Beobachterselbst

Das Beobachterselbst ist die Funktion unseres Selbst, die sich im gedanklichen Prozess selbst beobachten kann. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Selbstkonzept. Das Selbstkonzept ist eine Ansammlung von grundlegenden Anschauungen über sich selbst. Diese Konzepte können positiv wie negativ sein. Vielen Menschen fällt es jedoch leichter negative Selbstinhalte abzurufen. Aber testen Sie doch selbst! Nimm ein Blatt und schreib alle negativen Eigenschaften auf, die dir über dich selbst einfallen. Wiederhole die Übung und notiere alles, was dir an dir gefällt. Die meisten haben keine Probleme damit Schwächen zu finden und tun sich schwer darin die Stärken zu notieren. Kurz: Abrufe aus dem Selbstkonzept sind häufig eher negativer Natur und daher oft in der Handlungsbahnung negativ. „Ich bin dumm, faul, schüchtern, hässlich…“ sind oftmals Überzeugungen über das Selbst, die einen daran hindern die Ziele zu verfolgen. Das Beobachterselbst ist kein Abruf von Selbstwissen, sondern stellt eine Aktualaufnahme des Befindens dar.

Das Selbstkonzept, kann man sich vorstellen wie eine Bühne, auf dieser tummeln sich die Überzeugungen über sich selbst: „Der Dumme“, „Der Ängstliche“, „der gute Fussballer“ finden sich hier wieder. Das Beobachterselbst entspricht dem Regisseur. Er kann beobachten, wem es wie geht, wer gerade in den Vordergrund tritt, lauter spricht, wer sich gerade hinter der Kulisse versteckt, wer gerade am Rande der Bühne auf seinen Auftritt wartet. Das Beobachterselbst ist also eine Haltung, aus der wir uns selbst beobachten können.

Diese Fähigkeit sich selbst beobachten zu können erleichtert zum einen die Defusion (sich lösen und sich distanzieren von festgefahrenen Gedankenknäueln) und zum anderen die Akzeptanz. Die Defusion wird erleichtert, da durch die Selbstbeobachtung klar wird, dass man denkt, dass man sich fühle wie ein dummer Mensch. Dies hat eine andere Qualität, als sich zu fühlen wie ein dummer Mensch oder sich für einen dummen Menschen zu halten.

Die Akzeptanz wird erleichtert, da man seine eigene Emotionalität bewusst wahrnimmt, statt sie verdrängen zu wollen, Akzeptanz beginnt mit der Gewahrwerdung eigener Emotionen, Bedürfnisse und innerer Anteile.

Training des Beobachterselbst

So weit so gut. Aber beim ACT geht es doch darum etwas zu tun. Was kann ich also tun? Selbstbeobachtung kann man natürlich üben, hier bieten sich verschiedene Techniken und Übungen an, die unterschiedliche Aspekte in den Fokus rücken. Ich stelle verschiedene Möglichkeiten vor.

Selbstcheck – der Rundumblick

Viele Patienten befinden sich die meiste Zeit des Tages im „Autopiloten“, sie überprüfen nicht das eigene Befinden, die Belastung, die Bedürfnisse, Emotionen und vor allem nicht, ob diese im Moment befriedigt oder gestillt werden. Der Selbstcheck ist ein individuell formulierter Fragenkatalog, der an bestimmten Zeitpunkten des Tages reflektiert werden soll. Idealerweise programmiert man sich eine Terminerinnerung im Handy oder macht den Check an bestimmten Punkten des Tages in ritualisierter Form. Folgende Fragen können hilfreich sein:

  1. Bin ich erschöpft? Wann habe ich die letzte Pause gemacht?
  2. Bin ich hungrig oder durstig? Wann habe ich das letzte Mal gegessen oder getrunken?
  3. Was fühle ich im Moment? Wo kommt das Gefühl her? Welches Bedürfnis spricht dort?
  4. Was denke ich gerade über mich? Ist der Gedanke hilfreich?
  5. Was kann ich tun, damit es mir jetzt im Moment ein klein wenig besser geht?
  6. Was kann ich tun, damit ich mehr in Richtung meiner Werte handele?
  7. Kann ich meine jetzige Situation verändern und angenehmer gestalten?

Diese Fragen beinhalten auch Fragen, die sich auf andere ACT-Bereiche beziehen. Im Vordergrund steht jedoch die Selbstreflexion bezogen auf den Moment.

Beobachterselbst – Selbstbeobachtung des Körpers

Körper, Geist und Emotionen hängen voneinander ab. Haben sie mal versucht ein beziehungsklärendes Gespräch mit jemandem zu führen, der hungrig, müde und angespannt ist? Wie wird dieses vermutlich verlaufen? Häufig vergessen Patienten darauf zu achten, wie belastbar sie körperlich noch sind oder welchen Einschränkungen sie gerade unterworfen sind. Hier kann ein regelmäßiger Bodyscan helfen. Ich formuliere die Instruktion mal höflich in Sie-Form, falls Kollegen sie raubmordkopieren wollen.

Bodyscan

Nehmen Sie eine entspannte Haltung ein und konzentrieren sie sich zunächst auf ihre Atmung. Schließen sie die Augen und konzentrieren Sie sich nur auf diese Übung. Wenn sie merken, dass Sie durch Gedanken abgelenkt werden, führen sie ihre Aufmerksamkeit auf die Übung zurück. Atmen Sie tief in den Bauchraum. Atmen sie langsam und entspannt. Achten Sie darauf, wie die Luft in Sie hereinströmt und aus ihnen herausströmt. Stellen Sie sich vor, wie die Luft durch den gesamten Körper transportiert wird, bis an seine Außengrenzen. Spüren Sie die Außengrenzen ihres Körpers. Visualisieren Sie vor dem inneren Auge die Außengrenzen ihres Körpers, wie ein Abbild aus einem 3D-Scanner.

