.
Brainwriting
Danach bekommen die Partner von mir eine Auswahl von Fragen, zu denen sie sich wortlos Notizen machen sollen. Im Anschluss daran werden diese Fragen besprochen, was häufig zu emotionalen Situationen und dem einen oder anderen Freudentränchen führen kann. Folgende Fragen benutze ich dabei häufig:
Ressourcenorientierte Fragen
Nennen sie die fünf schönsten Erinnerungen, die sie mit ihrem Partner teilen.
Häufig stehem in der Gegenwart eher negative Aspekte der Beziehung im Vordergrund, diese ressourcenorientierte Frage, macht den Liebenden deutlich, dass sie sich irgendwann aus einem bestimmten Grund füreinander entschieden haben.
Was mögen sie an ihrem Partner?
Wertschätzung ist das Fließmittel für jede Beziehung. Auch diese Frage soll dazu dienen die positiven Aspekte des Gegenübers zu betonen. Häufig sprechen Menschen leider halt nicht aus, was sie füreinander empfinden.
Was mögen sie an sich selbst nicht so sehr?
Hier werden häufig Dinge genannt, die der Partner nicht an einem leiden kann. Im Alltag vergessen Paare häufig, das jeder seine Macken hat und das störende Verhalten des Gegenübers nicht vorsätzlich gezeigt wird um den anderen zu verletzen.
Veränderungsorientierte Fragen
In der Partnerschaft sollten wir mehr…
Hier werden häufig Handlungen und Unternehmungen genannt, die verloren gegangen sind. Es können alltägliche Berührungen, Komplimente, gemeinsame Abende, oder schlichtweg der gemeinsame Sex hier auftauchen. So können die Teilnehmenden sich darüber austauschen, welche Bedürfnisse im Argen liegen.
In der Partnerschaft sollten wir weniger…
Hier werden Dinge genannt, die überhand genommen haben und die Partnerschaft torpedieren. Das kann das fehlen von us-Time beinhalten, eine Fixierung auf die Arbeit oder auf die Kinder aufzeigen.
Was würde ich gerne in der Partnerschaft verändern? Wie?
Hier geht es darum gemeinsame Pläne zu entwickeln, wie die Partnerschaft wieder in Schwung gebracht werden kann. Häufig hilft es schon in der Stunde einige Konkretisierungen mit dem Paar zu erarbeiten.
Zusammenführung und Abschluss
Bei der Besprechung der vorherigen Fragen, steigt manchmal etwas die Hitze über die Unzufriedenheit mit der Partnerschaft, daher macht es Sinn die beiden Gesprächsteilnehmer auch wieder bei der Annäherung zu unterstützen. Dazu eignen sich folgende Fragen:
Welche Werte verbinden uns? Was haben wir gemeinsam?
Manchmal vergessen Paare, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben und diese auch tagtäglich teilen. Daher ist es sinnvoll sie daran zu reorientieren.
Bitte formuliere eine Liebeserklärung für deinen Gegenüber
Diese diktiere ich nicht mit den übrigen nacheinander weg, sondern ich spare sie für den Schluss auf. Manchmal ist sogar vorher schon eine Liebeserklärung ausgesprochen worden. Für den Fall, dass es nicht so ist, bildet das einen gebührenden Abschluss.
Therapeutische Aufgabe
Zum Abschluss entlasse ich die Patienten mit einer therapeutischen Aufgabe. Mit dieser können sie den Auftrieb durch das Gespräch nutzen und ihre Bindung danach noch weiter festigen.
36 Fragen zum Verlieben
Ich bitte sie gemeinsam die 36 Fragen zum verlieben zu beantworten. Sie sollen sich abwechselnd die jeweiligen Antworten auf die Fragen mitteilen und sich am Ende der Übung fünf Minuten wortlos in die Augen schauen.
Das Marmeladenglas
Bei dieser Intervention sollen die Patienten 10 Dinge aufschreiben, die sie gerne mit dem Partner täten und 5 Dinge aufschreiben, die sie selbst gerne täten, bei denen der Partner jedoch eventuell nicht so viel Freude hätte. Somit landen letztendlich 30 Zettel im Marmeladenglas. 20 mit Dingen die wahrscheinlich beide schön finden, 10 die wahrscheinlich einen von beiden etwas Überwindung kosten wird. Anschließend sollen die beiden wöchentlich einen Termin ausmachen und das Marmeladenglas „abarbeiten“.
Verführungskünstler
Versucht ein mal innerhalb der nächsten 4 Wochen euren Partner zu verführen. Lasst euch was einfallen! Probiert verschieden Medien aus! Probiert neue Praktiken aus!
Abschluss des Gesprächs
Danach verabschiede ich die Patienten. Meist frage ich dann nochmals, welche Emotionen sie jetzt empfinden und bitte sie das ins Plutchik-Wheel einzutragen. Meist zeigt sich eine deutliche Besserung der Emotionen, hin von Traurigkeit und Zweifel zu Gelassenheit, Begeisterung und Klarheit.
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