Konzentrieren sie sich nun auf ihre Körpersensationen. Beginnen Sie bei ihren Fußsohlen und Füßen. Spüren Sie für jeweils drei Atemzyklen in jede Region hinein. (Ich setze folgend für jeden Atemzyklus einen Punkt.) Bewerten Sie nicht, was sie empfinden. Sorgen Sie sich nicht. Nehmen Sie einfach nur wahr. Verschieben Sie ihre Aufmerksamkeit nun zu ihren Knöcheln… Gehen Sie zu ihren Waden über… Achten Sie danach genau auf ihre Knie… Konzentrieren Sie sich nun auf die Oberschenkel…Beobachten Sie nun ihren Lendenregion…

Vielleicht waren sie in der Zwischenzeit abgelenkt. Eventuell sind Sie ins Grübeln gekommen. Das ist nicht schlimm, lenken sie einfach ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Wahrnehmung.

Spüren Sie nun in ihren Unterbauch hinein… Lenken sie die Aufmerksamkeit nun auf den Oberbauch…Was empfinden sie im unteren Rücken?…Was geschieht, wenn sie den Solarplexus in den Fokus nehmen?… Die Brust?… Die Schultern?… Den Hals?… Das Gesicht?…Den Hinterkopf?…

Nehmen Sie nun noch einmal den Körper als ganzes wahr… Wie müde oder energetisiert fühlen Sie sich?… Sind sie unruhig oder getrieben?… Haben sie Schmerzen, wenn ja wo?… Wie fühlt sich ihre Körpermitte an?… Wie ihre Atmung?… Spüren sie Anspannung im Körper?… Nehmen Sie nun ihren Körper noch einmal als Ganzheit, mit allen Sensationen wahr… Kommen Sie langsam ins hier und jetzt zurück… Öffnen Sie ihre Augen. Schütteln Sie sich. kommen Sie wieder ins Hier und Jetzt.

Beobachterselbst – Selbstbeobachtung der Emotion

Viele Patienten haben Probleme damit, einen Zugang zu ihren eigenen Emotionen zu bekommen. Sie tun Dinge so schnell ab und schlucken sie herunter, dass sie irgendwann entweder erschöpft sind oder angespannt oder letztendlich körperliche Beschwerden ausbilden. Diese Übung soll dabei helfen die Emotionsbeobachtungen anzustellen. Nehmen sie sich einen Emotionskreis ihrer Wahl, ich persönlich bevorzuge diesen:

Emotionen

Werfen sie drei Münzen in den Kreis und reflektieren sie, ob die Emotionen stimmig sind zu ihrer aktuellen emotionalen Lage. Wenn das nicht der Fall sein sollte, verschieben Sie die Münzen so lange bis sie auf Emotionen liegen, die zum aktuellen Moment passen. Alternativ können Sie den Kreis auch auf ein Dartbrett heften.

Beobachterterselbst und Selbstkonzept – das innere Team

Wie eingangs erwähnt, sind das Selbstkonzept und das Beobachterselbst unterschiedliche Konzepte. Das innere Team kann hierbei eine Brückentechnologie darstellen. Wieso? Das Beobachterselbst stellt eine Aktualaufnahme der eigenen Emotionen dar, das Selbstkonzept stellt einen Abruf von Selbstbildern dar.

Das innere Team sieht sich als eine Analogie in der internalisierte Rollen (Selbstbilder) miteinanderander in Dialog treten und interagieren. Wir alle verinnerlichen im Laufe unserer Entwicklung je nach unseren Erfahrungen, Gedanken über uns und die Welt, die wir durch die Interaktion mit anderen erwirken.

Wir alle haben internalisierte Gedankenmuster und emotionale Schemata mit denen wir unsere Welt begreifen. Diese kann man sich wie Akteure auf der „inneren Bühne“ vorstellen. Ein Problem tritt nach Friedemann Schulz von Thun häufig dann auf, wenn das Ich seinen Regisseurssessel für einen der Darsteller freigibt und einer der Darsteller die Regie übernimmt. Hier ein paar Beispiele für Archetypen die häufig auf der inneren Bühne zu finden sind:

  • Der innere Kritiker
  • Der innere Schweinehund
  • Der Beschützer
  • Der Schüchterne
  • Der Choleriker
  • und viele mehr…

Sie alle tauchen auf der inneren Bühne auf, wenn wir in Situationen sind, die uns an die Vergangenheit erinnern. Über die Lebensspanne hinweg haben wir uns in verschiedenen Kontexten bewegt und dort unterschiedliche Erfahrungen gesammelt, sei es durch Feedback oder durch die Beobachtung von Modellen. Sind wir immer dafür bestärkt worden den Mund aufzumachen und frech zu sein, werden wir wahrscheinlich einen inneren Pausenclown haben, der häufig präsent ist. Sind wir eher dafür bestraft und angemahnt worden bestimmten Konventionen zu folgen, werden wir wohl eher einen inneren Linienrichter haben, der immer darauf achtet, ob wir nicht persönliche oder konventionelle Grenzen überschreiten.

In Ausnahmesituationen kann es dazu kommen, dass sich diese Akteure derart auf der Bühne in den Vordergrund drängen, dass sie die Regie übernehmen und Unheil anstellen. Natürlich ist der Pausenclown bei geschäftlichen Verhandlungen nicht unbedingt von Vorteil und der innere Linienrichter kann wahrscheinlich jede Party versauen. Häufig ist es schon ein Fortschritt, wenn wir wissen, welcher unserer archetypischen Akteure gerade versucht sich auf den Regiestuhl zu schwingen.


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